Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 25. Nov 2017 · Musik

Kommen, gehen, bleiben und vieles dazwischen – die „Schurken“ verströmten mit dem inszenierten Konzert „Satiesfraktion“ ein vielschichtiges und poesievolles Lebensgefühl

Mit Spannung wurde die neue Produktion der „Schurken“ erwartet, denn wenn dieses Ensemble zur Premiere lädt, gibt’s etwas Besonderes zu erleben. Unter dem vieldeutigen Titel „Satiesfraktion“ spielten Stefan Dünser, Martin Schelling, Goran Kovacevic und Martin Deuring auf und stellten dabei das Lebensgefühl in Paris während der 1920er-Jahre und die Sehnsucht danach in den Mittelpunkt. Naiv im positiven Sinn, melancholisch und humorvoll versetzten sich „Die Schurken“ und mit ihnen das Publikum in die Atmosphäre eines Bahnhofs. Neben den fesselnden musikalischen Arrangements boten auch die gesprochenen Passagen viel Unterhaltung und manche Einblicke in Tiefgründiges.

Paris war nach der legendären Weltausstellung 1900 und besonders in den 1920er-Jahre ein Schmelztigel der Kulturen. Vor allem Künstler aus aller Welt versammelten sich in der inspirierenden Atmosphäre am Montmartre. Bekannt ist die „Groupe des Six“, in der sich Erik Satie, Arthur Honegger, Darius Milhaud oder Francis Poulenc und andere zusammengeschlossen hatten. Sie wollten vor allem dem Popanz der Wagnerianer das Schlichte sowie ursprüngliche, ehrliche und einfache Gefühle entgegenstellen. Genau hier traf sich die Denkart der „Schurken“, die seit nunmehr zwölf Jahren mit ihren Programme das unmittelbare Erleben von Musik mit allen emotionalen Schattierungen möglich machen.

Melancholischer Humor

Das Staunen über viele Dinge des Alltags bauten die „Schurken“ reizvoll und amüsant in ihr Konzert ein. Auffallend viele Tänze und tanzartig angelegte Werke bildeten in der Werkauswahl eine entscheidende Rolle. Rund um Erik Saties „Gnossienne“ Nr. 3 und Nr. 5 spannten die Musiker nach einem Konzept und in der Regie von Salomé Im Hof einen gut nachvollziehbaren, dramaturgischen Bogen. Zu Beginn ließen sich die Musiker viel Zeit und stimmten die Zuhörenden ein mit eher ruhigen Stücken wie beispielsweise Nino Rotas „La Strada“ oder Bela Bartoks „Rumänischen Tänzen“, Astor Piazzollas „Rio Sena“ und dem berühmten Walzer von Dmitri Schostakowitsch. Im Reichshofsaal machte sich eine feinsinnige Melancholie breit, in der die hervorragend dargebotenen Werke eine Eigendynamik entwickelten und viel Raum für eigene Fantasien und auch die schauspielerischen Passagen boten. Diese hatten es in sich und regten zum Weiterdenken an, denn in zahlreichen Sprüchen, die Stefan Dünser und Martin Schelling wie beiläufig zum Besten gaben, winkte der Dadaismus herein. Martin Deuring (Kontrabass) ließ als humor- und erfolgloser Schriftsteller mit existenzphilosophischem Gedankengut immer wieder aufhorchen. Überhaupt gäbe es viel zu sagen über die Rollen, die jeder einzelne Musiker einnahm. Stefan Dünser (Trompete) als eigensinnig ‚getakteter’ Mann, Martin Schelling (Klarinette) als unverbesserlicher Romantiker, Goran Kovacevic (Akkordeon) als Lebenskünstler, der leicht zu amüsieren ist. Doch diese Rollenzuschreibungen galten nicht für die Stimmführungen innerhalb der einzelnen Kompositionen, denn alle vier begeisterten durch ihre wunderbare Spieltechnik, die guten Phrasierungen und eine bewundernswerte Kunst der leisen Töne.

Hervorragende Arrangements

In Verbindung mit der Musik, die ganz auf den emotionalen Gehalt jedes einzelnen Werkes abzielte, nahm das Konzert vor allem in der zweiten Hälfte Fahrt auf. Erfrischend wirkte „Xehadi i da Seebadi“ des Schweizer Komponisten Albin Brun. Am meisten zogen die faszinierenden Arrangements des Tangos und des „Danse de diable“ von Igor Strawinsky die Zuhörenden in ihren Bann. Hervorragend abgerundet wurde das vielschichtige Konzert mit „Send in the clowns“ von Barbra Streisand.

Die Idee, das inszenierte Konzert am Rand eines Bahnsteigs beim Warten auf den Zug anzusiedeln, war eine hervorragende. „Die Schurken“, nahmen das Ankommen und Abfahren, das Warten und die damit verbundenen Sehnsuchtsorte sowie die Zusammenführung aus vielen Ländern der Welt wörtlich, indem sie Werke von Scarlatti über Satie, Nino Rota bis hin zu Astor Piazzola miteinander verbanden. Ein Rätsel stellten die ‚hybriden’ Tonbandzuspielungen dar, deren musikalischer Gehalt in meinen Ohren eine Mischung aus einem Muezzin und einer schlecht verständlichen, weiblichen Lautsprecherstimme illustrieren sollten. Egal, jeder kommt einmal an.