Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Bader · 11. Sep 2011 · Musik

Gipfeltreffen der Jazz-Größen und jungen Jazz-Talente

Das Jazzorchester Vorarlberg eröffnete die Konzertreihe zu seinem 5-Jahre-Jubiläum in der Bludenzer Remise erfolgreich mit vier Formationen aus seinem illustren Kreis.

 

Duo Peter Madsen & Herbert Walser-Breuß - von den Musen geküsst

Der amerikanische Weltklasse-Pianist Peter Madsen legte mit seinem kongenialen Partner, dem bekannten Vorarlberger Trompeter und Hornisten Herbert Walser-Breuß, als Opener die Latte hoch. Sehr hoch. Gegeben wurde ein Ausschnitt aus der im Jahr 2006 im Duo mit Walser-Breuß eingespielten CD „The nine muses“. Musik, die durch die scheinbar anstrengungslose Leichtigkeit ihres Vortrags wirkte, als hätte man es mit einfacher Musik zu tun. Weit gefehlt. Große Könnerschaft ist vonnöten, um Musikstücke aus Madsens Feder auf die Bühne zu bringen.

Das Duo eröffnete den Abend sinnigerweise mit Euterpe, der Muse der Musik, von Madsen als „muse of pleasure“ bezeichnet. Madsen realisierte auf der Schlitztrommel auf seinem Schoß mit beiden Händen triolische Rhythmus-Patterns, die in ihren afrikanischen, ethnischen Anklängen wohl der Worldmusic zuzuordnen waren. Walser ergänzte diese bald auf dem Trompetendämpfer. Madsen spielte dann mit der linken Hand auf dem Flügel, während er auf der Schlitztrommel weiter Patterns klopfte, um sich dann beidhändig ein weiteres Mal als großer Lyriker am Flügel vorzustellen. Walser-Breuß oblag  auf dem Horn die Melodiestimme der Komposition. Madsens brillantes Solo - im Jazz-feel swingend, mit interessanten duolischen Patterns - war schlichtweg erhebend. Viel Applaus.

Als zweite Muse trat Thalia auf, „the muse of comedy“, wie Madsen erklärte. Mit dieser Nummer bewies der Komponist Humor, denn Walser-Breuß überraschte am Horn mit bizarren Klängen in der Art eines Signalhorns. Interaktion folgte. Madsen griff in den Flügel, um die Saiten auf seine bewährte Art zu bearbeiten. Walser-Breuß antwortete. Das Stück mündete bald in einen swingenden, bluesigen Part, mit einer Stride-Piano-mäßigen Begleitung, über die Walser-Breuß solierte. Melodiöser, rhythmischer Jazz. Ein Comedy-Riff als Unisono-Ending. Applaus.

Polyhymnia war die dritte Muse dieses Abends. Wieder ein Percussion-Intro von Madsens Hand. Diesmal mit Klangschalen am Boden. Wieder spielte die linke Hand auf dem Flügel, beginnend im Bassbereich. Wieder kam dann der ganze Pianist zum Einsatz. Die Trompete setzte im freien Gestus ein, um dann bald die Melodie zu beginnen. Ein zarter Dialog zwischen Flügel und Trompete folgte. Eine Ballade mit leicht experimentellen Soli. Das Stück führte in einem Bogen zurück zum Spiel auf den Klangschalen als Ending. Und wurde mit viel Applaus bedacht.

Die letzte Muse an diesem Abend war Calliope, „the muse of epic poetry“. Madsen spielte das Thema mit der linken und rechten Hand im effektvollen Zwei-Oktaven-Abstand. Mit seinen perlenden Läufen stellte er große Technik zur Schau und bewies ein weiteres Mal, dass er ein begnadeter Rhythmiker ist. Walser spielte Linien mit langen Tönen und stellte sich als großer Melodiker vor.

Enthusiastischer Applaus.

Phil Yaeger Sextet Deluxe - kontemporäre Musik, die von großen Namen beeinflusst zu sein scheint

Der zweite Act, das Phil Yaeger Sextet Deluxe, verband an diesem Abend Freiheit mit kompositorischer Strenge. Eröffnet wurde mit dem Titel „Feuermusik“, der mit einem frei wirkenden Intro begann, in ein Unisono-Bläser-Thema mündete und bald Martin Eberle Raum gab für ein brillantes Trompeten-Solo. Kollektive Improvisation der Bläser, die von der Rhythmus-Gruppe im Background sehr feinfühlig unterstützt wurde, ein kreatives Bass-Solo (Andreas Waelti), ein hervorragendes Posaunensolo mit avantgardistischen Anklängen (Phil Yaeger), ein überzeugendes Saxophon-Solo (Jure Pukl): Musik von Vollprofis. Eine kontemporäre Musik, die von großen Namen beeinflusst zu sein scheint: Man assoziierte John und Alice Coltrane, Archie Shepp und Don Jerry. Reinhold Schmölzer am Schlagzeug erinnerte phasenweise an Paul Motian und Elvin Jones.

