Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 30. Jul 2011 · Musik

Räume als Ausgangspunkte für Träume – „Home Work“ von Fancois Sarhan weckte bei der Uraufführung das individuelle kreative Erleben jedes Einzelnen

„Home Work“ des französischen Multimediakünstlers und Komponisten Francois Sarhan wurde bei den Bregenzer Festspielen im Rahmen der "Kunst aus der Zeit" uraufgeführt und sehr gut angenommen. Originell war bereits der Zugang zum Ort des Geschehens in der Werkstattbühne. Durch einen spiralförmig angelegten, dunklen Gang gelangte das Publikum zu einer dreiteilig angelegten Bühne. In drei Segmenten spielten sich alltägliche Szenen ab, hervorragend dargestellt von den Musikern des „ICTUS Ensembles“. Mittels vielschichtig übereinander projizierter Bildsequenzen und durch die Musik wurden die BesucherInnen in eine traumhaft verspielte, die Fantasie anregende Welt geführt. Das Publikum konnte sich während der Vorstellung frei bewegen und so die Aktionen individuell kombinieren. Am meisten Anreiz boten die Schnittstellen zweier Szenensegmente, an denen die durch Vorhänge abgetrennten Räume vor allem musikalisch durchlässig waren.

Eine runde Bühne wurde mit Tüchern in drei Segmente geteilt, um daraus drei getrennte Handlungsräume zu gestalten. Dort spielte sich das „Ritual für sechs Musiker“ ab. In einer Art Abstellraum baute ein Mann anhand einer Anleitung ein Spielzeug zusammen. Sofort zog der „Heimwerker“ Gerrit Nulens die Zuhörenden in seinen Bann. Höchst virtuos rezitierte er nämlich den Anleitungstext und verlieh dem Geschehen durch Bodyperkussion eine rhythmische Substanz. Unterstützt wurde er dabei vom E-Bassisten Géry Cambier. Hinter dem Heimwerker wurden mannigfaltige Bilder und Videos gezeigt, Bildsequenzen lustvoll zerlegt und manipuliert. So wurde das Publikum in unbewusste, fantasiegeladene Bilderwelten geführt, die auf jeden individuell wirken konnten.

Von der Vorstellungsrunde...

Im nächsten Segment erhielten die Besucher Einblick in eine Küche, in der Tom Puwels an der E-Gitarre und der Posaunist Daniel Ploeger agierten. Die musikalische Szene generierte sich aus lustbetonten Lauten und kommunikativen Floskeln der E-Gitarre. Lukullisch wurden an die Wände deftige Tortenstücke projiziert, die in unterschiedliche Münder geführt wurden. In humorvollen Demontagen verwandelten sich die appetitlichen Happen und wurden von allerlei Getier bevölkert.
Die dritte Station zeigte ein biederes Wohnzimmer und einen unschlüssigen jungen Mann, der auf seine Freundin wartet. Ständig war er im Zwiespalt, wo er bestimmte Gegenstände am wirkungsvollsten platzieren sollte und welche bzw. ob er überhaupt eine Kleidung tragen soll. Am Klavier begleitet wurde Mathieu Metzger, der anschließend sehr klangsinnlich das Saxophon spielte, vom Pianisten Jean-Luc Plouvier.

... zum Kern der Sache

Nach dem Kennenlernen der drei Alltagssituationen begann eine spannende Transformationen der Ereignisse und Situationen. Musikalische Ideen, Texte und Bilder wanderten zwischen den Räumen und fanden sich plötzlich in einem ganz anderen Sinnzusammenhang wieder. Vor allem die Musik changierte wirkungsvoll, mitunter auch irritierend, zwischen den einzelnen Szenen. Als Auslöser kreativer und fantasievoller Prozesse, die musikalisch gut unterstützt wurden, entwickelten sich gleichzeitig stattfindende und einander durchdringende „Parallelwelten“.
Das multimediale Musiktheater, das im Auftrag von „Kunst aus der Zeit“ entstanden ist, zeichnete sich überdies durch gute Proportionen aus. Immer dann, wenn sich eine Idee erschöpfte, führte Francois Sarhan einen variierten Gedanken, egal ob im Bild oder in der Musik, ein, der die Aufmerksamkeit bündelte.
Klangregie, Licht und Videotechnik sind wichtige Voraussetzungen für das Gelingen eines derartigen Projektes. Alexandre Fostier, Tom Bruwier, Eric Verberdt, Yann Philippe und Yves Vandermotte leisteten ganze Arbeit bei der gelungenen Uraufführung.