Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Anita Grüneis · 18. Dez 2021 · Musik

Internationale Musikakademie: Sechs Meister-Cellisten und ihre Interpretationen

Die Internationale Musikakademie in Liechtenstein bietet viel und fordert viel. Sie bietet für Musiker zwischen zehn und 27 Jahren Intensiv-Kurse mit nur jeweils 6 bis 7 Studierenden, die täglich von hochkarätigen Professoren unterrichtet werden. Zudem finden Konzerte statt – die Teilnahme daran ist für alle Stipendiaten verpflichtend und wird nicht honoriert. Am Freitagabend zeigten sieben Stipendiaten der Violoncello Klasse von Prof. Jens Peter Maintz im Peter Kaiser Saal der Liechtensteinischen Musikschule in Eschen ihr Können.

Die zwischen 15 und 26 Jahre alten Cellisten sind alle bereits junge Meister. Auf die Frage, was ihnen denn ein Groß-Meister noch beibringen kann, meinte Jens Peter Maintz lachend: „Gar nicht so viel. Der Level ist sehr hoch. Wir feilen an Haltung, Technik und Interpretation. Sie lernen die jeweiligen Werke näher kennen, ihren Entstehungs-Hintergrund und ihre Wirkungskraft." Er selbst versuchte als Solist bei Orchesterkonzerten immer, die ganze Partitur zu verstehen. Diese Grundhaltung gibt er auch an seine Studierenden weiter. Begleitet wurden die Musizierenden an diesem Abend von Naoko Sonoda am Klavier, die sich blitzschnell auf die jeweiligen Interpretationen einzustellen vermochte.  

Von der Waldesruhe zu Schubert

Das Konzert wurde vom 15-jährigen Arne Zeller eröffnet. Als 6-Jähriger begann er mit dem Cellospielen, seit Herbst 2020 ist er jüngstes Mitglied im Bundesjugendorchester Deutschland. Er spielte das Stück „Waldesruhe, op. 68" von Antonín Dvořák. Zu Beginn klang sein Cello weich und verträumt im Gegensatz zu den klaren Klängen des Pianos. Arne Zeller musizierte ruhig und ausgeglichen, aber auch tänzerisch bewegt. Vor allem in den hohen Lagen schien sein Cello Koloraturen zu singen. Ganz anders klang sein Spiel beim  Stück „Scherzo in d-Moll, op. 6" von Julius Klengel. Nun durfte Arne Zeller sein Temperament zeigen, stürmisch und virtuos trieb er das Scherzo zu einem wilden Schluss.
Auch Felix Brunnenkant aus Überlingen am Bodensee begann im Alter von sechs Jahren mit dem Cellospielen, seit 2018 ist er Mitglied beim Bundesjugendorchester. Er spielte den ersten Satz „Allegro moderato" aus Franz Schuberts „Arpeggione-Sonate in a-Moll, D 821". Die ersten Klänge vom Klavier nahm Felix Brunnenkant sensibel in sich auf und führte sie weiter. Manchmal jagten sich Piano und Cello gegenseitig oder sie flüsterten miteinander. Das Seelenvolle von Liedern traf das Elegische der Melancholie, dabei zeigte sich der Cellist als Meister der ganz leisen Töne, kaum hörbar und unendlich fragil.  

Schumann und ein revolutionärer Debussy

Die 25-jährige Irena Josifoska aus Novi Sad in Serbien errang rund 45 höchste Preise und Auszeichnungen und konzertiert bereits mit bedeutenden Orchestern. Sie spielte „Die Fantasiestücke in a-Moll" von Robert Schumann. Ein Stück, das perfekt zu ihrer Spielweise passte. Zart und zerbrechlich ihre Töne im ersten Satz, im zweiten wurde sie tänzerisch und schwungvoll und schien das Piano zum Tanzen einzuladen. Die beiden kommunizierten gleichberechtig miteinander, diskutierten auch mal, doch alles blieb leicht und luftig. Im dritten Satz sprühten die Töne, das Cello spurtete temperamentvoll davon, Sehnsucht und Harmonie war zu spüren, eine Idylle ohne Sprödheit.
Moritz Huemer lud das Publikum ein, den Komponisten Claude Debussy neu zu entdecken. Er spielte die „Sonate für Violoncello und Klavier in d-Moll". Dabei bewies der 26-jährige Cellist, dass ihm diese  Musik von Claude Debussy mit seinem leicht revolutionären Charakter extrem gut in den Saiten liegt. Das zeigte sich schon beim Prolog und setzte sich fort bis ins Finale. Moritz Huemer lotete das Klangspektrum seines Cellos aus, ließ es mal stachelig tönen und dann wieder weich. Im zweiten Satz klang es hin und wieder gar wie eine Mandoline. Er baute große Bögen und manchmal schien es, als wolle er mit der Musik Bilder malen, mit wilden Farben und feinen Pinseln bis hin zum stürmischen Finale

Schostakowitch und der nicht zu schnelle Schumann

Im Jahr 1995 wurde Minji Kim in Südkorea geboren, sie gab 2004 ihr Rezital Debüt in der Kumho Art Hall in Seoul. Die Cellistin interpretierte den ersten Satz „Allegro non troppo" der „Cellosonate in d-Moll" von Dmitri Schostakowitsch. Das Stück ist ein Bekenntnis zur klassisch-romantischen Formtradition. Minji Kim spielte das „Allegro non troppo" wie eine Synthese aus Brahms und Debussy – dabei vereinten sich die Klänge von Piano und Cello zu einem Mini-Orchester. Sie gab dem Werk Weichheit und Schwermut, aber auch das Kraftvolle und das Stille. Den Schluss spielten die beiden Musikerinnen so gefühlvoll, dass das wenige Publikum andächtig wartete, bis auch der letzte Hauch von einem Ton verklungen war.
Den Schluss des Konzerts bestritt Erica Piccotti mit dem ersten Satz aus dem Schumann Stück „Konzert für Violoncello und Orchester in a-Moll, op. 129". Nicht zu schnell lautet dieser Satz, aber die 22-jährige Erica Piccotti war in ihrem ganzen Leben schnell unterwegs, im Alter von 14 Jahren schloss sie ihr Studium am Konservatorium Santa Cecilia in Rom mit dem höchsten Grad cum laude ab. Bei ihrer Interpretation wurde klar, dass Schumann mit der Bezeichnung „nicht zu schnell" keineswegs „langsam" gemeint haben kann, sie spielte den Satz kraftvoll und vital. Mal dahinstürmend, dann wieder mit gezügeltem Temperament. Mal träumerisch, aber trotzdem lebensfroh. Ihr Cello hat einen wunderbar satten Mittelton, der sich immer wieder mit den Tönen des Pianos verband und bis zum stürmischen Schluss fast vergessen ließ, dass dieses Stück auch für ein Orchester komponiert wurde.

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