Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Fritz Jurmann · 12. Aug 2021 · Musik

Rossini und Moosbrugger – ein konträres Festspiel-Gespann

Gegensätzlicher könnten sie nicht sein, die beiden Stücke, die die letzte Festspielwoche dieser Saison dominieren und am Donnerstag in einem zweiten Pressetag der Bregenzer Festspiele vorgestellt wurden. Sie sind ein weiteres Zeichen dafür, mit welch extremer stilistischer Spannweite das Festival auch heuer in seinem Musiktheaterangebot aufwartet.

Da ist im Opernstudio, Premiere am Montag am Kornmarkt, Rossinis Buffo-Köstlichkeit „Die Italienerin in Algier“ von 1813 in einer Inszenierung der Bregenz seit langem verbundenen Brigitte Fassbaender, zu erleben, als ehemalige Opernstimme von Weltformat und heute viel gefragte Regisseurin eine der großartigsten Persönlichkeiten im internationalen Musiktheater. Weiters wird, mit der Uraufführung am Donnerstag auf der Werkstattbühne, als starker Kontrast dazu das Ergebnis des Opernateliers mit dem Stück „Wind“ des in Berlin lebenden erfolgreichen Bregenzerwälder Organisten und Komponisten Alexander Moosbrugger präsentiert. Das außergewöhnliche Werk aus dem Bereich des experimentellen Musiktheaters mit Elektronik-Elementen auf der Basis eines uralten Buches aus der italienischen Renaissance entstand in fünf Jahren mit regelmäßigen „Einblicken“ in dessen Fortgang, wobei die Finalisierung durch die Pandemie noch um ein weiteres Jahr verzögert wurde.

Bisher noch keine „Rigoletto“-Absage notwendig

In der von Dramaturg Olaf A. Schmitt fachkundig moderierten Presseinformation ging es im Gespräch mit Intendantin Elisabeth Sobotka zunächst um die aktuelle Situation der laufenden 75. Jubiläumssaison. Innerhalb der ersten 22 Tagen konnten trotz des wechselhaften Wetters alle Aufführungen des Spiels auf dem See mit Verdis „Rigoletto“ in der Inszenierung von Philipp Stölzl ohne Absage durchgeführt werden, mit insgesamt etwas mehr als 120.000 Besuchern. Sobotka: „Wir haben uns nach den Zweifeln im Vorfeld gefreut, dass wir überhaupt spielen können und wir auch die Zuschauer dafür haben. Denn die Pandemie hat unser Publikum nicht von einem Besuch abhalten können, im Gegenteil. Es hat sich in einer besonderen Stimmung sogar eine Art Gemeinschaftsgefühl entwickelt mit der Freude darüber, dass es nun endlich wieder losgeht.“

„Bin selber ein großer Rossini-Fan“

Brigitte Fassbaender hat bereits 2018 hier im Opernstudio Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ höchst erfolgreich in Szene gesetzt. Beste Vorgaben also für eine Neuauflage unter neuen Vorzeichen. Und so plaudert sie vor Journalisten freimütig aus dem Nähkästchen über ihre  Inszenierung der turbulenten Rossini-Oper „Die Italienerin in Algier“: „Ich bin selber ein großer Rossini-Fan, habe diese Oper aber nie selber gesungen und gehe sie deshalb unvoreingenommen an. Doch ich bin glücklich, mit Jonathan Brandani einen Dirigenten zu haben, der kein Purist ist und diese Musik in fast improvisatorischer Weise zu neuem Leben erwecken möchte. Das habe ich selten erlebt.“
Der solcherart angesprochene italienische Dirigent gilt als Meister des Belcanto und antwortet fast beschämt: „Es ist für mich ein Luxus, mit Frau Fassbaender zu arbeiten. Die Noten in dieser Partitur sind zwar einfach, aber es ist sehr schwierig, dieser Musik den richtigen Charakter zu verleihen. Mit unserem jungen Team können wir da viel ausprobieren und versuchen, den Geist dieser Musik nachzuvollziehen.“

