Neue Ausstellung im KUB ab 1. Februar 2025: Precious Okoyomon, To See the Earth before the End of the World, 2022, 59th Biennale Vendedig, 2022 (Foto: Clelia Cadamuro, © Okoyomon)
Silvia Thurner · 15. Okt 2012 · Musik

Musikalische Geschichten aus der Nachbarschaft – „Fremde Nähe“ als stimmiges musikalisches Konglomerat

„Fremde Nähe“ und dessen Leitgedanke, handverlesene Musik zu präsentieren, wurde zur Eröffnung der Abonnementreihe in der Bludenzer Remise wörtlich genommen. Evelyn Fink-Mennel hat sich in Vorarlberg umgehört und stellte MusikerInnen vor, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zugewandert sind und die heimische Szene in Vorarlberg nun maßgeblich bereichern. Ein bunt gemischter, stimmungsvoller Konzertabend mit LaienmusikerInnen und Profis sowie einer selten so zu erlebenden Musikauswahl, die vom Evergreen „Santa Lucia“ bis zu Werken des ungarischen Komponisten Zoltan Kolály reichte, bot vielerlei Einsichten.

Die musikalische Reise führte vom Senegal ins Trentin und nach Südtirol, über Bosnien und Serbien nach Ungarn und endete in Venezuela. Im Zuge ihrer Feldforschungen hat die Musikethnologin Evelyn Fink-Mennel zahlreiche Menschen kennengelernt, die sich in Vorarlberg niedergelassen haben. Einige davon bat sie nun auf die Bühne. Oft standen berührende Geschichten am Beginn der musikalischen Darbietungen. Mitreißend eröffnete Ibou Séne aus Senegal mit einer Percussion Performance den Abend. Seine virtuose Schlag- und ausgeklügelte Fingertechnik auf der Djembe hatte einen großen Mitteilungscharakter und stellte eindrücklich unter Beweis, wie Nachrichtenübermittlung auch funktionieren kann. Roland Franzoi gab mit Liedern Einblicke in das Lebensgefühl der Trentiner. Spottlieder boten auch einen Unterhaltungswert. Dieser täuschte jedoch nicht darüber hinweg, mit welchen Vorurteilen die Zuwanderer aus Italien behaftet waren.

Im Zuge der Option kamen viele SüdtirolerInnen ins Land. Einige brachten ihre Lieder mit, um sich mit diesen „in ihre Heimat zu beamen“, wie es Evelyn Fink-Mennel nannte. Berührend kam dies im Gesang von Vera Reheis und ihrem Sohn Daniel Reheis zum Ausdruck. „Santa Lucia“ sangen sie unter anderem in Erinnerung an ihre Oma Rosa, die als einundzwanzigjährige Frau unfreiwillig Südtirol verlassen musste und in den Zug in Richtung Innsbruck verfrachtet wurde.

Fortsetzung wünschenswert

Die Lieder der Sevdah-Gruppe mit Ramiz Brkic, Rasim Kozlica und Fahrudin Omeradzic am Akkordeon führten in eine unserem Kulturkreis ungewohnte musikalische Landschaft. Zahlreiche Ornamente und Melismen sowie die dunkle Klangfärbung des Akkordeons verliehen den Liebesliedern aus Bosnien einen melancholischen und orientalischen Touch. Musik aus Serbien in moderner Gestalt präsentierten Drazen Gvozdenovic am Akkordeon und Stefan Mikic am Keyboard. Beide studieren am Landeskonservatorium in Feldkirch und begeisterten mit ihrem virtuos dargebotenen Medley die ZuhörerInnen.

Im zweiten Konzertteil führten die Musikdarbietungen weg von der Volksmusik und hin zu ungarischer Kunstmusik. Die Pianistin Anna Adamik und Robert Viski an der Violine präsentierten Kompositionen von Béla Bartók, Ernest von Dohnanyi und Zoltan Kodály. Darin spiegelte sich der Habitus der nachgeahmten Volksmusik in der Kunstmusik wieder. Anna Adamik bewies auch Bodenhaftung, als sie mit ihrer schönen Stimme ein ungarisches Lied sang. Souverän sang zum Schluss Silfredo Pérez Lieder aus Venezuela, stellte die Cuatro vor und spielte einen Joropo.

Die Klanglandschaft Vorarlbergs ist bunt und die Geschichten in Liedern, die viele ZuwandererInnen zu erzählen haben, waren eine Bereicherung. Eine Fortsetzung des Konzertes mit weiteren VorarlbergerInnen, die ihre Wurzeln in anderen Ländern und Kontinenten haben, wäre wünschenswert.