Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 05. Mai 2022 · Musik

Geistreich, poesievoll und aufrüttelnd – durchkomponierter Liederabend von Ulla Hahn und Kit Armstrong bei der Schubertiade Hohenems

Das Wasser als Sinnbild des menschlichen Lebens und der Umwelt bildete die Inspiration für einen geistreich komponierten Literatur- und Liederabend im Rahmen der Schubertiade Hohenems. Im Mittelpunkt standen fünf Uraufführungen des Pianisten und Komponisten Kit Armstrong nach Texten von Ulla Hahn. Der Komponist spielte am Klavier mit einem bewundernswert feinen musikalischen Ausdruck. Ihr Debüt bei der Schubertiade gab Samantha Gaul mit ihrem kristallklaren Sopran und der Tenor Mauro Peter sang mit einem warmen Timbre. Weil die Autorin Ulla Hahn erkrankt war, wurden ihre Rezitationen als wenig begeisternde „Notlösung“ eingespielt.

Kit Armstrong hat schon mehrere Gedichte der deutschen Autorin Ulla Hahn vertont. In Zusammenarbeit mit der Lyrikerin war im Markus-Sittikus-Saal ein hervorragend gestalteter Literatur- und Liederabend zu erleben, der mehrere künstlerische Facetten in sich vereinte. Im Mittelpunkt der literarisch-musikalischen Betrachtungen standen das Wasser und Naturgewalten, die mit Liedern von Franz Schubert und Gustav Holst sowie Franz Liszt aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wurden. Leider war es der Autorin Ulla Hahn aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, nach Hohenems zu reisen. Stattdessen wurden ihre Rezitationen zugespielt. Auf der einen Seite ist dies durch die engen Verbindungen zwischen Hahns Lyrik und Armstrongs Musik verständlich. Auf der anderen Seite wirkten jedoch die mit etwas Hall unterlegten Zuspielungen eher kalt und auf jeden Fall unnahbar. Aus diesem Grund hätte es der Konzertatmosphäre gutgetan, wenn Ulla Hahn von einem/einer Rezitator:in vor Ort vertreten worden wäre.

In einen Rahmen eingebettet

Den Rahmen bildete das Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“ von Johann Wolfgang von Goethe, das Ulla Hahn zuerst vortrug. In einer Überleitung verlieh Kit Armstrong am Klavier dem Text eine musikalische Ausdeutung. Sodann interpretierten Mauro Peter und Kit Armstrong das lediglich als Fragment überlieferte, gleichnamige Schubertlied. Hier kamen die musikalischen Qualitäten des Pianisten Kit Armstrong sogleich und faszinierend zum Ausdruck. So weich und entspannt, mit Gewichtungen, die sich nie in lautstärkemäßiger Kraft oder gar Druck, sondern organisch fließend entfalteten, deutete Kit Armstrong den Klavierpart aus. Mauro Peter formte die melodischen Linien mit seiner warmen und ausdrucksstarken Stimme. Ebenso feinsinnig stellten die Musiker Schuberts „Des Müllers Blumen“ in den Raum. Hervorragend zum Themenkreis passten auch die „Vedic Hymns“ aus dem Opus 24 von Gustav Holst. Die dunkel aufwallenden Akkorde im Klavierpart und die schwebende Weite in der Schlusspassage von „Creation“ blieben besonders in Erinnerung. Raum für Reflexion boten die deutschen Nachdichtungen von Ulla Hahn. Poesievoll spielte Kit Armstrong auch das Klavierwerk „In the Hothouse“ von Kaikhosru Shapurji Sorabji. Besonders in diesem Werk kam seine große Kunst der Pianokultur zur Geltung.
Aufhorchen ließ die Sopranistin Samantha Gaul mit ihrer kristallklaren Stimme. Auch im Piano erklang die Stimme der aufstrebenden Opernsängerin kraftvoll, flexibel und raumgreifend. Zum kompositorischen Ausdruck von Kit Armstrongs Liedern, die modale Skalen und zahlreiche übermäßige Tonschritte beinhalteten, passte die akkurate Stimmführung von Samantha Gaul hervorragend.

Abwechslungsreiche Uraufführungen

Fünf neue Lieder von Kit Armstrong brachten Samantha Gaul, Mauro Peter und der Komponist am Klavier zur Uraufführung. Deren musikalische Aussage lebte von atmosphärischen und textdeutenden musikalischen Ideen, die den Klavierpart in eine reizvolle Korrespondenz mit den melodischen Linien führte.
Am meisten beeindruckte das Lied „Es bleibt noch lange heute Abend hell“ für Tenor und Klavier. Mit einer resoluten Geste im Klavierpart wurde das Werk eröffnet. Dazu stellte die Singstimme mit chromatischen Fortschreitungen einen großen Kontrast her. Der marschähnliche Duktus und die Wechseltonfloskeln unterstrichen die tiefgründige musikalische Textdeutung.
In einem anderen Tonfall wurde „Jedes Teilchen, das auf der Erde weilte“ nach einem Text von Omar Chayyam für Sopran und Klavier ausgestaltet. Der perlende Anschlag sowie die modal ausgestaltete Klavierlinie, der Rezitationston und die nachahmenden Gesten zwischen der Klavierstimme und dem Sopran verströmten einen hintergründigen Humor. Diese Wesenszüge trug auch das Lied „Schöne Landschaft“. Vor allem der interpretierend gesetzte Klavierpart, der der Sopranistin viel Raum bot und gleichzeitig einen expressiv reflektierenden Bogen öffnete, blieb in Erinnerung.
Im Werk „Die gefräßigen Rosen“ wirkten die von Samantha Gaul und Mauro Peter parallel geführten Einleitungspassagen über impressionistisch gefärbten Arpeggi im Klavier und die abschließende Rezitation von Ulla Hahn eindringlich und zeitkritisch. „Zusammen – Weiter – Kommen“ für Sopran und Klavier sprach die Zuhörenden mit einem, im positiven Sinn, naiven Ausdruck und großem Aufforderungscharakter an. Vor allem in dieser Lieddeutung zeigte sich, dass Samantha Gaul eine besonders ausdrucksstarke Opernstimme hat.
Bemerkenswert war zudem die Art, wie Kit Armstrong das Schubertfragment „Gesang der Geister über den Wassern“ für Sopran, Tenor und Klavier weiterkomponiert hat. Auch in diesem Lied verbanden sich die naturphilosophischen Bilder von Himmel und Erde zu einem Ganzen. So gesehen war der Liederabend in zeitlicher Nähe zur Walpurgisnacht hervorragend platziert.

www.schubertiade.at

www.kitarmstrong.com
www.samantha-gaul.com
www.mauropeter.com