Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Ionian · 26. Feb 2016 · Musik

Lieder mit Eigenleben - Glen Hansard auf der Bregenzer Werkstattbühne

Manchen Musikern geschieht das. Sie schreiben einen Song und denken sich, das klingt gut, so könnte es klappen. Und dann entwickelt das Lied ein Eigenleben. Es wird älter und größer, zieht von zuhause aus, verliebt sich in ein Mädchen, findet einen Job, verdient das erste Geld. Man muss es gehen lassen. Nach einer Weile zieht es dann wieder zuhause ein, trennt sich von dem Mädchen, verliebt sich in ein anderes Mädchen, zieht wieder aus. So humorvoll beschrieb Glen Hansard seine Erfahrung zu Songs mit Eigenleben am Donnerstag, den 25.02. auf der Bregenzer Werkstattbühne. Die Rede war im Speziellen von Falling Slowly aus dem Soundtrack zu Once, für den er und seine Co-Autorin Markéta Irglová 2008 den Oscar in der Kategorie "Bester Song" erhielten.

Dass ein irischer Sänger, Gitarrist und Liedermacher Oscar Preisträger wird, klingt schon wie ein modernes Märchen. Dass ebendieser dann auch noch im ländlichen Vorarlberg aufspielt, umso mehr. Leider werden viele erst jetzt Wind davon bekommen, denn ganz im Unterschied zu den drei folgenden Konzertterminen und auch zu den vorangegangenen, war der gestrige Auftritt im Ländle nicht ausverkauft. Verwunderlich, irgendwie. Aber nicht unangenehm für die Saalatmosphäre. Üblicherweise füllt Glen Hansard alleine die großen Konzerthallen. Diesmal war jedoch zusätzlich noch ein Very Special Guest Support dabei. Auch wenn Very Special Guest Support oft nur eine reißerische Floskel darstellt, an diesem Abend war die Bezeichnung absolut angemessen, denn es handelte sich um keine geringere als Markéta Irglová.

Orchestrale Straßenmusik


Nach Glen Hansards Anfängen als Straßenmusiker in Dublin und später als Frontman der irischen Rockband The Frames, schrieb er gemeinsam mit Markéta 2006 die Filmmusik zu Once. In diesem zauberhaften Streifen spielen die beiden die Hauptrollen. Dass sie nun gemeinsam auf Tour sind, ließ die Herzen der Fans höher schlagen. Markéta eröffnete den Abend am Piano, mit Liedern voller Bescheidenheit und Gefühl. Dann übernahm die Band die Bühne. Hansard war mit 10 Musikern und Musikerinnen angereist. Neben Gitarren, Mandolinen, Ukulelen und Bassgitarren kamen auch Piano, Kontrabass, Cello und Geigen zum Einsatz. Unterstützt durch einen Bläsersatz mit Posaune, Trompete und Tenorsaxophon. Der Schlagzeuger mit Engelsstimme sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Ein nahezu orchestrales Setting, das in Bregenz volle Wirkung entfalten konnte.

Soundtracks mit Seele


Das Konzert selbst war wie ein Film. Jedem Song wohnte filmreifer Soundtrack-Charakter inne, bewegende Bilder wurden in die Köpfe der Menschen gepflanzt. Die ganze Bandbreite von fragil und gefühlvoll bis epochal und brachial wurde bespielt und die Stimmung im Publikum fuhr mit auf dieser emotionalen Achterbahn. Amens und Hallelujas wurden gejohlt. Stille  wurde gehalten, so dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Naja, bis auf die eine Ausnahme. Denn nur eine unglückliche Seele kann das Erlebnis eines ganzen Saales beeinflussen. Kritik war von der Bühne dennoch nicht harsch formuliert. Aber sanft. Selbst der restriktiven Ablehnung einer Verkaufsdame, die er in Deutschland erlebt hatte, begegnete Hansard mit einer höchst amüsanten Anekdote. Kritisiert wurde nicht einmal Adam Levine, oder die Hungerspiele, nur mit sympathischem Zynismus beschenkt. Lediglich The X Factor und ähnliche Castingshows kamen nicht gut weg. Denn die würden Spirits zerstören, wöchentlich, vor Publikum und im Fernsehen. Für Hansard ist das fast schon mit Mord gleichgesetzt. Save-A-Soul ist die Mission seiner Mannschaft.

Unerschöpfliche Spielfreude


Seele hatte das Konzert durch und durch. Die Duette von Glen und Markéta gingen unter die Haut. Die Straßenmusik resonierte in allen Noten mit, wurde aber auf höchstes Niveau gehievt. Als nach einem ausgiebigen Set zwangsläufig die letzte Runde mit der Zugabe eingeläutet wurde, dachten alle schon an ein baldiges Ende. Weit gefehlt. Akustik-Session mitten im Publikum, zurück auf die Bühne für weitere Songs in Vollbesetzung, wieder Akustik-Session am Bühnenrand, Mitsingen im ganzen Saal, nochmals komplette Songs. Die Spielfreude schien schier unerschöpflich. Zum Abschied hinterließ die Band Glückseligkeit. Glen Hansard, ein Singer/Songwriter mit Liedern, denen ein Eigenleben inne wohnt. Ein Vollblutmusiker mit Herz und Seele. Und ein Oscar-reifer Konzertabend.