Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 05. Jun 2015 · Musik

Niemand blieb unberührt – Studierende des Landeskonservatoriums zeigten unterschiedliche Facetten des Streits und beeindruckten auf allen Linien

Den ersten Konzertdramaturgiewettbewerb „HUGO“, der von den „Montforter Zwischentönen“ in Kooperation mit dem Landeskonservatorium ausgeschrieben worden war, entschied das Team „Hirschgraben 34“ für sich. Im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts realisierte das Siegerteam, bestehend aus der Pianistin Badamsuren Gangaabazar, dem Flötisten Juan Carlos Diaz-Bueno und dem Gitarristen Quirin Mühlberger, zusammen mit Freunden das ‚Konzertdrama’ rund um die Themenkreise Konflikt, Krieg und Hoffnung. Mit einer sehr eindringlichen Performance aus Musik, Licht, Lesung, Film, Tonband und Stimme fesselten sie die Zuhörenden. Einen besonderen Eindruck hinterließ der Abend, weil die Kompositionen sowie die drastischen Bilder und Texte eine große innere Stringenz aufwiesen.

Der Schwurgerichtssaal des Landesgerichts war für das zugrundeliegende Konzertmotto „Erheben Sie sich!“ nicht nur im Hinblick auf die Ausstrahlung des Ortes geeignet. Beste Voraussetzungen für die Musik und das Lichtkonzept boten die Akustik und Kubatur des Saales. Von den befreundeten Musikerinnen und Musikern Raphael Brunner (Akkordeon), Natalia Garcia Moreno (Flöte), Alina Eryilmaz (Oboe), Hauke Kohlmorgen (Klarinette) und Jodok Lingg (Trompete) wurde das Trio „Hirschgraben 34“ hervorragend unterstützt. Ihr Publikum schonten die Studierenden des Landeskonservatoriums nicht, denn die Zuhörenden im voll besetzten Saal wurden neben eindringlichen Kompositionen auch mit furchtbaren Kriegsbildern und Filmsequenzen konfrontiert. An diesem schwülen Sommerabend breitete sich im Saal noch dazu eine Hitze aus, die eine physische Enge implizierte und dadurch die Wirkung der Darbietungen zusätzlich steigerte. Musik kann auch negative Inhalte und Gefühle sowie schreckliche Ereignisse so eindrücklich und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, wie wohl kein anderes künstlerisches Genre. Diese Qualitäten waren an diesem Abend deutlich zu spüren.

Gute Bearbeitungen


Die Dramaturgie des Abends legten die Studenten geschickt an. Zuerst wurde mit Ausschnitten aus Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ an einen der größten Konzertskandale der Geschichte erinnert. Juan Carlos Diaz-Bueno hatte die Werke bearbeitet und dabei die Quintessenz der musikalischen Ausdrucksgehalte gut getroffen. Verbunden mit den Bandzuspielungen wurde die Szene intensiviert.

Im zweiten Abschnitt gingen die Musiker auf eine andere Facette eines Konflikts ein. Unter dem Leitgedanken „Der innere Streit“ erklang Charles Ives „The unanswered question“ in einem konzentrierten Wechselspiel zwischen musikalischen Fragen und Antworten, die immer nachdrücklicher artikuliert erklangen.

Verdichtung der Ereignisse


Spätestens im dritten Bild „Krieg!“ und mit der einleitenden Improvisation von Juan Carlos Diaz-Bueno und Raphael Brunner verdichtete sich die Stimmung im Saal zunehmend. Unglaublich, welche Intensität die hohen, einander reibenden Sinustöne einer Piccoloflöte auf der einen Seite und eines Akkordeons auf der anderen Seite annahmen. Mitunter wirkten die Bilder krass, sie wurden jedoch nicht oberflächlich schockierend eingesetzt.

Die Bildprojektionen und die Sonate Nr. 1 von Viatcheslav Semionov setzten eine geballte Ladung von Emotionen frei. Raphael Brunner spielte das komplexe und überaus dramatische Werk mit ganzer Hingabe. Überhaupt war Raphael Brunner mit seinem facettenreichen Spiel und dem vielfältigen Einsatz des Akkordeons ein herausragender Protagonist des dramatischen Geschehens. Erst die Rückbesinnung auf die Stimme und das von Veronika Vetter gesungene Volkslied „Es geht ein dunkle Wolk’ herein“ löste am Ende dieses Abschnitts etwas die Spannung.

Entspannung


„Es ist eine Frage des Mitgefühls“ war im vierten Teil der Performance die zentrale Aussage des Werkes „Puntos de Vista“, das Juan Carlos Diaz-Bueno speziell für diesen Anlass komponiert hatte. In impressionistischen Farben breitete der Flötist nach einer atmosphärischen Einleitung ein Lamento aus, dem eine Bandzuspielung einen eindringlichen Botschaftscharakter verlieh. Das Werk fügte sich hervorragend in die Gesamtdramaturgie ein.

Geendet haben die Studenten im fünften Abschnitt „Utopie?“ mit Terry Rileys Stück „In C“. Versöhnlich entfalteten sie einen Klangteppich, die Beleuchtung eines lichten Gelbs aus den oberen Fensterreihen lenkte die Fantasie in die Gewissheit, dass auf die Nacht ein neuer Morgen folgt.

Das gesamte Lichtkonzept war gut durchdacht, denn mit wenigen Farben wurden klare emotionale Botschaften transportiert. Daniel Gois las Texte aus Florian Illies Buch „1913 - Der Sommer des Jahrhunderts“, „Wahre Fuge“ von Sophie Stroux sowie „Der Fähnrich“ von Bertold Brecht. Mit seiner ausdrucksstarken Rezitation zog er das Publikum in seinen Bann und profilierte mit seiner Sprache den Inhalt der Performance maßgeblich.

Ein starkes Stück


Die Fantasie und Ernsthaftigkeit aller Beteiligten löste Bewunderung aus, denn die Darbietungen regten zum Weiterdenken an und rüttelten auf. Dies ist eine seltene Qualität in unserer schnelllebigen, weithin lediglich auf den Kulturgenuss reduzierten Gesellschaft. Mit tosendem Applaus dankten die Konzertbesucherinnen und -besucher für diesen starken Auftritt.