Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 19. Jun 2012 · Musik

Musikalischer Verwandlungskünstler und ein gut disponiertes Sinfonisches Blasorchester Vorarlberg – zum Abschluss des Feldkirch Festivals: ein kritisches Resümee

Mit Superlativen gehe ich sehr sparsam um. Genau um sie für Musiker aufzusparen, die wirklich Außerordentliches bieten. So auch der international gefeierte Tubist Øystein Baadsvik, der allein mit seiner Tuba eine Musik spielte, die eine ganze Band imaginierte. Zuerst standen die MusikerInnen des Sinfonischen Blasorchesters Vorarlberg (SBV) im Schatten des herausragenden Solisten. Aber mit Uuno Klamis „Kalevala-Suite“, op. 23 stellte das Blasorchester sein hohes Niveau eindrücklich unter Beweis. Homogen und farbenreich im Gesamtklang, eine beeindruckende Pianokultur und hervorragende SolistInnen waren einige Markenzeichen.

Wer Øystein Baadsvik einmal erlebt hat, vergisst diesen Musiker nicht mehr. Überaus sympathisch, ganz ohne Starallüren und mit einer auch optisch nachvollziehbaren Liebe zu seinem Instrument, führte er die Zuhörenden in seine musikalische Welt. Ein in sich kraftvoll und obertonreicher Instrumentalklang ist selbstverständliche Grundlage des Spiels von Øystein Baadsvik. Grenzen im Hinblick auf die Tonhöhe oder dynamische Grenzbereiche scheint dieser Musiker keine zu kennen. Zusätzlich entwickelte er Spieltechniken, die ihresgleichen suchen. Auf der Tuba fabrizierte er Multiphonics, so dass die Tuba den Klang eines Digderidoos annahm, auch das „Lip beating“ hat der Tubist erfunden. Damit schafft er eine perkussive Grundlage, die quasi ein Schlagzeug ersetzt.

Sinnlich musiziert

Doch das technische Rüstzeug allein ist es nicht, was an Øystein Baadsvik so fasziniert, sondern seine musikalische Ausstrahlung. Er phrasierte beispielsweise in Arild Plaus „Konzert für Tuba und Orchester“ die thematischen Hauptlinien sinnlich und in den rhythmischen Abschnitten leicht und gelenkig. Ein sprechender Duktus zeichnete den langsamen Abschnitt aus, in dem gute Steigerungen und intensivierende Verläufe ausgestaltet wurden. Clowneske Züge wurden im Finalsatz entfaltet, in dem einige kammermusikalische Dialoge zwischen dem Solisten und OrchestermusikerInnen für Hochstimmung sorgten.

Höhepunkte

Dann legten Øystein Baadsvik und das SBV mit Johan Halvorsen/Alexander Comitas „Devils Dance“ noch eins drauf. Tremolierende Schatten in den hohen Lagen, Multiphonics des Solisten sowie ein orientalischer Touch, unterstrichen durch perkussive Elemente und unterschwellig drängende Tonrepetitionen im Klanghintergrund, zeichneten dieses spannende Werk aus. Als Zugabe präsentierte Baadsvik „Fnugg“. Noch einmal zog er alle Register seines Könnens, ohne jedoch in eine illustrative, virtuose Selbstdarstellung zu verfallen. Die Zuhörenden spendeten jubelnden Applaus. Das Sinfonische Blasorchester Vorarlberg war dem Solisten ein ebenbürtiger Partner. Thomas Ludester dirigierte mit ausladender Gestik, stets präsent, aber dort, wo es die Musik verlangte, dezent im Hintergrund.

Glanzstücke

Dass sich das SBV für dieses Konzert Besonderes vorgenommen hatte, war auch an einer Anspannung der MusikerInnen spürbar. Das Publikum wurde am Beginn mit der Raummusik „LAMU“ von Kalevi Aho in die Mitte genommen. Hervorragend aufeinander abgestimmt, stellten sich Echowirkungen und spannende musikalische Dialoge zwischen den im Raum verteilten Musikergrupen ein.

Die Kalevala-Suite, op. 23 von Uuno Klami beinhaltete alles, was ein gut wirkendes Konzertstück braucht. Bombastisch in der Anlage mit Steigerungen vom Pianissimo bis zum Fortissimo, lyrische Soli und rhythmisch treibende Passagen und eine hymnische gesteigerte Apotheose. Die MusikerInnen und Thomas Ludescher bündelten die Energien und interpretierten die mitunter etwas klangschwülstige Musik mit einem voluminösen und in sich schön abgerundeten Gesamtklang. Alle SolistInnen spielten mit bewundernswerter Musikalität.

Mit begeisterter Zustimmung endete das Konzert und das Feldkirch Festival. Abschließend wurde bei einem Fest das letzte Konzertereignis im „alten“ Montforthaus gefeiert und das Festival selbst – zumindest in dieser Form – „zu Grabe getragen“.

Vom Vertrauen in die Festivalgestalter

Die in den vergangenen Jahren stetig schwindende Publikumsakzeptanz des Feldkirch Festivals hat meiner Meinung nach mehrere Gründe. Neben den bereits von Fritz Jurmann im Artikel „Patient Feldkirch Festival vor dem Aus?“ dargelegten Ursachen geben auch die Programmgestaltung und die Werkauswahl zu denken.

Bemerkenswert ist, dass im Rahmen des Festivals durchwegs hervorragende und außergewöhnliche MusikerInnen und SängerInnen zu hören waren. Doch wer soll mit diesen Programmen tatsächlich angesprochen werden? Diejenigen, die sich aussagekräftige Werke des 20. und 21. Jahrhunderts erwarten, werden mit Sicherheit enttäuscht. Einzig das Konzert in Liechtenstein – übrigens eines der wenigen ausverkauften – offerierte Kompositionen, die auf der Höhe unserer Zeit stehen. Im Rahmen der anderen Konzerte waren jedoch viele Werke zu hören, die zwar ein relativ junges Entstehungsdatum aufweisen, jedoch in der musikalischen Gestaltung alt und teilweise geradezu restaurativ sind.

Krass war der Gegensatz bei der Oper „Fröken Julie“ zu erleben. Philippe Arlaud hat mit der Regie seine Professionalität eindrücklich unter Beweis gestellt. Doch die Musik von Ilkka Kuusisto war illustratives Beiwerk, das einem tiefer gehenden Opernerlebnis regelrecht zuwiderlief.

Überdies war ein Problem der Festivalmacher, dass die KonzertbesucherInnen hierzulande wenig gewillt sind, Programme genauer anzuschauen oder gar neugierig zu sein. In Vorarlberg muss man sich kein Publikum erwarten, das Unbekanntem vorurteilsfrei begegnet, außer es hat Vertrauen zu den Programmgestaltern, „musik in der pforte“, das „poolbar Festival“ sowie die „jazz&“ Reihe sind Beispiele dafür, wie es gehen könnte. Diese sind jedoch natürlich gewachsene Konzertreihen und nicht von Stadtpolitikern sowie Wirtschafts- und Tourismusexperten vorgegebene Festivals. Auch aus diesem Grund ist es dem Feldkirch Festival in den ganzen Jahren seines Bestehens nicht gelungen, ein authentisches Profil zu entwickeln. Und ganz bestimmt hilft auch „namedropping" im Hinblick auf die Intendanz nicht. Philippe Arlaud ist als Festivalleiter gescheitert.