Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 19. Mai 2013 · Musik

Tastenspiele in allen Variationen – am Landeskonservatorium wurde während einer kurzweiligen „Langen Nacht der Tasten“ viel geboten

In Kooperation mit dem Internationalen Bodenseefestival lud das Landeskonservatorium nach Feldkirch zu einer „Langen Nacht der Tasten“. Der Abend mit zahleichen Kurzkonzerten im Festsaal, im Kleinen Saal, in der Kapelle sowie im Schlagzeugraum und in der Lounge war ein großer Erfolg. Ein vielseitiges Programm bot den BesucherInnen über viereinhalb Stunden lang Kammermusik auf einem oder zwei Klavieren, zu zwei-, vier- oder sogar acht Händen, Akkordeonensemble und sogar Livemusik zum Filmklassiker „Nosferatu“. Gleichberechtigt nebeneinander wirkten Lehrende und Lernende. Viele Werke des 20. und 21. Jahrhunderts gab es zu hören sowie die Uraufführung von Hans-Udo Kreuels Quintett „Tanz und Beschwörung“ für Klavier und Saxophonquartett wurde präsentiert.

Das Besondere an diesem vielgestaltigen Konzertabend war, dass sich die BesucherInnen ihr spezielles Programm zusammenstellen und so dem Abend einen individuellen musikalischen Spannungsbogen verleihen konnten. So ist auch dieser Text ein subjektiver Erlebnisbericht und längst nicht alle Mitwirkenden können erwähnt werden. Neben den musikalischen Darbietungen diente die Lounge als kommunikativer Treffpunkt. Die lockere Atmosphäre des Abends wirkte sich positiv auf das Ambiente im Landeskonservatorium aus.

Vielschichtige Werke


Einleitend musizierten Anna Adamik und Imke Frank Werke von Claude Debussy und Alberto A. Ginastera. Ein Ensemble mit Jeanne Mikitka (Klavier), Eugen Bertel (Flöte), Wolfgang W. Lindner, Markus Feuerstein und Andreas Wachter (Schlagwerk) ließ mit dem Werk „Halil“ von Leonard Bernstein aufhorchen. Bernstein hatte das Werk unter dem erschütternden Eindruck des Todes eines jungen israelischen Soldaten komponiert. Die musikalisch eindringlich gestalteten emotionalen Zustände kehrte das Ensemble nach außen und stellte die Wandlungsprozesse zwischen Angst und Ruhe, Verzweiflung und Auslöschung ergreifend nach außen.

Raum für Neues


Ein Höhepunkt des Abends war die Uraufführung „Tanz und Beschwörung“ von Hans-Udo Kreuels, der den Klavierpart selbst spielte. Das Werk ist im Auftrag des Saxofonquartetts „Orfeo“ (Fabian Pablo Müller, Jörg M. Ortwein, Alexej Khurshchov, Hannes Tipeliu) entstanden, dem auch der Direktor des Landeskonservatoriums, Jörg M. Ortwein, angehört. Entfaltet wurde ein expressives Werk, das zwischen den beiden Polen Bewegung und Ruhe unterschiedlich intensive Spannungsfelder auslotete. Viel Bewegungsenergie und Trillerpassagen verliehen der Musik eine erregte Stimmung, die teilweise etwas überladen wirkte. Vor allem im rhapsodisch gestalteten ersten Teil des Werkes entwickelten Klangballungen und eruptiven Entladungen sowie vorwärts drängenden rhythmischen Passagen ein Spiel mit emotionalen Kräften. Der kontemplative Mittelteil kam etwas zu wenig ausgeprägt zur Geltung. Mit einem dichten Klanggewebe und vielen Bewegungsimpulsen wurde der virtuose Finalsatz ausgestaltet. Keine guten Voraussetzungen für die Uraufführung bot die ungünstige Akustik im Festsaal, denn das Saxophonquartett klang eher grell und dynamisch leise Passagen wirkten, trotz des angestrebten Pianos, oft zu dominant.

Kontemplatives in der Kapelle


Nach den energiegeladenen Darbietungen im Festsaal bot Max Bruchs Trio, op. 83 eine ideale Entspannung. Der Organist Helmut Binder hatte die Stücke für Klarinette (Martin Schelling), Viola (Klaus Christa) und Orgel arrangiert. Schöne Klangfarbenspiele entfalteten die drei Instrumente mit- und untereinander, so dass der spätromantische Charakter der groß angelegten und auch tänzerischen melodischen Bögen schön zur Geltung kam.

Werke von Vorarlberger Komponisten


Im Rahmen der Langen Nacht nahm die zeitgenössische Musik einen bedeutenden Stellenwert ein. Beispielsweise präsentierte das Klavierduo mit Barbara Salomon und Karoline Wocher das unterhaltsame Werk „Strange communication“ für Klavier zu vier Händen, das Hans-Udo Kreuels für sie komponiert hatte. Cäcilia Weber stellte Wolfgang W. Lindners Stück „Nelchen“ vor. Aufmerksamkeit zog die Darbietung von „Majestic underground“ für zwei Klaviere von David Helbock mit Raphaela Pfanner und Isolde Rösner auf sich. Dieses Werk verströmte mit seinem langsamen Steigerungsprozess eine gut ausgewogene Erwartungshaltung. In sich schwebende musikalische Passagen erklangen einesteils konventionell über die Tasten gespielt und wurden andernteils über Zupfen und Abdämpfen im Korpus der Instrumente erzeugt.

Werke von und mit Hans-Udo Kreuels zogen sich wie ein roter Faden durch das Abendprogramm. Zu später Stunde zeigte sich der vielseitige Musiker und Komponist auch von seiner humorvollen Seite. Er interpretierte, musikalisch untermalt, unter anderem Lyrik von Hermann Hesse, Joachim Ringelnatz und Heinz Erhardt.

Ein gleichberechtigtes Miteinander


Ein gleichberechtigtes Miteinander war im Akkordeonensemble mit Damian Keller, Raphael Brunner, Bernhard Oss, Drazen Gvozdenovic und ihrem Professor Goran Kovacevic erlebbar. Gute Unterhaltung boten die Jungs mit Kompositionen von Astor Piazzola. Dass sie sich gut verstehen und Spaß bei der Sache hatten, war unmittelbar spürbar.

Gruseliges zum Schluss


Zum Abschluss warteten die Organisatoren noch mit dem ersten Horrorfilm der Geschichte auf. Gezeigt wurde der Stummfilmklassiker „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau. Live dazu spielte Goran Kovacevic am Akkordeon die Filmmusik und verlieh den Bildern eine bewegten eine durchdringende Kraft. Leitmotivisch charakterisierte er die handelnden Personen und mit seiner unverwechselbaren Art, mit seinem Akkordeon Stimmungen und Atmosphäre zu erzeugen, verstärkte er die gruselige Handlung zusätzlich.

Weil ich um Mitternacht noch in den Bregenzerwald fahren musste und mich Nosferatu das Fürchten lehrte, trat ich vor Filmende die Heimreise an...