Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 06. Okt 2011 · Musik

Kraftgefühle aus der Zurückhaltung geschöpft – Stimmungsvolles erstes Abokonzert

Zum Auftakt der neuen Saison der „Bregenzer Meisterkonzerte“ gastierte das Orchester des Hessischen Rundfunks unter der Leitung von Paavo Järvi im voll besetzten Festspielhaus. Khatia Buniatishvili interpretierte Mozarts berühmtes Klavierkonzert Nr. 23 (KV 488) mit einem zarten und feinsinnigen Anschlag. Mit dieser Musizierart fügte sie sich gut in den Orchesterklang ein, dem Paavo Järvi vor allem im Hinblick auf eine dynamisch zurückhaltende Pianokultur viel abverlangte. Darüber hinaus gab es eine im romantischen Geist gespielte „Oberon“-Ouvertüre von Carl Maria von Weber sowie eine durchdachte, wenngleich etwas zurückhaltend gespielte „Große C-Dur Symphonie“ D 944 von Franz Schubert zu hören.

Der estnische Dirigent Paavo Järvi ist bekannt für seine Konzentration auf das klangsinnliche Zusammenwirken jeder einzelnen Orchesterstimme und den Verbindungen zueinander. Dieses hohe musikalische Ansinnen war auch beim ersten Konzert der Saison erlebbar. Mit klarer Gestik zelebrierte er die Musik und führte die MusikerInnen in einem gut nachvollziehbaren Einverständnis. Webers „Oberon“ Ouvertüre wirkte plastisch und sehnsuchtsvoll, weil die Leittöne in den wichtigen Themen so kraftvoll und in sich abgerundet betont wurden.

Sensible Solistin

Die Spielart der Pianistin Khatia Buniatishvili war zunächst gewöhnungsbedürftig, denn zu Beginn wirkte ihr Spiel etwas dünn in der Tongebung. Erst allmählich erwies sich die feine Anschlagskultur der Pianistin als Essenz ihrer Werkdeutung, denn damit forderte sie viel Aufmerksamkeit ein. Die harmoniebildenden Töne der linken Hand betonte sie besonders, so dass ein erdiges Fundament entstand. Ganz aus dem Sprachcharakter der Themengestaltungen heraus modellierte die aus Tiflis stammende Pianistin die Solokadenz, fast rhapsodisch mit hellen und dunklen, leisen und lauten Kontrastwirkungen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt nahm Khatia Buniatishvilis sensible Spielart gefangen. Jeder einzelnen Note verlieh sie ihr ganz individuelles Gewicht innerhalb des Ganzen. Schlicht, mit wenig Pedal und in einer über weite Strecken guten Korrespondenz mit dem Orchester erklang der langsame Satz. Die energische musikalische Gestik der Themenführung gab dem Finalsatz einen besonderen Touch.

Das Kleine im Großen suchen

Schuberts C-Dur Symphonie ist ein groß angelegtes Meisterwerk der Musikgeschichte, das jedes Mal aufs Neue fasziniert. Kraftvolle Ausbrüche setzten Paavo Järvi und das hr-Sinfonieorchester überraschend sparsam ein. Doch mit der durchdachten Linienführung und beziehungsreichen Phrasierungsbögen wurde eine gute Wirkung erzielt. Prägnant artikulierte, rhythmisch-melodische Floskeln nahmen im Eröffnungssatz eine mitreißende Eigendynamik an. Allerdings gelang nicht immer eine ausgewogene Balance zwischen den Stimmgruppen. Vor allem im Scherzo nahmen sich teilweise die Streicher zu wenig zurück und stellten den Bläsern nicht genügend Spielraum zur Verfügung.

Dramatische Schlusswirkung

Der für Schubert so typische schreitende Duktus und die daraus folgende Erzählstruktur der liedhaften Themen im Andante gestaltete das Orchester mitteilsam. Besonders in Erinnerung blieb die Generalpause und die darauffolgende musikalische Charakteränderung, die Vergrößerung und anschließende Dekonstruktion des Themas. Im Finalsatz erklangen transparent aufeinander abgestimmte harmonische „Klangsäulen“. Auf das Bassfundament konzentriert, entwickelte sich das energetische Potential für die dramatisch sich aufbäumende Schlusswirkung. Das Publikum dankte mit herzlichem Applaus.