Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 26. Mai 2022 · Musik

Peter Herbert erhält Kompositionspreis des Landes Vorarlberg 2022

Der hierzulande bestens bekannte Kontrabassist und Komponist Peter Herbert erhält den mit 10.000 Euro dotierten Kompositionspreis. Seit Beginn seiner Karriere in New York, anschließend in Paris und nun in Wien suchte der vielseitige Künstler nach neuen Anregungen und erweiterte seinen musikalischen Horizont, stets hellhörig für das Neue, kritisch gegenüber dem Mainstream sowie sensibel und mit künstlerischem Spürsinn für gesellschaftspolitische Veränderungen. Das hat ihm international viel Anerkennung eingebracht. Im Hinblick auf seine Kunst der „extended techniques“ am Kontrabass, die er in seinen Werken kompositorisch verarbeitet, zählt er international zu den Eliten.

In den vergangenen Jahren war Peter Herbert in Vorarlberg wenig präsent. Sein Lebensmittelpunkt hat er derzeit in Wien und in Linz, wo er an der Bruckneruniversität unterrichtet. Mit zahlreichen Künstlern aus Vorarlberg ist er eng verbunden, so gibt es immer wieder Projekte mit dem Schriftsteller Wolfgang Mörth, wie im vergangenen Jahr die überarbeitete Fassung der Performance „kunstlos glücklich“. Auch Gerhard Klocker zählt zu den inspirierenden Künstlerfreunden. Mit ihm produziert Peter Herbert auch Videos, um seine stets neu entwickelten Spieltechniken einem größeren Musikerkreis zu vermitteln.
Peter Herbert kommt aus der Klassik. Genauso stilsicher wie in der improvisierten Musik und im Jazz bewegt er sich im Genre der Neuen Musik. Peter Herbert hat bereits für zahlreiche Ensembles komponiert. In Vorarlberg wurden seine Werke vom Ensemble Plus aufgeführt. Das Arpeggione Orchester sowie das Symphonieorchester Vorarlberg präsentierten Auftragskompositionen. Aufmerksamkeit lenkten unter anderem ein Porträtkonzert im Rahmen der Bregenzer Festspiel sowie die Uraufführung des Musiktheaters „Tansmaghreb“ auf sich.
Im Auftrag von Gerhard Sammer, dem künstlerischen Leiter des Tiroler Kammerorchester Innstrumenti, entsteht derzeit ein Doppelkonzert für die ungewöhnliche Besetzung Gitarre, Klavier und Orchester. Als Solisten stehen die beiden Brüder Raphael und Felix Niederstätter im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang unterstreicht Peter Herbert sein Selbstverständnis als Komponist, denn ihm sei beim Komponieren der zwischenmenschliche Aspekt überaus wichtig. „Ich schreibe am liebsten für Musiker, die Spaß haben am Interpretieren. Ich bin kein Schreibtischkonstrukteur, sondern ein aktiver, sinnlicher Musiker und Melodiker.“ In diesem Sinn sind in den vergangenen Jahren einige Kompositionen für Kammerensemble und -orchester entstanden.

Die Spieltechniken erweitern

Corona hat die künstlerischen Aktivitäten von Peter Herbert massiv eingeschränkt. Konzertauftritte quer über den Globus waren jedoch in den vergangenen Jahren nicht nur wegen Corona, sondern auch aufgrund der geopolitischen Verhältnisse sehr eingeschränkt. Diese Umstände lenkten die Aufmerksamkeit des Kontrabassisten verstärkt auf musikalische Spieltechniken, die seine musikalischen Ideen seit jeher prägen. Unter anderem hat sich Peter Herbert weltweit mit sogenannten „extended techniques“ einen Namen gemacht. Neben ihm gebe es noch zahlreiche andere Freaks wie Mark Dresser, Bertram Turetzky, Barry Guy, Joëlle Leandre, Paul Rogers, die ebenfalls den Kontrabass mit außergewöhnlichen Spieltechniken aus der musikalischen Bassfunktion herausholen, ergänzt Peter Herbert. „Mit Mark Dresser bin ich in einem guten Kontakt, wir tauschen uns aus, was wir gerade erforschen oder entwickeln. Das ist spannend. Er ist mit anderen spektralen Aspekten beim Kontrabass beschäftigt als ich. Ich habe mich auf die Spieltechniken auf dem Griffbrett spezialisiert.“
Jahrelang lebte Peter Herbert in New York, wo er mit international renommierten Jazzbands quer über den Globus auftrat. Als Sideman bot der Kontrabassist herausragenden Musiker:innen ein kreatives und kraftvoll ausgefülltes Fundament. Dass er jedoch auf seinem Instrument mehr entdecken und auch sein wollte, war ihm schon früh klar. Deswegen wendete sich der Musiker bereits während seiner New Yorker Zeit vermehrt der „Improvised Music Scene“ in Brooklyn zu. Dort fand er musikalische Anreize, die ihn wesentlich geprägt haben. Eine wegweisende Erfahrung war beispielsweise ein Auftritt als Einspringer für Glen Moore, der ihn bat, bei der Aufführung von Shakespeares „Henry VI“ kurzfristig auszuhelfen. Für die Schauspielmusik hatte Mark Dresser den Kontrabass umgestimmt und damit komplett andere musikalische Grundvoraussetzungen geschaffen. „Ich musste mich mit dieser Stimmung auseinandersetzen, richtig eintauchen, und hatte alle Augen und Ohren und Synapsen geöffnet, was diese Skordaturen anging. Das war der Aufbruch in eine neue musikalische Welt“, erzählt Peter Herbert. „Jetzt, bei der neuen „Naked Bass II“ gibt es vier oder fünf Stücke mit verschiedensten Skordatura-Stimmungen. Wenn man den normalen Kontrabassklang im Ohr hat, ergibt so eine neue Klangschichtung ein richtiges Wow-Erlebnis. Das wird mich noch den Rest meines Lebens begleiten.“

