Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Ionian · 12. Jul 2015 · Musik

Gesprächig, begeisternd und unterschätzt - Die Sterne mit ihrem zehnten Album beim Conrad Sohm Kultursommer

Hamburger Schule nannte man es. Der Begriff machte erst ein Sammelbecken ähnlich klingender Musik daraus. Mitte der 90er-Jahre waren insbesondere drei Bands sehr erfolgreich: Blumfeld, Tocotronic und Die Sterne. Letztere haben vor Kurzem ihr zehntes Studioalbum veröffentlicht und das 23 Jahre nach ihrer Gründung. „Die Sterne leben noch und sie schreiben immer noch Hitsongs“, hörte man Frank Spilker sagen, als sie vergangenen Samstag im Dornbirner Conrad Sohm im Zuge des Kultursommer Festivals auftraten.

Ein schwüler Sommerabend, der Himmel war noch hell erleuchtet und das Konzert der Sterne hätte schon begonnen haben sollen. Es gab keine Supportband, deshalb nutzten die wenigen Gäste die Zeit, um noch auf der Terrasse zu verweilen. Und sich zu wundern. Sind Die Sterne, früher hell strahlende Indie-Rock Helden, inzwischen nur noch ein Nischenprodukt? Freilich, viele der Fans der ersten Stunde sind nun wohl in ihren Dreißigern, bringen Kinder ins Bett und zahlen Kredite zurück. Doch damals war spürbar, dass da etwas geschieht in der deutschen Jugendkultur. Schon ihr Debütalbum hieß „Wichtig“. Dazwischen liegen viele Jahre. Ihr letztes Album titelt „Flucht in die Flucht“. Schon der Titel muss sie in Erklärungsnot gebracht haben, Spilker jedenfalls wollte klarstellen, dass dies keinesfalls als Provokation gegenüber den Menschen gedacht war, die jetzt auf so tragische Weise ihr Land verlassen müssen.

Ehrlich, gesprächig und nahbar


Und genau so präsentierten sich die Die Sterne: Ehrlich, gesprächig und nahbar. Wie ein Wohnzimmerkonzert fühlte es sich an. Und von vorneweg wurde das neue Album präsentiert: „Mein Sonnenschirm umspannt die Welt“ als Wohlfühl-Einstieg, „Innenstadt Illusionen“ mit psychedelischen Mantras, eine Ode ans Land mit „Mach mich vom Acker“ und der Frage „Wie groß ist der Schaden?“. Bis hierher waren die Songs für die meisten im Publikum wohl Neuland, deshalb wurde es Zeit für einen Mix aus den ganzen Jahren dazwischen, von „Widerschein“ über „Tellerwäscher“ bis „Deine Pläne“. Der Rhythmus wurde variiert, bis ins Südamerikanische und in den tanzbaren Elektro. Nach „Depressionen“ klammert man sich an jeden „Grashalm“, während „Deine Pläne“ stehen. Gesungen wird live bis zu dreistimmig und auffällig häufiger im Chor. „Wir haben uns zu einer Vokalband entwickelt!“, erwähnte Bassist Thomas Wenzel.

Pech mit den Keyboards


Live präsentierten sie sich am Keyboard mit Dyan Valdes von The Blood Arm. Technik ist etwas für Martial Arts-Kämpfer, mit den großen Keyboards hatten sie jedenfalls schon zuvor und auch am Samstagabend Pech und Probleme. Die daraus resultierenden Pausen nutzte Spilker, um in Kontakt mit den Leuten zu treten und mit Anekdoten zu unterhalten. Den Ärger über die unverlässlichen Gerätschaften konnte Valdes nicht ganz verheimlichen und so fehlte manchmal der richtige Sound und auch die Magie in den Songs ein wenig. Was nicht unbedeutend war, denn die Key-Sounds sind, trotz der Besetzungswechsel an diesem Instrument, von Beginn an maßgeblich am typischen Klang der Sterne beteiligt.

Begeisterung zum Schluss


Vom Album wurden dann auch noch fast alle anderen Songs gespielt. Zum Schluss die lang erwartete Gelegenheit für das große Mitsingen. „Von allen Gedanken, schätze ich doch am meisten, die Interessanten“, „Wahr ist“ und zu guter Letzt „Was hat dich bloß so ruiniert?“ setzten die inzwischen euphorischen Gäste in eine Zeitmaschine in die Mitte der Neunziger. Auch noch eine Zugabe gab es für diejenigen, die gekommen waren. Die Band hat ihren Gig absolut ernst genommen, auch wenn die Technik sie im Stich ließ und überraschend wenige gekommen waren. Dafür haben sie alle erreicht, die da waren. „Fickt das System“ und aus. Oder doch noch nicht. Jetzt waren endgültig alle Gäste aus dem Häuschen. Selten, dass so wenig Leute so viel Lärm machten. Es gab sogar noch eine zweite Zugabe. Also nochmals aus dem Backstage raus, noch ein Lied: „Ihr wollt mich töten“. Schlussendlich haben auch Die Sterne etwas zurückbekommen. Begeisterung.