Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Gunnar Landsgesell · 25. Feb 2016 · Film

Spotlight

Der Fall erschütterte Anfang der 2000er-Jahre die gesamten USA. In Boston war die Katholische Kirche in einen großen Missbrauchsskandal verwickelt. Regisseur Thomas MacCarthy zeichnet mit ungeheurer Präzision und Dichte nach, wie eine Spezialredaktion des "Boston Globe" den Fall aufdeckte.

Fast schon ein singuläres Phänomen im zeitgenössischen Kinobetrieb: „Spotlight“ rollt seine Geschichte aus dem Zeitungsmilieu step-by-step mit unglaublicher Akribie und atmosphärischer Dichte auf, sodass man den Eindruck bekommt, es ginge darum, den Skandal, der sich in Boston Anfang der 2000er-Jahre zugetragen hat, noch einmal aufzudecken – und ja keinen Fehler dabei zu begehen. „Spotlight“ ist im Stil eines Krimidramas gehalten und rekonstruiert in einer Art filmischem Kolportagestil, wie die Redaktion des "Boston Globe" den realen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester ans Tageslicht gebracht hat. Die Kirchenführung deckte die Täter und spekulierte offenbar auch damit, dass die Macht ihres Apparates jene einer Zeitungsredaktion übertrifft. Regisseur Tom MacCarthy begreift diese Konstellation im Fortlauf des Geschehens zunehmend als Duell und spitzt es sukzessive zu. Der Blick des Publikums wird dabei eng am faktischen Wissen der "Globe"-Mitarbeiter geführt. Man weiß nie mehr, als sie selbst gerade recherchieren.

Regie-Konzept von großer Übersicht


„Spotlight“ ist kein Film, der die Potenziale des Skandals auszuloten versucht. Die Täter werden nicht vor die Kamera gezerrt, die Opfer müssen ihre traumatisierenden Erlebnisse nicht in farbverfremdeten Flashbacks hochwürgen. MacCarthy setzt ganz auf die Kraft der Evidenz und erinnert dabei an Alan J. Pakula und seinen wegweisenden Watergate-Krimi „All the President’s Men“ („Die Unbestechlichen“) aus dem Jahr 1976. Damals konnte man zusehen, wie Robert Redford und Dustin Hoffman als Bob Woodward und Carl Bernstein beharrlich und ohne großen Überblick in das Zentrum eines gigantischen Skandals tappten, der schließlich im Rücktritt von US-Präsident Nixon mündete. Nun sind es Michael Keaton, Mark Ruffalo und Rachel McAdams, die auf sehr ähnliche Weise mit trockener Beharrlichkeit und entschiedener Geradlinigkeit inszeniert werden. Erstaunlich ist, dass dieses Regie-Konzept auch ein halbes Jahrhundert später noch dieselbe Wirkung entfaltet. Umso mehr, als bisher weder MacCarthy („Station Agent“, „The Cobbler“) noch sein Drehbuchautor Josh Singer Talente wie dieses vermuten ließen. Singers letzte Drehbucharbeit für das Assange-Biopic „Inside Wikileaks“ fasste Journalismus noch als großes Buben-Abenteuer auf, das als zappelige Story zwischen Todesschwadronen und politischen Kunstprojekten keine Linie für seinen Protagonisten fand. „Spotlight“ hingegen generiert seine Emotionen jeweils unmittelbar aus der Situation heraus, fast würde man sagen, man hat es hier mit dem Appeal des Direct Cinema zu tun. Dass die Redaktion den moralischen Sieg heimträgt, wussten MacCarthy und Singer auch noch zu verhindern. Kein Film mit erhobenem Zeigefinger.