Kris Lemsalu im Magazin 4 im Rahmen des Bregenzer Kultursommers (Foto: Magazin 4)
Silvia Thurner · 02. Mär 2021 · Musik

„queerfeldein“ - Die HUGO-Trophy 2021 der Montforter Zwischentöne ging an das Kollektiv ConTemporament

Das Finale des HUGO-Konzertdramaturgiewettbewerbes 2021 der Montforter Zwischentöne ging dieses Jahr via Livestream über die Bühne. Bereits zum siebenten Mal waren Studierende aus deutschsprachigen Konservatorien, Musikhochschulen und Universitäten eingeladen, außergewöhnliche Konzertideen für einen speziellen Ort zu kreieren. Einundzwanzig Teams haben Konzepte eingereicht, fünf stellten ihre Entwürfe beim großen Finale vor. Nach der Präsentation kristallisierte sich rasch das Kollektiv ConTemporament mit seiner zugleich gesellschaftlich relevanten und künstlerisch feinsinnigen Performance „queerfeldein“ als Sieger der begehrten Trophy heraus. Dem Finale vorangegangen waren abwechslungsreiche filmische Projektvorstellungen mit hohem künstlerischem Anspruch und mitunter etwas schwer verdauliche Statements der hochrangig besetzten Jury.

Nicht wie erwartet aus dem Feldkircher Montforthaus, sondern aus der Launchlab in Berlin begrüßte Thomas Pfanner, Projektleiter bei den Montforter Zwischentönen, das Publikum vor den Bildschirmen. „Wege und Einfall“ lautete der Leitgedanke, unter dem die Teams speziell für die Räumlichkeiten im Schloss Amberg in Feldkirch einstündige Konzertformate entwickelt hatten. Eindrucksvoll stellten die Studierenden aus den Konservatorien Vorarlberg und Innsbruck, den Hochschulen Bern, Leipzig und Weimar sowie den Universitäten Graz und Wien mit originellen und künstlerisch ansprechenden Kurzfilmen ihre Konzertentwürfe vor.

Bigame Beziehungen im Mittelpunkt

Das Siegerprojekt mit dem aussagekräftigen Titel „queerfeldein“ lenkt den Blick auf nicht-konventionelle Liebesbeziehungen. Inhaltlich und musikalisch schöpft das Kollektiv ConTemporament aus dem Vollen. Als Ausgangspunkte der Performance dient den Studierenden der Hochschule der Künste Bern und Nürnberg einesteils die unvollendete Oper „Der Graf von Gleichen“ von Franz Schubert und andernteils die Schriftstellerin Paula Ludwig, die im Jahr 1900 auf Schloss Amberg geboren wurde. Zueinander in Verbindung stehen die Schriftstellerin und der Hauptprotagonist der Oper, weil beide in bigamen Beziehungen lebten. Darüber hinaus bietet die Entstehungsgeschichte des Schlosses Amberg weitere Inspiration, denn Kaiser Maximilian erbaute das Schloss um 1500 für seine Konkubine. Von der Vergangenheit aus wird der künstlerische Blick in die Gegenwart geführt. Richard Dünser hat die unvollendet gebliebene Schubertoper im Jahr 2002 vervollständigt und einen eigenen Orchesterpart hinzugefügt. Ergänzend dazu bietet die Lyrik von Paula Ludwig genreübergreifende Ankerpunkte.
Das Kollektiv ConTemporament fasste seine Ideen für die interdisziplinäre Wandelperformance in ein kunstsinniges Video. Auf die Premiere im kommenden November darf man gespannt sein.

Spannende und teils überschießende Jurybeiträge

Die künstlerischen Leiter Hans-Joachim Gögl und Folkert Uhde setzte anlässlich der Online-Prämierung auf die Jury, die sich bereits im vergangenen Jahr profiliert hatte. Frauke Bernds (Leiterin der Konzertplanung in der Kölner Philharmonie), Peter Paul Kainrath (Intendant des Klangforums Wien), Maximilian Maier (Musikredakteur des Bayerischen Rundfunks) und Sarah Wedl-Wilson (Rektorin der Hanns Eisler Hochschule für Musik in Berlin) besprachen die Einreichungen und gaben gut nachvollziehbare Feedbacks. Zwar sind kritische Auseinandersetzungen und Anmerkungen stets zu begrüßen, denn gerade sie bieten Ecken und Kanten anhand derer sich die Studierenden weiterentwickeln können. Doch Peter Paul Kainrath als kritischster Kopf der Runde nahm seine Rolle sehr ernst und kanzelte insbesondere die Beiträge der Ensembles WirkWerk und „Die Aktivisten“ sehr stark ab.
Weil den künstlerischen Leitern der Montforter Zwischentöne die Kooperation mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium wichtig ist, erhält jedes Jahr ein Team des Hauses eine „wildcard“ zur Teilnahme beim Finale. Ob diese Vorgangsweise den Studierenden gute Dienste erweist, mag an dieser Stelle dahin gestellt bleiben. Auffällig ist aber, dass die Projekteinreichungen aus Vorarlberg oftmals ziemlich weit abgeschlagen von den Konzertentwürfen anderer Hochschulen und Universitäten bleiben.
Neben den Präsentationen der Gruppen Die Aktivisten, WirkWerk und ArtConnection erregte das Ensemble Godot Komplex besondere Aufmerksamkeit. Unter dem Motto „My home is my castle“ widmeten sich die Studierenden den hoch aktuellen und spannenden Themenkreisen von Privatheit, Intimität und Voyeurismus.

Tipps
Das Finale des Hugo-Wettbewerbs 2021 zum Nachschauen: www.montforter-zwischentoene.at
Die Premiere der interdisziplinären Performance „queerfeldein“ findet am 28. November 2021 auf Schloss Amberg in Feldkirch statt.