Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Ionian · 17. Jul 2012 · Musik

Schockrocker Marilyn Manson gab sich in der Messehalle Dornbirn rotzig

Im Vorfeld hat der Auftritt von Marilyn Manson in Vorarlberg große Wellen geschlagen. Innerhalb weniger Stunden waren alle Tickets für das Konzert beim poolbar Festival verkauft. Die Fans schwebten im Glück, während die Kritiker schon laut wurden. Die Verlegung in die Messehalle ließ die Gemüter nochmals hochgehen. Von den Medien wurde jede Möglichkeit zur Polarisierung ausgeschlachtet. Gestern war es soweit und das Konzert ging reibungs- und harmlos über die Bühne, bis auf die rituelle Bibelvernichtung auf einem Satanspult.

Kreuzigt ihn!

Manson im Ländle, das hat ordentlich was ausgelöst. Der 43-jährige US-amerikanische Musiker und Künstler hat sich ein polarisierendes Image aufgebaut. Das spiegelt sich schon im Namen wider, der Bezug auf die schillernde Ikone Marilyn Monroe einerseits und dem Massenmörder Charles Manson andererseits. Dadurch soll anscheinend die untrennbare Zusammengehörigkeit von Gut und Böse verdeutlicht werden. Er wusste wie er Aufmerksamkeit erregen konnte, nachdem Journalismus und Theater studiert hatte, nämlich durch pure Provokation. Seine Markenzeichen sind das weiß geschminkte Gesicht und die zweifarbigen Kontaktlinsen und er ist Ehrenmitglied der Church of Satan. Sich gegen die Kirche zu stellen, liefert ihm verständlicherweise viel Publicity. Dieses Drumherum ließ bestimmt bei vielen Teenie-Eltern Alarmglocken läuten und konservative, katholische Stimmen laut werden. Die Medien unserer Landschaft setzten sich genussvoll auf diesen wilden Bullen und ritten ihn mit Titelseiten über Satanismus. Die Konzertgänger belustigten sich über Reaktionen derer, die sich durch das aufgebaute Künstlerego provozieren ließen. Auf der anderen Seite stand echte Sorge um das Seelenwohl der jungen Leute. Es wurde für die Jugendlichen gebetet und auf dem Weg vom Parkplatz bis zum Eingang der Messehalle konnte man eine Handvoll Flugblätter sammeln. Sie handelten alle von Jesus und schwappten aus Deutschland ins Rheintal. In den Flugblättern wird institutionalisierte Religion vor allem die Katholische Kirche genauso verteufelt, wie Manson und Christus als Rettung postuliert. Vor der Bühne eines Schockrockers werden also Glaubensschlachten ausgetragen, während er genau durch diese Provokation eine düstere, wirkungsvolle Kunstfigur erschafft.

Das große Tamtam

Ist er nun wirklich ein Satanist oder doch nur eine Style-Zicke? Jedenfalls hat er hohe Ansprüche. Auf dem Artist Rider wurde bis ins Detail fixiert, was, wo, wie und wann zur Verfügung stehen solle. Der Backstagebereich wurde wenig überraschend komplett in Schwarz bestellt, vom Teppich bis zur Lampe. Trotz allem musste alles nochmals umgebaut werden, um den Ansprüchen zu genügen. Ein eigener Trafo wurde angekarrt, damit die Steckdosen im US-amerikanischen Format verfügbar sind. Und alle, die meinten Brian Hugh Warner alias Manson sei Vegetarier, werden wahrscheinlich enttäuscht sein, zu erfahren, dass er sich vor dem Konzert ein halbes Kilo Rinderhack und nachher ein Sandwich mit weißen Thunfisch in die Figur schmeißt. Obwohl alles schon bereitstand, ließ er Crew und Gäste einfach mal ne gute halbe Stunde warten. Dass vom Management nur drei Fotografen zugelassen wurden und ein Knobelvertrag unterzeichnet werden musste, sei hier nur kurz erwähnt.

