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Anita Grüneis · 20. Sep 2017 · Musik

So klingt das Meer in Griechenland - Die Pianistin Lorenda Ramou im TAK

Zu einem speziellen griechischen Abend hatte die Onassis-Stiftung ins TAK eingeladen. Die Pianistin Lorenda Ramou spielte zeitgenössische Klaviermusik von griechischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Die Erforschung der griechischen Musikgeschichte liegt Lorenda Ramou am Herzen. Daher engagiert sich die international tätige Pianistin auch als Vermittlerin zeitgenössischer Musik aus ihrem Heimatland. Vom reichhaltigen Schaffen dieser Komponisten war an diesem Konzertabend einiges zu hören. Insgesamt stellte Ramou die Werke von sieben Komponisten vor, die zwischen 1905 und 2000 entstanden sind. Das Thema des Abends war „Seascapes“, Meerlandschaften, die ihre Bewohner prägen und inspirieren.

Bebilderte Musik 

Das wurde vor allem bei den Stücken des fast 60-jährigen George Koumendakis deutlich, der während der Studienjahre in Paris von seiner Mutter immer wieder Päckchen mit Kräutern wie Thymian und Pfefferminze erhielt. Der Geruch war für ihn wie seine Heimat – und inspirierte ihn zum Komponieren. Seine „Extracts from Mediterranean Dessert“ glichen denn auch einer Allegorie auf das Leben. Ein schwarz-weiß Video von Petros Touloudis zeigte abgestorbene Halme, die vom Wasser angeschwemmt wurden, mit denen jemand eine Konstruktion auf den Sand legte, die dann vom Wasser weg- und wieder angespült wird, mit neuen Halmen und völlig ungeordnet. Aufs Neue entstand ein Bild, um gleich wieder zerstört zu werden. Spiegelungen von Ästen mischten sich mit realen Bildern, Ordnung und Chaos wechselten sich ab. Eine Allegorie auf das Leben am Strand, das Leben mit dem Meer. Die Klaviermusik dazu war sehr meditativ, geeignet zum Chillen und wurde von Lorenda Ramou hinreißend interpretiert.

Horrorfilm oder Aquarell?

Ganz anders die Musik von Panayiotis Kokoras, der 1974 in Ptolemaida geboren wurde. Er entwickelte einen eigenen Musikstil, dazu gehört auch die Komposition „Breakwater for Piano und Electronics“ aus dem Jahr 2000. Kokoras nennt seine Arbeiten „Holophonische musikalische Textur“, es sind abstrakte Klangstrukturen. Zum Video von Dimitri Vourdoglou, erklangen elektronische akustische Signale, zu der die Pianistin Ramou improvisierte – oder vielleicht klang es auch nur so. Das Video zeigte Wolkenspiele und immer wieder farbige Flüssigkeiten, die ineinanderliefen, Aquarelle erzeugten, zunächst harmlos wirkten, doch dann durch blutrote und schwarze Farben sowie grelle akustische Signale kippten, an Horrorfilme erinnerten, sich auch musikalisch am Klavier verdichteten.

Jazz und traditionelle Musik

Dagegen wirkten die Werke von Manolis Kalomiris, Dimitri Mitropoulos, Calliope Tsoupaki und Yiannis Constandinidis nahezu konventionell. Manolis Kalomiris beschrieb in seiner Ballade die Bewegung der Wellen, eine Art Zwiegespräch mit dem Meer, mal furios, mal sanft und beinahe zärtlich. Bei Dimitri Mitropoulos’ „Réveries au bord de la mer“ aus dem Jahr 1913 war der Einfluss von Prokojew zu spüren, den die Pianistin Ramou fein herausarbeitete. Bei der Komponistin Calliope Tsoupaki, 1963 in Piräus geboren, und ihrem 1988 komponierten Stück „Lasting Sounds of the Deep Sea“ war deutlich der Einfluss des Jazz zu hören. Lorenda Ramou baute eine unglaubliche Spannung auf, indem sie einen Ton anschlug, ihn lange nachklingen ließ, bevor sie den Hauch eines anderen Tones daraufsetzte. Erstaunlicherweise erinnerten die Klänge immer wieder an traditionelle folkloristische griechische Musik.

Ein interessanter Abend mit einer hervorragenden Pianistin, die einen guten Eindruck über das zeitgenössische Musikschaffen in Griechenland gab. Ob die Pianistin ihr (vorwiegend griechisches) Publikum wirklich auf Englisch begrüßen musste, und ob an so einem Abend nicht doch ein Moderator hilfreich wäre, der Stücke und Komponisten kurz erklärt, blieb fraglich.