Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Ionian · 25. Jul 2012 · Musik

Meisterschaft zweier Szenen – Jazz und Hiphop von Soweto Kinch bei den Bezau Beatz

Bereits zum fünften Mal hat Alfred Vogel ein Programm zusammengestellt, das immer Dienstagabends auf dem Bezauer Dorfplatz eine Bühne findet. Jede Woche wird ein Zeltdach aufgebaut und eine Bar vom Hotel Gams vorbereitet. Das Motto ist wortgenau das der „Spielräume" auf Ö1, nämlich „Musik aus allen Richtungen". Und auch aus aller Herren und Damen Länder. Noch bis 14. August kommen hier hochwertige Bands aus Brasilien, England, Polen, Deutschland und der Schweiz in den malerischen Bregenzerwald, um an lauen Sommerabenden entspannte Live-Atmosphäre zu schaffen. Am gestrigen Abend spielte der mehrfach ausgezeichnete britische Jazz-Hiphopper Soweto Kinch mit Band ein mitreißendes Konzert.

Wie die Beatz nach Bezau kamen

Ganz ohne Budget, aber mit viel Vision und Tatendrang startete das Konzept, das inzwischen als etabliert bezeichnet werden kann. Alfred Vogel und viele freiwillige Helfer feiern heuer den fünften Geburtstag ihres kleinen Schatzes. Vogel selbst ist überzeugt, dass die Bezau Beatz das hippste sind, das zurzeit im Land läuft. Unterstützt wird das ganze jeden Abend von einem regionalen Sponsor, der einen kleinen Beitrag übernimmt. Mit 15,- Euro an der Abendkasse zahlen auch die Gäste mit, den Rest legt die Gemeinde drauf. Witus – Wirtschaft & Tourismus aus Bezau sieht in der Veranstaltung keine Touristenattraktion, sondern vor allem eine Belebung der Dorfkultur. Die Touris sparten sich teilweise eh aus Geiz den Eintritt und lauschten als Zaungäste. Der Platz war dafür gut gefüllt. Die meisten setzten sich ganz ins Konzertgeschehen, denn es war bestuhlt, dafür wurde hinten an der Bar auch während des Konzerts ausgiebig getratscht. Mit etwas Verspätung trafen die britischen Musiker ein. Zur Eröffnungsrede betonte Vogel, dass Jazz nicht immer analysiert gehöre, sondern vor allem gehört gehöre, also Aufmerksamkeit verdiene und man sich einfach in den Sound fallen lassen solle. Trotzdem hier ein paar Worte zum Hintergrund und zur Wahrnehmung des Abends.

Musiker mit Roots

Soweto ist eine Abkürzung für die South Western Townships, die seit 2002 zur Industriemetropole Johannesburg zählen. Mit dem Aufstand in Soweto 1976 wurde es ein Symbol der Apartheidsära. Zwei Jahre später kam der Musiker in London zur Welt und erhielt von seiner Mutter diesen signifikanten Namen, der eine politische und spirituelle Bedeutung für die Theaterfamilie hatte. Er selbst wurde gut ausgebildet in Geschichte. Wäre er nicht als Musiker erfolgreich geworden, wäre er jetzt wahrscheinlich Journalist. Eine kritische Auseinandersetzung wird auch in den Texten und Ansagen immer wieder deutlich. Kinch selbst bezeugte, dass es ihm ein Anliegen sei, konstruktiv einzuwirken, gehört zu werden und so einen Beitrag zu leisten, die Menschen wieder mündiger zu machen, statt als Konsumzombies dahin zu vegetieren. Dabei hält er sich gekonnt von übertriebenem Pathos fern. Schlussendlich war es aber die Musik, die ihn schon immer bewegte. Das Saxophon begann er bereits mit neun Jahren zu spielen, nachdem er auf der Grundschule schon Klarinette gelernt hatte. In seiner Jugend fesselte ihn der Jazz. In dieser Welt wurde er mehrfach ausgezeichnet und gilt als aufstrebendes Sternchen. Dafür fasst er nur schwer Fuß in seinem zweiten Spezialgebiet. In einzigartiger Weise kombiniert er Jazz mit Hiphop und schafft so eine Genrefusion in guter Tradition anderer Brückenschlager wie The Last Poets, Gil Scott Heron, Charles Mingus, Pete Rock oder A Tribe Called Quest. Das große Problem dabei sei weniger die musikalische Herausforderung als vielmehr die kommerzielle. Seitens der Plattenlabels und -läden herrscht noch immer ein übertrieben strenges Schubladendenken, weshalb es Kinch schwer fällt, überhaupt in den Hiphop-Regalen Auslage zu finden.

Genrefusion der feinen Klinge

Das Konzert selbst war extrem abwechslungsreich. Zwischen glänzenden Jazznummern, die mal beschleunigt, mal entspannt klangen, gab es immer wieder real Hiphop zu hören. Das schuf Spannung und Kurzweiligkeit. Sie hatten jede Menge neues Material dabei. Graham Godfrey holte aus dem Schlagzeug nicht nur präzise Jazzrhythms, sondern auch knackige Hiphop-Beats. Karl Oloniluyi-Abel ergänzte die Rhythmuspartie meist am Kontrabass, aber auch ab und an mit einem E-Bass. Shabaka Hutchings spielte das Tenorsaxophon und die Klarinette. Soweto Kinch setzte noch ein Altsax drauf und überraschte regelmäßig mit seinem Hiphop-Gesang. Ergänzt wurde das Quartett durch Apfelgeräte, die Samples beisteuerten. Grundsätzlich bietet sich das in einer solchen Genrefusion ja an, aber dieses fünfte „Bandmitglied“ hat sich von allen am wenigsten in die Band eingefügt. Dafür waren die Musiker selbst tight wie ein Krawattenknoten und die Vielfalt der Klangfarben sowie die Virtuosität der musikalischen Performance überzeugten vollends.

Ernste Inhalte und spaßige Animation

Die Songs befassten sich mit unterschiedlichsten Themen. Trying to be a Star handelte von der Faszination des Berühmtheitsbooms. Love of Money erforschte den psychotischen Hintergrund der gegenwärtigen Krise. Neben der Konsum- und Wirtschaftskritik waren auch die Liebe, Zuspruch, sich aus der Versklavung zu erheben oder ganz zu flüchten, inhaltliche Themen. Am Ende gab es noch einen Freestyle mit neuen Worten aus der Buchstabensuppe Bezau. Ein einmaliges Werk spontaner Wortjongliererei machte den Besuch von Soweto Kinch bei Bezau Beatz zu einem extracoolen Konzert. Zappa und alle Engel waren dabei, auch wenn sich der eine oder die andere vielleicht ein wenig so fühlte, als wäre ein UFO gelandet. Bevor alle die Kurve kratzten, musste der ganze Dorfplatz aufstehen, gemeinsam den Hippo hauen und ausgelassen tanzen. Ein erhebender Moment in der Idylle des Bregenzerwaldes.

Natur und Kultur

Den anregenden Tipp von Kollegin Ingrid Bertel möchte ich der geschätzten Leserschaft auch nicht vorenthalten: Man kann solche Dienstage im Bregenzerwald ausgezeichnet mit einem Naturerlebnis kombinieren und nachmittags die wunderschönen Wanderwege auskosten, um dann aufgetankt und geladen am Abend ein weiteres ausgefallenes Konzert bei den Bezau Beatz genießen. Natur und Kultur zusammenzubringen, das ist der beste Plan, den man sich vornehmen kann.

Das Programm findet man unter facebook.com/bezaubeatz.