Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Thomas Kuschny · 22. Okt 2011 · Musik

Krakauer ist nicht nur eine Wurst – David Krakauer and the Madness Orchestra in der Remise Bludenz

Die Reihe „Fremde Nähe“ in der Bludenzer Remise steht heuer unter dem Motto „Traditions reloaded“. Schon bisher sehr vielseitig und alles andere als puristisch kuratiert, wird der Fokus wohl titelgemäß noch mehr auf Neudeutungen innerhalb der sogenannten Weltmusik gelegt. Auf billigen Exotismus und schon allzu reichlich Dargebotenes à la „Irish Folk mit Guinness-Ausschank“ wird also glücklicherweise verzichtet. Den Auftakt bildete diesmal David Krakauers „Madness Orchestra“ und, gleich vorweg, eine höhere Latte für das Künftige zu legen wäre kaum möglich gewesen.

Harsche Soli - ungewohnte Modi

Seit fast 20 Jahren widmet sich der New Yorker der Klezmer-Musik, hat sich aber, obwohl jüdischer Abstammung und Klarinettist, deren Eigenheiten erst später erarbeiten müssen, da ursprünglich eine Karriere im klassischen Bereich vorgezeichnet war. Der mitunter fast schon ins Groteske gesteigerte, überschwängliche Stil von Übervater Giora Feidman ist seine Sache aber nicht. Oft bohren sich Krakauers harschen Soli wenig gnädig in die Gehörgänge, per Zirkularatmung verbleibt er unbarmherzig auf den höchsten Registern. Es bleiben aber die ungewohnten Modi der Klezmorim, die, osteuropäisch bis orientalisch anmutend, dann doch jene eigentümliche Klangwelt erschaffen.

John Zorns Masada-Zyklus

Krakauer hat sich diesmal der Interpretation des Masada-Zyklus vom Godfather der Downtown-Szene, John Zorn, verschrieben. Immerhin veröffentlicht er auch auf dessen Label „Tzadik“, das sich mit einer kaum überschaubaren Veröffentlichungsflut neben Avantgarde und freier Improvisation vor allem auch der „Radical Jewish Culture“ widmet. Die Band, die sich Krakauer dafür ins Boot geholt hat, setzt seine Arrangements kongenial um.

Kongeniale Band

Michael Sarin am Schlagzeug gehört zum innersten Kern der New Yorker Szene, spielt mit Dave Douglas, Anthony Coleman, Mark Dresser und all den anderen. Sein impulsives, innovatives Spiel hat großen Anteil daran, dass diese Band,  salopp formuliert, „groovt wie die Hölle“. Wie selbstverständlich eingebettet harmoniert er mit dem Mann am Sampler, der seine Loops mal subtil und unaufdringlich, mal dominant pulsierend mittels Mehrspurtechnik und Triggerpad kontrolliert. Dieser nennt sich schlicht „Keepalive“, in der Biografie auf seiner Homepage heißt es im ersten Satz: „I'm a quiet man from Boston“. Jerome Harris, eigentlich studierter Jazzgitarrist, ist am Bass souverän und markant, die hierzulande eher wenig bekannte Gitarristin Sheryl Bailey ist eine echte Entdeckung, hochvirtuos scheut sie aber auch effektbeladene Lärmattacken nicht. Wer schon immer mal mit schlafwandlerischer Geschmackssicherheit vorgetragene Bastarde von HipHop, Funk, dekonstruiertem Hardbop mit Klezmer hören wollte, der ist hier richtig. Wer nicht, möge sich einen Ruck geben.