Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 13. Jun 2010 · Musik

Neobarockes, Postmodernes und Romantisches sowie Neuentdeckungen - Das Sinfonie Orchester Biel spielte beim Feldkirch Festival ein hervorragend konzipiertes Programm

Im Rahmen des Feldkirch Festivals gastierte das Sinfonie Orchester Biel unter der Leitung von Thomas Rösner im Feldkircher Montforthaus. Dabei überraschten die Darbietungen wohl viele KonzerbesucherInnen, weil es zumindest ein bislang weitgehend unbekanntes Werk von Galina Ustwolskaya zu entdecken gab. Vier Solisten boten überzeugende Darbietungen. Michaela Paetsch und Daniel Kobyliansky wirkten als Solisten in Schnittkes Werk, Alexander Doroshkevich faszinierte mit seinem ausdrucksstarken Spiel im Saxophonkonzert von Alexander Glasunow und Anika Vavic löste mit ihrer Werkdeutung des Klavierkonzerts von Galina Ustwolskaya Begeisterungsstürme aus. Zum Ausklang wurde in der Composers´ Lounge reizvolle neue Kammermusik geboten, unter anderem von Richard Dünser und seinem russischen Kollegen Yuri Kasparow.

Die „Concerti grossi“ von Alfred Schnittke sind ab und zu in Konzertprogrammen vertreten und bilden Referenzen für eine nachhaltig wirkende kompositorische Stilrichtung des 20. Jahrhunderts. Im „Concerto grosso“ Nr. 3 bilden zwei Violinsolisten einen vielschichtigen solistischen Part aus. Dabei werden Dialogstrukturen zwischen den Solostimmen und Reibungsflächen mit dem Orchester ausgelotet, in dem die traditionelle Kompositionsart "gesprengt" und neu zusammengefügt wird. Mit viel Sendungsbewusstsein erklang Schnittkes Werk, denn das Sinfonie Orchester Biel musizierte engagiert und mit dem Willen zu einem intensiven Ausdrucksgehalt. Dies bewirkte jedoch in einigen Passagen eine angespannte Spielart, die der Musik fast zu wenig Luft bot. Dadurch wirkten musikalische Perspektiven im Verhältnis der Außenschicht zum Innenleben mitunter eher wenig ausgestaltet.

Konzertante Sinnlichkeit

Alexander Glasunow komponierte in einer spätromantischen Tonsprache das Konzert für Altsaxophon und Streicher, op. 109. Am Saxophon faszinierte Alexander Doroshkevich, denn er gestaltete die musikalischen Sinneinheiten vieldeutig. Der Wechsel zwischen Spannung und Entspannung, zurückhaltenden und leidenschaftlichen Passagen füllten der Solist und das Orchester mit gefühlvoll dimensionierter Musikalität aus.

Klarheit schafft eine impulsive Kraft

Nach Strawinskys wenig spektakulärem „Concerto in D“ wurde das Klavierkonzert von Galina Ustwolskaya präsentiert. Die Komponistin war vor den sowjetischen Machthabern in eine innere Emigration geflüchtet, seit einigen Jahren ist sie ab und zu bei Festivals Neuer Musik zu hören. Ganz aus einem individuellen Gestaltungswillen heraus formte die Komponistin ihre Musik. Ihre klare musikalische Aussage und die eindringliche Art, die Kraft der Tonbeziehungen aufzuzeigen, verleiht Ustwolskayas Musik einen archaisch anmutenden Duktus. Anika Vavic und das Sinfonie Orchester Biel interpretierten das Werk voll Energie. Nie ließen sie jedoch die Entspannungsmomente und die lyrischen Passagen außer Acht, so dass eine gut nachvollziehbare und unmittelbar wirkende Musik den Raum erfüllte. Das Publikum nahm das Werk begeistert auf und applaudierte frenetisch. Die gute Werkdeutung ist auch der anschaulichen und durchdachten Diktion von Thomas Rösner zu verdanken.

Gelungene Composers’ Lounge

Im vergangenen Jahr fand im Rahmen des Feldkirch Festivals erstmals eine Composers’ Lounge in Kooperation mit dem Österreichischen Komponistenbund statt. Die Ausgangsidee dieses Konzertes ist die Präsentation aktueller Musik in einer informellen Clubatmosphäre. Im vergangenen Jahr funktionierte diese Veranstaltung nicht, weil einesteils zu viel Moderation stattfand und andernteils die unterschiedlichsten Kompositionen willkürlich zusammen gewürfelt wirkten. Diesmal jedoch wurde eine gute Klammer zum vorangegangenen Orchesterkonzert gebildet. Die informativen Gespräche von Rainer Lepuschitz mit den anwesenden Komponisten sowie die hervorragenden Werkdeutungen des Moskauer Studio for New Music überzeugten. Überdies gab es reizvolle Entdeckungen Neuer Musik aus Russland von Yuri Kasparow, Wladimir Pantchev und Wladimir Tarnopolski. Abgerundet wurde der lange Konzertabend mit einer neuen Komposition von Richard Dünser. In „Synopsis I“ für Klavier zu vier Händen und Streichquartett verwies der Komponist unter anderem auf Alfred Schnittke, dem er damit die Reverenz erwies.