Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 25. Feb 2016 · Musik

Expressive Stimmungsbilder und knackige Ausbrüche – das Andy Sheppard Quartet am Spielboden

Für sein im Frühjahr 2015 erschienenes ECM-Album „Surrounded by Sea“ erhielt der englische Saxophonist Andy Sheppard international hervorragende Kritiken. Im Rahmen der Jazzreihe am Dornbirner Spielboden, die dieses Mal – wohl dank Sheppards im Trio mit Carla Bley und Steve Swallow erworbener Popularität – gut besucht war, präsentierte er einige Highlights von dieser CD, aber auch einige neuere, bislang unveröffentlichte Stücke.

Exzellente Formation

 

Andy Sheppard brachte mit einer Ausnahme jene exzellenten Musiker mit, mit denen er „Surrounded by Sea“  – von ECM-Chef Manfred Eicher höchst persönlich produziert -– auch eingespielt hat. Da wäre einmal der in Paris lebende, wendige Kontrabassist Michel Benita zu nennen, der letzten Monat mit seiner neuen Band Ethics das hervorragende Debüt-Album „River Silver“ vorgelegt hat. Dort ist der norwegische Gitarrist Eivind Aarset ebenfalls mit von der Partie, was dem Zusammenspiel der beiden im Andy Sheppard Quartet natürlich zugute kommt. War bei den Originalaufnahmen noch der angesagte Londoner Drummer Sebastian Rochford (bestens bekannt von den Sons of Kemet oder Polar Bear) dabei, so sorgte auf dieser Tour der bei uns zu Unrecht unbekannte, vor allem in der französischen Jazzszene tief verwurzelte italienische Schlagzeuger Michele Rabbia für die rhythmische Raffinesse. Das formidable Ensemble zeigte sich durchwegs spielfreudig und präsentierte zwei ziemlich unterschiedliche 50-Minuten-Sets.

 

Gleichförmigkeit im ersten Set

 

Das erste Set war atmosphärisch relativ nah an der Plattenaufnahme, vereinte expressionistische Stimmungsbilder mit einfühlsamen Balladen, und ab und an gab es einmal etwas dynamische und tempomäßige Abwechslung. Rabbia trommelte oft mit bloßen Händen, manchmal mit Besen oder irgendwelchen Ruten, nur ausnahmsweise mit den Sticks, überzeugte durch enormes Einfühlungsvermögen aber auch durch lautmalerische Kreativität. Michel Benita stand ihm in Sachen Sensibilität in nichts nach und brachte seinen Kontrabass wirkungsvoll zum Singen. Eivind Aarset betätigte sich mittels elektronischer Verfremdung als Klangwölkchenzauberer, ließ die verhallten Akkorde schweben und seine Gitarre nur selten einmal Herkömmlicheres produzieren. Andy Sheppard ließ seinen Compadres jede Menge Raum zur freien Entfaltung und überzeugte selbst durch höchst Expressives auf dem Tenor-, vor allem aber auf dem Sopransaxophon. Das war alles perfekt und stets dem Gruppensound dienlich musiziert, ohne aber beim Publikum große musikalische Aha-Effekte auszulösen.

 

Extravaganteres im zweiten Set

 

Nach der Pause startete die Band mit „The Impossibility Of Silence“ und „Medication“, zwei stimmungsvollen Stücken von der CD, ehe sie enorm an Tempo und Lautstärke zulegte, um sich auch mal von der härten Seite zu präsentieren. Aarset entlockte seiner Gitarre Rockiges, Sheppard produzierte mittels Zirkularatmung Ekstatisches und Rabbia knüppelte wirklich extrahart auf sein Schlagzeug ein – ein kraftvoller Ausbruch, der alle Akteure voll aus sich herausgehen ließ, und vom Publikum als unerwartet heftige Abwechslung mit hörbarer Begeisterung aufgenommen wurde. Darauf folgten expressive Balladen, unterbrochen durch freiere Ausbrüche, wunderbar Melodiöses, oder Extravagantes – wie Rabbias Rhythmus-Arbeit mittels gekonnten Zerknitterns eines Nylonsackes vor dem Mikro. Und als Encore verabschiedete sich die Band mit einer stimmungsvolle Improvisation über Lennon/McCartneys 1964er Hit „And I Love Her“.  Nette Liebeserklärung, die wohl ans Publikum gerichtet war.