Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 29. Apr 2012 · Musik

Klanggebäude aus Rohrblättern und Zungenstimmen – Gebhard Ullmanns „Tá Lam II“ ermöglichte eine außergewöhnliche musikalische Begegnung

Mit einem besonderen Konzert wurde am Spielboden Dornbirn die Jazz& Reihe fortgesetzt. Der renommierte Berliner Bassklarinettist und Komponist Gebhard Ullmann präsentierte mit zehn Musikerkollegen sein neuestes Projekt "Tá Lam II“, dem die Musik von Charles Mingus als Inspirationsquelle und musikalischer Ausgangspunkt zugrunde gelegt ist. Aufmerksamkeit erregte vor allem die außergewöhnliche Besetzung mit Klarinetten und Saxophonen in allen Tonhöhenregistern sowie Akkordeon. Die stringent durchdachte Musik zog durch ihre musikalische Aussagekraft, die körperbetonten Soli sowie klangliche und satztechnische Raffinesse die Zuhörenden in ihren Bann.

Der Clou der Formation „Tá Lam II“ ist die Besetzung der einzelnen Instrumentalstimmen. Die Saxophone und Klarinetten waren durch alle Stimmregister von der Sopran- über die Alt- und Tenor- bis hin zur Basslage vertreten. Gebhard Ullmann (bcl, ss); Hinrich Beermann (bs), Daniel Erdmann (ts); Vladimir Karparov (ts), Jürgen Kupke (cl), Joachim Litty (bcl, acl), Heiner Reinhardt (bcl), Volker Schlott (as, ss), Michael Thieke (cl, acl), Benjamin Weidekamp (cl, as), Hans Hassler (accordion) sind Meister ihres Instrumentes, die als einheitlich geführtes Kollektiv in Erscheinung traten. So wirkten die beiden Stimmgruppen wie Orgelregister, die variabel eingesetzt die Gewichtungen vielgestaltig änderten. Die Basslagen fungierten mit den rhythmischen Patterns als kraftvolles Fundament, während die höheren Lagen oft melodieführend agierten. Das Akkordeon setzte dem Gesamtklang die Krone auf, denn Hans Hassler spielte oft in hohen Regionen. Auf diese Weise wurde der Klang mit den Rohrblattinstrumenten ideal verschmolzen und erhielt einen glanzvollen Schimmer.

Kunstvoll ineinander verschachtelt

Neben der raffinierten Klanggestaltung faszinierte überdies die Phrasierung und Akzentuierung der Stimmen. Jeder einzelne stellte sich konzentriert in den Dienst der anderen. Deshalb gelang es fast mühelos, einzelne musikalische Floskeln ineinander zu verzahnen. Diese „Hoquetus-Technik“ verlieh den einzelnen Nummern eine klangfarbenreich schattierte leichte Note. Dazu kontrastierten übereinander geschichtete Passagen und auch kontrapunktisch geführte Abschnitte.

Bewegung und Perkussion

Die Musiker agierten nicht steif von ihrem Platz aus, sondern sie bewegten sich aufeinander zu und voneinander weg, markierten musikalische Dialoge und unterstrichen ihren humorvollen Zugang zur Musik. Aufforderungen des einen wurden angenommen oder abgelehnt, musikalische Fragen weiter ausformuliert oder beantwortet, szenenreich in solistischen Passagen zur Schau getragen und Punkt genau vom Kollektiv kommentiert.

Ein weiteres Markenzeichen der Band war der perkussionistische Einsatz, mit dem sie ein ganzes Schlagwerk ersetzten. Klappengeräusche, Zungenschnalzen und Schmatzen sowie Atmengeräusche, Tremoli und Spaltklänge wurden als perkussive Elemente eingesetzt und wiederum professionell in der Abfolge ineinander geschachtelt. In vielen Nummern wurden zwar Beziehungen zur Musik von Charles Mingus hergestellt, doch die Musik von „Tá Lam“ wirkte eigenständig und überzeugte.

Kurz und bündig

Fünfviertelstunden dauerte die Performance und diese Zeitspanne reichte auch aus, denn die dichte Musik und die komplex aufgebauten Stücke forderten die Konzentration der ZuhörerInnen ein. Zudem hatte ich den Eindruck, dass nach dieser Zeit die klangfarblichen und musikalischen Kontrastwirkungen und die solistisch eingebrachten Ideen mitunter an Reiz verloren. „Tá Lam“ als einheitlich erlebbarer Klangkörper mit vielen individuell auf die einzelnen Musiker abgestimmten Einfällen war ein starkes Musikerlebnis.