Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 21. Jun 2012 · Film

Aktuell in den Filmclubs (22.6. - 28.6. 2012)

Während im Lindauer Club Vaudeville diese Woche mit „Whole Train“ ein dynamischer Spielfilm über die Sprayer- und Graffitiszene läuft, zeigt das Filmforum Bregenz mit „Michael“ Markus Schleinzers verstörendes Debüt, das sich inhaltlich zwar am Fall Natascha Kampusch anlehnt, formal aber ganz andere Wege geht als die meisten Medienberichte.

Whole Train: Gipfel der Sprayer- und Graffitikunst ist es einen ganzen Zug zu bemalen oder zu besprühen. Polizei und öffentlich Bedienstete haben damit freilich wenig Freude und so bekämpfen sie sich, oder genauer jagen die Polizisten die Sprayer: Werden sie erwischt drohen hohe Geldstrafen für Schadenersatz und eventuell sogar Haftstrafen. – Doch weil das Bemalen eines Zuges den Kick verschafft und sich dabei auch Gruppen konkurrieren, wer nun wirklich einen „Burner“ also eine Superbemalung hingelegt hat, nehmen die Sprayer das Risiko in Kauf.
Florian Gaag fiktionalisiert einerseits indem er von Tino, Achim und ihrer Gruppe erzählt, andererseits entwickelt sein Film durch die hautnahe Schilderung der Szene ungeheure Dynamik und atmosphärische Dichte. Man spürt, dass Gaag, der auch für viele Hiphop-Songs des Soundtracks verantwortlich zeichnet, die Szene kennt. Mit bewegter Kamera und schnellen Schnitten lässt er den Zuschauer in diese Subkultur eintauchen, vermittelt auch durch den Slang viel von ihrer Vitalität und ihrer Lust am Kick. Reflektierend ist das kaum, sondern direkt abbildend, ohne Distanz und ohne Wertung, ist dynamisch und kraftvoll und vermittelt intensiv ein Gefühl, forscht aber kaum nach Beweggründen
Club Vaudeville, Lindau: Di 26.6., 20 Uhr


Michael: So schlicht der Titel von Markus Schleinzers Debüt ist, so alltäglich ist auf den ersten Blick, das was er zeigt. Auf Schritt und Tritt folgt die Kamera einem 35-jährigen Mann, zeigt ihn im Haushalt, in Beruf und beim Winterurlaub. Ein zurückhaltender Zeitgenosse ist dieser Michael, doch hinter den verschlossenen Jalousien seines Einfamilienhauses verbirgt er seine dunkle Seite: Im Keller hält er einen Jungen gefangen.
Auf Filmmusik im klassischen Sinn verzichtet Schleinzer, setzt nur im Bild sichtbare Musikquellen ein, und beschränkt sich darauf Michael in vorwiegend statischen Einstellungen zu beobachten. Was der Gefangene im Keller macht, während der Täter im Büro einer Versicherung seinem Beruf nachgeht, seine Beförderung feiert, nach einem Unfall im Krankenhaus landet oder auf Schiurlaub geht, interessiert den Film nicht.
Während sonst allerdings meistens versucht wird das Verhalten des Täters zu erklären, wird in „Michael“ auf jedes Psychologisieren verzichtet. Gerade durch diese kühle und distanzierte Beobachtung löst der Film des jahrelangen Casting-Agenten von Michael Haneke lange über das Filmende hinauswirkende Verstörung aus.
Und doch zwingt „Michael“ gerade durch diese Beschränkung auf die äußeren Handlungen den Zuschauer permanent nach Gründen für die Tat zu suchen, für die Ursachen des Abgründigen, das sich hinter der Fassade der Normalität verbirgt. In jeder Aktion, in jedem Dialog wünscht man Rückschlüsse auf diese Persönlichkeit ziehen zu können, agiert wie ein Detektiv – und stößt doch immer an eine Wand, durch die man nicht durchblicken kann. – Wie hier alles offen da liegt und man doch nie unter die Oberfläche dringen kann, gehört zum Faszinosum und zur faszinierenden nachhaltig wirkenden Stärke dieses ebenso konzentriert wie sachlich-nüchtern inszenierten Debüts.
Filmforum im Metrokino Bregenz: Mi 27.6., 20 Uhr; Fr 29.6., 22 Uhr