Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Silvia Thurner · 16. Apr 2016 · Musik

Entstaubt und zu neuem Leben erweckt – Der Blockflötist Wolfram Schurig und das „Concerto Stella Matutina“ begeisterten mit einem großartigen Konzertereignis

Einen fulminanten Start in die neue Abonnementsaison bescherte das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ seinem Publikum. Die Leitung hatte zum zweiten Mal der Blockflötist und Komponist Wolfram Schurig inne, der die Orchestermusiker wieder zu einer höchst lebendigen Spielweise mit viel Eigenverantwortung und damit verbunden zu mitreißenden Werkdeutungen führte. Im ausverkauften Saal der Kulturbühne AMBACH wurden die Zuhörenden in barocke Welten geführt, die gespickt waren von opernhafter Dramatik, kontrastreichen Gegenüberstellungen und virtuosen Spielarten aller Solisten. Im Mittelpunkt standen unter anderem Werke, die über Jahrhunderte in Archiven gelagert und völlig in Vergessenheit geraten waren.

Wolfram Schurig ist Musiker und Komponist und er verfügt zudem über eine ausgeprägte musikwissenschaftliche Ader. Diese Dreifachbegabung prägte das erste Abokonzert des CSM und verlieh ihm einen exklusiven Charakter, den man hierzulande sonst nicht so rasch wiederfindet. Mut, Entdeckergeist und Kenntnis über die Kompositionsgeschichte gehören zusammen, wenn es darum geht, vergessene Werke aus Archiven auszugraben, diese in langer Arbeit neu zu editieren und dann zur Aufführung zu bringen. Genau diese Anstrengungen ergaben schließlich einen Konzertabend, bei dem auch außergewöhnliche Kompositionen der Barockzeit zu hören waren. So beispielsweise das Concerto in C von Matthäus Nikolaus Stulick für Violine, Blockflöte, Fagott, Streicher und Basso Continuo oder das Concerto in C für zwei Trompeten, Streicher und Basso Continuo von Johann Georg Thiel. Die Aufmerksamkeit lenkte überdies Nicolò Fiorenzas Concerto in a für Blockflöte, Streicher und Basso Continuo auf sich.

Originelle Werkzusammenstellung


Der inhaltliche Leitfaden für die Programmgestaltung war die Sammlung des Aloys Thomas Raimund Graf Harrach, der ab 1728 als Vizekönig in Neapel residierte. Öfters reiste der Kunstsammler und Musikbegeisterte in Musikzentren von Neapel über Wien bis nach Dresden. Aus dessen Umkreis stammten die präsentierten Werke. Kompositionen von Johann Friedrich Fasch sowie Antonio Caldara bildeten den prunkvollen Rahmen des abwechslungsreich zusammengestellten und in den musikalischen Affekten gut ausbalancierten Programms.

Geistreiche und energiegeladene Spielweise


Es ist immer wieder spannend, in welcher Weise die unterschiedlichen musikalischen Leiter, die das CSM für die einzelnen Abonnementkonzerte zur Zusammenarbeit einlädt, die Spiel- und Interpretationsarten des Orchesters prägt. Wolfram Schurig liebt die Dramatik, er mag Kontraste in der Musik, nimmt sich Zeit für Entwicklungslinien in langsamen Sätzen, setzt die Instrumentalfarben bewusst in Szene, hat Mut zu kantigen Phrasierungen und dynamischen Akzentuierungen. Dies vermittelte er den Orchestermusikern als Grundlage für alle dargebotenen Kompositionen und so wirkte der Gesamtklang des Orchesters wunderbar frisch und lebendig. Auffallend war überdies die bewusste Reduktion des Klangbildes in den langsamen Sätzen, die meistens in kammermusikalischen Besetzungen einen intimen Charakter annahmen und so die leidenschaftlichen Emotionen unterstrichen.

Virtuos und emotional


Wolfram Schurig stand als Solist in mehreren Werken im Mittelpunkt und er zog mit seiner virtuosen und zugleich emotionalen Spielweise die Zuhörenden in seinen Bann. Die unendlich verästelten, fein verwobenen und verzierten melodischen Linien phrasierte er transparent. Auf diese Weise kristallisierte er die musikalischen Hauptlinien gut nachvollziehbar in den Klangvordergrund. Aufmerksam gingen die Orchestermusikerinnen und –musiker auf den feinen Klang der Blockflöte ein. Sie umfingen den Solisten in den Tuttistellen und nahmen sich in den solistischen Passagen spontan zurück und gewährten dem Flötisten genug Spielraum.

Im Alten Neues entdecken


Über alle Werkdeutungen gäbe es viel zu berichten. Besonders in Erinnerung blieb das Concerto von Matthäus Nikolaus Stulick. Die drei solistisch geführten Stimmen der Blockflöte, des Fagotts und der Violine nahmen inspirierende Bezüge zueinander und zum Orchester auf und traten in transparent ausgeführte Imitationen, die jeweils mit einem großen Aufforderungscharakter verbunden waren. Wolfram Schurig an der Blockflöte, die Fagottistin Makiko Kurabayashi und die Konzertmeisterin Sylvia Schweinberger bündelten die Aufmerksamkeit des Publikums im Saal, kein Huster oder Unruhe störte die Werkdeutung. Eine große Erwartungshaltung löste die majestätisch ausgeführte Eingangspassage im Concerto von Johann Georg Thiel aus. Umso mehr kam schließlich die sich entladende Energie im darauffolgenden Allegro zu Geltung. Einige Überraschungen kristallisierte auch die Werkdeutung des Concerto in a von Nicolò Fiorenza heraus. Vorhaltwirkungen, melancholische Farben im Grave und ein energisches Allegro, dazu ungewohnte Rhythmen und melodische Einfälle zeichneten dieses opernhaft angeregte, zerklüftete Werk aus.

Orchestermusiker mit Eigenverantwortung


Das vielgestaltige Konzert bot fast allen Orchestermusikern die Gelegenheit, sich solistisch zu präsentieren. Allen voran begeisterte die Konzertmeisterin Sylvia Schweinberger. Aber auch Bernhard Lampert und Herbert Walser-Breuß brillierten an den Naturhörnern und –trompeten und weiters bereicherten die Oboisten Ingo Müller und Gustav Friedrichsohn, Lucas Schurig-Breuß und Julia Beller an der Viola und Peter Sigl und Gerlinde Singer an den Violoncelli sowie der Cembalist Johannes Hämmerle die Darbietungen.

Ein Gewinn für das Land


Das Konzert mit den revitalisierten Kompositonen und dem Blockflötisten Wolfram Schurig zeigte eindruckvoll das höchst professionelle Profil des Barockorchesters. Diese individuellen Qualitäten – abseits ausgetretener Pfade - wurden längst in der Szene der Alten Musik auch außerhalb der Landesgrenze erkannt und bringen dem Barockorchester zurecht ein immer größer werdendes, internationales Renommee ein.