Die Berliner Band „Milliarden“ beim Poolbar Festival (Foto: Darius Grimmel)
Silvia Thurner · 07. Feb 2020 · Musik

Miteinander Gegenwart und Zukunft gestalten – ein einmaliges Orchesterprojekt bei „Musik in der Pforte“

Klaus Christa verband sein künstlerisches Wirken mit seinem gesellschaftspolitischen Bemühen und realisierte im Rahmen der „Pforte“ ein eindrückliches Konzert, das auf einhellige Begeisterung stieß. Unter dem Leitgedanken „Mutter Erde - A musical Friday for future“ wurden Musikerinnen und Musiker aus Südafrika, Kolumbien und Vorarlberg zusammengeführt, um miteinander im Orchester Werke von Beethoven und Laura Winkler zu musizieren. Der Violinist Thomas Reif füllte seine Rolle zugleich als Orchesterleiter und Solist motivierend und sympathisch aus.

Klaus Christa hatte schon zahlreiche herausragende Ideen, doch dieses Mal ist ihm ein besonderer Clou gelungen. Eigentlich ist ein Symphonieorchester, das unter einem Dirigenten spielt, ein eher hierarchisches Gefüge. Doch was entsteht, wenn Orchestermusikerinnen und -musiker sich selbst organisieren? Die Musizierenden werden zu einer Gruppe, in der jede und jeder Einzelne seinen Part voll und ganz ausfüllt, musikalische Eigenverantwortung wahrnimmt, aktiv mitgestaltet und vor allem auch den anderen zuhört.
Genau diese Qualitäten so unmittelbar erleben zu können, hinterließ bei „Pforte um 7“ im Festsaal des Landeskonservatorium einen lange nachwirkenden Eindruck. Musikerinnen und Musiker des Bochabela Orchestra aus Südafrika sowie der Iberacademy aus Kolumbien und des Vorarlberger Landeskonservatoriums zelebrierten und lebten die Musik voll und ganz und wirkten dabei bewundernswert authentisch.

Gleichberechtigte musikalische Kommunikation

Der Funke zum Publikum sprang sofort über, als Thomas Reif als Solist mit einer berührend schönen Tongebung Beethovens Romanze in F-Dur, op. 50 gemeinsam mit den Orchestermusikerinnen und -musiker ausdeutete. Sehr aufeinander konzentriert, erklangen schöne dynamische Auf- und Abschwünge und die Musik formte sich zu einem organischen Ganzen.
Auf die Spitze getrieben wurden die zugrundeliegenden Gedanken mit der Darbietung der sechsten Sinfonie, „Pastorale“, von Ludwig van Beethoven, die sich hervorragend in die Programmidee einfügte. Alle spielten mit einer inspirierenden Spielfreude, konzentrierten sich bei heiklen gemeinsamen Einsätzen in höchstem Maße, breiteten die weiten musikalischen Bögen gut phrasiert und spannend aus und boten damit eine Werkdeutung, in der sich die Zuhörenden verlieren konnten. Es ist klar, dass nicht alle Einsätze, Anschlussstellen und motivischen Phrasen ganz exakt aufeinander abgestimmt erklangen, aber das beeinträchtigte das mitreißende Hörerlebnis in keiner Weise.

Wort und Musik harmonierten nicht

Klaus Christa hat ein Sendungsbewusstsein, das er musikalisch und mit außergewöhnlichen Kooperationen lebt und mit enormem Engagement gestaltet. Oft und gerne lädt er auch Expertinnen und Experten ein. Stets in der Hoffnung, dadurch den künstlerischen Gehalt zu erhöhen, werden Musik und Wort zueinander in Verbindung gesetzt. Doch dies gelingt nicht immer. Im Rahmen von „Mutter Erde - A musical Friday for future“ sprach der Autor, Biologe und Philosoph Andreas Weber. Zwei Impulse sollten die musikalischen Erlebnisse bereichern. Zuerst referierte Andreas Weber über den gemeinsamen "Atemraum", der alle Lebewesen dieser Erde, Pflanzen, Tiere und Menschen miteinander verbindet. Dann las er aus einem ziemlich abgehoben formulierten Manuskript, in dem es darum ging „den Himmel Erde sein zu lassen“. Webers Text mag vielleicht in gedruckter Form Anklang finden, zwischen den erfrischenden musikalischen Darbietungen wirkten die Ausführungen des Autors auf mich jedoch deplatziert.

Emotionaler symphonischer Song

Extra für den „musical Friday for future“ schuf die aus Graz stammende Komponistin und Sängerin Laura Winkler das Orchesterlied „Saiga | Too fast too soon. Too slow too long“ für Frauenstimme und Orchester. Ihr Werk changierte zwischen den Genrewelten Pop, Jazz und Klassik. Die Komponistin formte gut nachvollziehbare musikalische Bilder, indem sie den Stimmgruppen unterschiedliche emotionale Gehalte zuschrieb und diese zu- und miteinander in Beziehung setzte. Die Themen der Blechbläser wirkten bedrohlich, Zuversicht verströmende Motive erklangen oft aus den Reihen der Holzbläser. Rhythmisierende Patterns sowie kommentierende Themengestalten wurden plastisch von den Streichern ausgeformt. Der Song lebte auch von der ausdrucksstarken Stimme Laura Winklers. Sie trug die Lyrics textdeutlich und emotionsgeladen vor, wirkte dabei sehr präsent, jedoch nie theatralisch. Der vielschichtige Ausdrucksgehalt des zeitkritischen Werkes kam hervorragend zur Geltung.