Die Oper spielt auf einer Luxus-Yacht

Brigitte Fassbaender verrät dann vorab noch einige Details zur Zusammenarbeit mit ihrem Ausstatter Dietrich von Grebmer. Die beiden lassen die Handlung auf einer Luxus-Yacht „in naher Zeit“ spielen, ohne ein märchenhaftes Algerien zu strapazieren. Überhaupt wird alles vermieden, was dazu führen könnte, sich über die arabische Welt lustig zu machen wie Turbane, ebenso was das Frauenbild in der Oper betrifft. Fassbaender, die hier im Vorfeld wieder mit ihrer Meisterklasse für junge Sängerinnen und Sänger beeindruckte: „Ich schätze das hohe sängerische Niveau dieser jungen Leute, die offen an diese Aufgabe herangehen. Und ich finde es toll, mit so viel Jugend hier arbeiten zu können.“ 
Elisabeth Sobotka streut Fassbaenders Arbeit schon von vornherein Rosen: „Es ist ein Glück, sie hier zu haben. Sie hat ein unglaublich großes Herz, mit dem sie aus den jungen Leuten ihre natürlichen Anlagen herausholt und fördert. Und so sind mittlerweile aus unserem Opernstudio auch für konzertante Aufführungen und für den See Leute herangewachsen, die diesen hohen Anforderungen bereits gewachsen sind.“

Vom Opern-Wirbelwind zu „Wind“                   

Während man bei der Rossini-Oper „Die Italienerin in Algier“ von einem musikalischen Wirbelwind sprechen könnte, trägt die Uraufführung von Alexander Moosbrugger im Opernatelier den Titel „Wind“. Gemeint ist damit nicht nur die Luft, mit der die Pfeifen einer 172 Pfeifen umfassenden speziellen Orgel aus dem Hause Rieger in Schwarzach zum Klingen gebracht werden, sondern auch Bewegung und Emotionen, wie sie in dem 1499 gedruckten Buch „Hypnerotomachia Polyphili“ geschildert werden, das vermutlich vom Dominikanermönch Francesco Colonna verfasst und mit Holzschnitten und Schriftkunst bildlich gestaltet wurde. Darin erzählt der Autor von der Suche des Poliphilo nach seiner geliebten Polia. Im Traum eröffnet sich ihm eine faszinierende Welt aus Gärten, fantastischen Wesen und erstaunlichen Bauten. Dabei bleibt alles Erlebte flüchtig wie ein Windstoß.
Alexander Moosbrugger hat sich zusammen mit der bildenden Künstlerin Flaka Haliti, die den Raum dazu geschaffen hat, dieser Thematik angenommen. Der Wind dominiert hier die Musik. Mit einzigartigen Gesangspassagen, die an das Echo eines Luftstromes erinnern, und einer auf 16 Inseln verteilten Orgel mit Pfeifen, die über Schläuche mit Luft versorgt werden, wird ein Klangraum erschaffen, der in der bisherigen Festspielgeschichte seinesgleichen sucht. Wie Moosbrugger selber betont, erklingen dabei verschiedene Stimmungen und machen die verschiedene Tonalität spürbar. Die Pressevertreter konnten sich in einer Probe selber einen Eindruck von dieser Situation machen, bei der der Zuhörer meint, selber in der Orgel zu sitzen. Für diese Dialoge und diffusen Klänge sind namhafte Solisten und Chorsänger sowie das von der Schubertiade bekannte französische Streichquartett Quatuor Diotima aufgeboten. Für die Klangregie sorgt Thomas Hummel vom SWR Experimentalstudio.


„Die Italienerin in Algier“, Oper von Gioacchino Rossini
Mo, 16., Mi, 18., Fr, 20., Sa, 21. August, 19.30 Uhr, Theater am Kornmarkt
Dauer ca. 2 ½ Stunden inklusive Pause

„Wind“, Oper von Alexander Moosbrugger
Do, 19., Fr, 20., Sa, 21. August, 20.00 Uhr, Werkstattbühne