Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Michael Löbl · 30. Aug 2022 · Musik

Sternstunden in Schwarzenberg

Einen ganz kurzen Moment der Enttäuschung gab es vor dem Konzert mit Renaud Capucon (Violine) und David Fray (Klavier) am Samstag Nachmittag bei der Schubertiade Schwarzenberg: Programmänderung! Franz Schuberts grossartige C-Dur Fantasie D 934 wird ersetzt durch Robert Schumanns a-moll Sonate. Die natürlich ebenso grossartig ist. Insider allerdings schmunzeln bei dieser Änderung, denn sie wissen ganz genau, dass man das Publikum mit Schumanns virtuoser und energiegeladener Sonate mindestens genauso gut überzeugen kann wie mit der Schubert-Fantasie, die aber sehr unangenehm liegt und daher bei Geigern gefürchtet ist. Wahrscheinlich gibt es aber ganz andere Gründe für die neue Programmzusammenstellung.

Das Programm begann sehr entspannt mit einer Sonate von J.S. Bach. Herrlich, Bach wieder einmal im Retro-Style zu hören, mit Vibrato, normaler Stimmung und weit geöffnetem Steinway-Flügel. In krassem Widerspruch also zur doch manchmal etwas blutleeren Darmsaiten-Fraktion. Auch Tempo, Artikulation und Dynamik klangen, als hätte es die zahlreichen Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis nie gegeben. Aber nach fast 60 Jahren Lagerbildung sollte es mittlerweile möglich sein, verschiedene Arten der Interpretation Alter Musik nebeneinander gelten zu lassen.
Schaumgebremst ging es weiter mit Schuberts g-moll Sonatine, einem einfachen, schlichten Stück mit herrlichen Melodien und leiser Melancholie. Bis zum Ende des ersten Konzertteils hatte Renaud Capucon maximal in den zweiten Gang geschaltet und auch seine linke Hand ist kaum über die dritte Lage des Griffbrettes hinausgekommen.

Zwei Musiker, die sich blind verstehen

Als die Musiker nach der Pause die Bühne betraten, wirkten sie wie ausgewechselt. Was bitte haben die beiden in der Künstlergarderobe eingenommen? Wie von einem Turbo aktiviert, hellwach, energiegeladen und musikalisch fesselnd vom ersten bis zum letzten Ton schenkten sie dem Publikum zwei absolut mitreissende Interpretationen von zwei ebenso mitreissenden Sonaten: Schubert A-Dur D 574 und Schumann op. 105. Die beiden Franzosen Renaud Capucon und David Fray kennen sich schon lange und verstehen sich musikalisch blind. Kleinste Impulse, Balanceverschiebungen, Temporückungen oder dynamische Schattierungen werden in Nanosekunden gleichzeitig umgesetzt. Dazu der herrliche Ton von Capucons Guarneri und Frays Anschlagskultur - das Ergebnis ist absolut begeisternd. Eine Sternstunde.
Als Running Gag unterhielt David Fray das Publikum durch seinen erfolglosen Kampf mit zwei Knöpfen seines Jacketts. Als wäre er zu ersten Mal in Konzertkleidung auf einer Bühne schienen ihm diese Knöpfe mehr Probleme zu bereiten, als das gesamte, für einen Pianisten doch sehr anspruchsvolle Konzertprogramm.

Ein Liederabend der Superlative

Zwei Stunden später dann gleich die nächste Sternstunde mit Diana Damrau, Sopran und Xavier de Maistre an der Harfe. Ein Liederabend der Superlative. Über Diana Damraus Gesangskunst und ihre Stimme gibt es eigentlich nichts zu sagen, außer dass sich beides seit vielen Jahren unverändert auf allerhöchstem Niveau befindet. Seit diese Ausnahmekünstlerin die Bühnen der Welt betreten hat, sind auch keinerlei Ermüdungserscheinungen zu bemerken, im Gegenteil.
Das Programm begann mit einem "Best of Schubert" ging über in einen französischen Teil mit Gabriel Fauré und Claude Debussy und endete mit einem Feuerwerk von Arien und Liedern von Gioacchino Rossini. Dazwischen zwei Stücke für Harfe solo. Diana Damrau ist absolut stilsicher in allen Musikepochen, die Dynamik der Stimme wird bis an ihre Grenzen ausgelotet und auch im französischen und italienischen Repertoire ist jedes Wort zu verstehen. Die szenische Umsetzung der Texte wirkt vollkommen natürlich, obwohl vermutlich alles wohlüberlegt vorbereitet wurde. Kleine Gesten, die nie einstudiert oder gewollt wirken, entfalten große Wirkung. Der Humor kam auch nicht zu kurz, mehrmals - vor allem bei Rossini - musste das Publikum herzhaft lachen.

Perfektes Harfenspiel

Einen großen Anteil daran, dass während des ganzen Programmes nicht einmal ein Anflug von Langeweile aufkam, hatte Xaver de Maistre. Optisch würde man ihn eher auf dem Titelbild eines Männermagazins verorten, aber kaum sitzt er an seiner Harfe, ist er der ideale Partner für Diana Damrau. Keine Sekunde vermisst man ein Klavier, die Harfe deckt ein wirklich unglaubliches Spektrum an Klangfarben und Artikulationen ab. Man hat den Eindruck, es gibt eigentlich nichts, was dieser Musiker nicht auf seinem Instrument umsetzen kann. Und das mit einer verblüffenden Dynamik bis ins Fortissimo, die sich aber immer perfekt an die Gesangslinie anpasst.
Das Publikum war hingerissen und erklatschte sich drei Zugaben.