Schwarz ist die Farbe

Das Konzert war dafür mit 75 Minuten inklusive einiger Pausen knapp bemessen und für Manson-Verhältnisse doch recht lang. Am Anfang stand er mit Totenkopfmaske auf der Bühne und kurz nach dem Ablegen ebendieser ließ er sich einen Rotzfaden von bestimmt 30 cm Länge aus der Nase rinnen. Er wechselte den Hut mehrmals und ließ sich einen Pelz umwerfen. Das Mikrophon war manchmal eine Waffe im Stil eines Schlagrings oder leuchtete im Dunkeln. Der Mikrophonständer konnte einem leidtun, denn der hat alles abbekommen, wurde rücksichtslos getreten und geworfen. Doch die Wut blieb auf der Bühne. Manson kam regelmäßig an die Bühnenkante, lehnte sich über den schmalen Graben und berührte seine Fans. Überraschend publikumsnah war er wiederholt mittendrin in den Leuten. Manchmal sank er bodennah und machte anzügliche Gesten, aber das wars dann schon mit schockierendem Verhalten, bis auf das als Höhepunkt der Show inszenierten Spiel mit oben genannter Provokation. Zum Konzertschluss wurde ein Rednerpult mit dem gezackten S als Logo für Satan auf die Bühne gefahren. Auf diesem Podest wurde symbolisch ein Buch vollgerotzt und zerrissen. Damit hat er erneut Anlass für Protest geliefert. Die Emotionen bei den Fans gingen jedoch am meisten hoch, als Manson Songs anstimmte, die er gar nicht selbst geschrieben hat. Schon die ersten Töne von Depeche Modes Personal Jesus und Sweet Dreams von Eurythmics lösten Euphorie aus. Die Setlist befriedigte aber auch eingefleischte Fans und die nahmen das Konzert zum Anlass, sich in verstaubte schwarze Korsetts zu zwängen, gibt ja nicht so oft Gelegenheit dazu. Manche imitierten die Bühnenfigur sogar mit eigenen Kontaktlinsen. Die Meisten waren nicht sparsam mit Schminke und pinselten sich das Gesicht aufwendig mit schwarzer Farbe voll.

Großveranstalter

Das poolbar Festival hat sich mit diesem Headliner ausgewachsen. Statt einem ausverkauften Konzert im Alten Hallenbad wurde es in die Messehalle Nr. 6 in Dornbirn verlegt. Das bedeutete natürlich neu verhandeln und einen ganz anderen Deal abschließen. Die Räumlichkeiten kosteten bestimmt was, ganz zu schweigen von der Bühne, der PA, der ganzen Gastroeinrichtung und und und. Auch der Personalaufwand potenzierte sich. Es mussten seitenlange Listen jongliert werden. Die Halle war akustisch eher suboptimal, ist ja auch nicht als Konzerthalle gedacht. Die geschätzt 3.500 Gäste lieferten zum Glück genügend Absorbationsfläche für den Hall. Kaum war das Konzert vorbei wurde auch schon in Windeseile abgebaut. Man hatte sich an was Großes gewagt und das war spürbar, es ging aber schlussendlich gut über die Bühne. Vor der Messehalle wurden die Schaltafel-Häuschen aufgebaut und so entstand ein kleines poolbar-Städtchen in Dornbirn. Es wurde auch, treu dem Festivalkonzept, ordentlich Rahmenprogramm geboten. Im Vorfeld und nach dem Gig spielten Gee-K live und es gab Feuershow und Jahrmarkttreiben ab 18 Uhr. Ein mobiles Piercingstudio machte leider nur sechs Stechungen, aber dafür Werbung. In der Halle durften Surfaholics die Vorband machen. Ohne Franzi aber mit druckvollem Power-Rock eröffneten sie diesen Abend. Natürlich sind sie nicht so bekannt wie Manson und spielen auch nicht vordergründig mit Image-Tricks, dafür wissen sie ihre Instrumente zum Brüllen zu bringen und lieferten einen hervorragenden Opener-Gig.

Barmherzige Samariter

Was ist nun wirklich passiert? Der Arbeiter-Samariter-Bund Feldkirch war mit 18 Sanitätern und einem Notarzt im Einsatz. Aus rettungstechnischer Sicht sei das gestrige Konzert sehr ruhig verlaufen. Insgesamt wurden acht Patienten versorgt, wovon vier ins Krankenhaus transportiert werden mussten. Leider war auch ein Fall fürs LKH-Rankweil dabei. Welche Verantwortung muss man einer Kunstfigur wie Manson zuschreiben, wenn junge Menschen übertrieben tief in diese Welt hineinfallen? Wenn er den Auslöser macht, welche Ursachen liegen dem wohl zu Grunde?