Kompositorische Strenge wies der kontrapunktische „Chorale“ auf, der als zweite Nummer folgte, denn die Bläser überraschten mit sakralen, feierlichen Klängen. In einer Art Kollektiv-Improvisation wurde etwas später recht „free“ gespielt, was doch sehr an den Meister dieses Fachs, Cecil Taylor, erinnerte. Daraus entwickelte sich ein dynamisches und spannendes Drum-Solo. Andreas Waelti am Bass und Benny Omerzell am Flügel fanden sich bald mit dem Drummer in einem dialogähnlichen Ending.

Die Schlussnummer „Alice & Donny“ wartete mit einem ausgezeichneten Trompeten-Solo von Martin Eberle auf.

Viel Applaus!

Avant-Groove mit Kompost3

Kompost3 war die dritte Formation dieses Abends. Und es kann vorweg gesagt werden, dass die Musiker dieses dem Avant-Groove verschriebenen Quartetts den Miles Davis-Ansatz von „Groove and space“ verstanden haben. Im ersteren und längeren Teil ihres Auftritts entwickelten sie laut und druckvoll improvisatorisch über diverse Patterns eine titellose Musik, die ihresgleichen sucht. Martin Eberle setzte unter anderem eine Slide Trumpet ein (eine Mini-Posaune mit Trompetenmundstück), Benny Omerzell rief auf seinem Nord-Keyboard Hammond-Sounds ab, steuerte aber auch auf dem Fender Rhodes glockige Klänge bei, die er mit Hilfe des Volume-Reglers aus und ein blendete. Manu Mayr spielte seinen mit einem Effektboard ausgestatteten Kontrabass unter anderem mit dem Bogen, dies mit starker Verwendung der Glissando-Technik. Sehr interessant waren die Experimente mit den gefürchteten „Odd Meters“. Zu hören waren unter anderem abwechselnd Fünfvierteltakt- und Dreivierteltakt-Passagen und weiters musikalische Strukturen im Zehnachtel- und Sechsachteltakt.

Eine einzige Nummer hatte einen Titel: „Süasslarschnitz“. Interessant war hierbei die Zuspielung und Repetition des Sprach-Samples vom Laptop: „Bitte, ist hier frei...“ Eine Alltagssituation eingebaut in akustische Zusammenhänge, die wohl nicht alltäglich sind. Eine bemerkenswerte Idee. Lukas König an den Drums und Manu Mayr am Bass groovten, Omerzell brillierte mit einem virtuosen Solo im Hammondsound.

Eine kurze Nummer bildete den Abschluss. Originell war, dass Omerzell seinen kleinen Synthesizer auf dem Schoß spielte. Verwegen waren die Unisono-Linien von Synthesizer und Trompete. Viel verdienter Applaus.

Aja Soul Group verstärkt durch die Xi-Horns

Der vierte Act an diesem Abend war die Aja Soul Group, diesmal verstärkt durch die Xi-Horns, die sich aus den Musikern Martin Franz (Alt-Saxophon), Jürgen Haider (Tenor-Saxophon), Dave Blaser (Trompete) und Phil Yaeger (Posaune) zusammensetzten. Die Bläser-Arrangements, die Linien, Harmonien und Soli beisteuerten, konnten ganz klar als Bereicherung der Musik dieser Gruppe angesehen werden. Es darf aber auch gesagt sein, dass die Songs der Band so stark sind, dass sie - gesungen von Aja - auch zur simplen Gitarren-Begleitung funktionieren würden. Die Eröffnungsnummer war der Titelsong der aktuellen CD „European heart“ und zeigte die Soul Group in Topform. Ajas Gesangskunst ist makellos. Sicher in der Intonation und Rhythmik. Ihre Mezzosopran-Stimme geht unter die Haut. Toni Eberle ist ein kompetenter Begleiter und herausragender Solist. Christian Eberle groovt, Florian King am Kontrabass ist das unerschütterliche Fundament. Und Aja weiß auch am Keyboard, was zu tun ist, um sich effektiv zu begleiten. Auch an diesem Freitagabend in Bludenz war nichts anderes zu erwarten. Verdienter Applaus auch für die nachfolgenden Nummern „Back home“, „Someday“, „Simple life“ und „Thankful“. Eine Zugabe: „Blue planet“.

Ein starker Abend!