Mit dem Bass allein und Electronics

Die Erforschung der Möglichkeiten, die der Kontrabass bietet, ist ein kreatives Langzeitprojekt von Peter Herbert, das einen ersten Ausdruck in der CD-Produktion von „Naked bass I“ im Jahr 2007 gefunden hat. In den kommenden Monaten erscheint nun „Naked bass II“, zuerst auf Vinyl und dann als CD sowie in Form von Videos, die in Zusammenarbeit mit Gerhard Klocker produziert werden.
Wer Peter Herbert als Solist live erlebt hat, kennt einige der Utensilien, die er neben seinem Bogen in sein Spiel integriert. So dienen beispielsweise Essstäbchen oder auch ein Aluminiumstab dazu, die Saitenlängen zu verkürzen, um damit faszinierend neue, bisher ungehörte Sounds und Klangfarben zu kreieren. Damit grenzt der Musiker auch Saitenlängen ab, so dass ihm nach oben hin ein stark erweiterter Tonraum zur Verfügung steht.
Wenn die Saiten als Akkorde gespielt werden, erweitern Skordaturen das Klangspektrum nochmals in eine weitere Richtung. „Da kann man Stücke schaffen, die mit einer normalen Stimmung gar nichts mehr zu tun haben. Das wird gerne und rasch abstrakt, aber es ist natürlich auch ein wichtiger Aspekt des Kontrabasses.“ Derlei spieltechnische Raffinesse fordert bei den Zuhörenden Konzentration ein, ist sich Peter Herbert im Klaren. Seine Art der musikalischen Gestaltung eignet sich deshalb vornehmlich für kleine Besetzungen.
Den Kosmos der Electronics ließ Peter Herbert bisher stets außen vor. Das sei ein Gebiet, das er immer ausgeklammert habe, weil er viel Respekt davor habe. Electronics würden genauso einen Kosmos eröffnen, wie ihn die akustische Dimension des Instruments bietet, gibt Peter Herbert zu bedenken. Doch die Zusammenarbeit mit Musikern, die die Electronics mit einbeziehen, bieten Anlass zu willkommenen Projekten. So wird in den nächsten Wochen mit dem Pianisten und Keyboarder Josef Novotny eine CD publiziert, die das musikalische Spektrum der Tasteninstrumente mit Electronics und dem akustischen Kontrabass verbindet.

Ein Begleiter sein

Seit 2007 unterrichtet Peter Herbert an der Bruckner Privatuniversität in Linz am Institut für Jazz und Improvisierte Musik (JIM). Die namhaftesten Musiker fanden und finden dort zusammen. „Bei uns gibt es alles, von Punk über Hardcore bis Avantgarde. Das JIM ist tatsächlich ein Schmelztiegel. Es ist auch in der Szene und bei den Veranstaltern bekannt, dass die spannendsten Bands aus dem Linzer Stall kommen.“ Seine Unterrichtstätigkeit sieht Peter Herbert vornehmlich als Begleitung. Er mache den Studierenden so viele Angebote wie möglich. Die Jungen würden eintauchen, Wesentliches mitnehmen und hoffentlich ein Leben lang inspiriert bleiben.
Ein Herzensprojekt ist die Band mit dem speziellen Namen „scruffy Herbert’s“. In Triobesetzung musiziert Peter Herbert zusammen mit seiner Frau, der Cellistin Margarethe Herbert, und seinem Neffen, dem Gitarristen Kenji Herbert. Beim „Jattle BAM + Poetry“ spielt das Trio für improvisierende Rollstuhltanzgruppen rund um die Künstlerin Vera Rosner. Er habe das schon öfters gemacht, erzählt Peter Herbert. „Das ist eine Welt außerhalb unserer Wahrnehmung. Sie hat eine menschliche Qualität, die kennen wir aus dem Alltag nicht.“

 

www.peterherbert.at
www.musikdokumentation-vorarlberg.at