"Mit einem Tiger schlafen": Anja Salomonowitz‘ Spielfilm über die Künstlerin Maria Lassnig derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: Stadtkino Wien Filmverleih)
Silvia Thurner · 31. Aug 2017 · Musik

Eine kontinuierliche Steigerung – die Sopranistin Marlis Petersen und Camillo Radicke am Klavier beeindruckten vor allem mit Richard Strauss

Die Sopranistin Marlis Petersen ist eine Art „Rising Star“ bei der Schubertiade Schwarzenberg. Nach ihrem Debüt im vergangenen Jahr wurde ihr Auftritt mit Spannung erwartet. Gemeinsam mit ihrem Klavierpartner Camillo Radicke präsentierte die temperamentvolle Sängerin ein Programm mit Schubert-, Schumann- und Strausslieder, die den Frühling, Schäferidyllen und Blumen besangen. Erst allmählich kam die sängerische Vielgestaltigkeit und Ausdruckskraft von Marlis Petersen zur Geltung. Von Beginn an aufhorchen ließ Camillo Radicke, der den Klavierpart differenziert und facettenreich ausformte.

Mit Frühlingsliedern von Franz Schubert leitete Marlis Petersen den Liederabend ein. Unter anderem interpretierte sie die Ballade „Viola“. Darin gestaltete die Sopranistin die unterschiedlichen Emotionen sowie das Hell-Dunkel der harmonischen Farben und den übergeordneten Bogen nuanciert aus. Feinsinnig traf sie den immer wiederkehrenden „Glockenton“. Miniaturen von Robert Schumann, wie der „Jasminenstrauch“ und „Röselein, Röselein!“ offenbarten Marlis Petersens humoristische Ader. Überdies zeigte sich in der vielfältigen Gestaltungsart der einzelnen Lieder, dass die sympathische Sängerin in mehreren musikalischen Genres bewandert ist.

Zwiespältig

In einem weiteren Abschnitt erklangen pastorale Schäfer- und Sennenlieder von Schubert und Schumann. Doch diese Werkdeutungen überzeugten weniger, weil ihnen meiner Wahrnehmung nach die innere Ruhe fehlte. So wirkten die weiten melodischen Linien eher straff gespannt. Es war, als müsste die Sopranistin ihr Temperament und ihre stimmliche Entfaltungskraft allzu sehr im Zaum halten. In hohen Passagen gelang ihr das weniger, so dass diese teilweise dominant in den Klangvordergrund rückten. Davon betroffen war auch Schuberts berühmter „Hirt auf dem Felsen“. Zwar kam der Sopranistin die eher opernhafte Anlage des Werkes entgegen und sie zielte ganz auf die wirkungsvolle Cavatine am Schluss, die beeindruckend gelang. Mit Camillo Radicke am Klavier und Paul Mayer an der Klarinette hatte Marlis Petersen hervorragende Partner, die sehr präsent auf die widerhallenden Phrasen reagierten.

Das Publikum reagierte begeistert auf Marlis Petersens Werkdeutungen und auch auf ihre Interpretation des „Hirt auf dem Felsen“. In der unterschiedlichen Rezeption liegt ein wesentlicher Anreiz der Schubertiadekonzerte. Hier kann man nach Herzenslust und spitzfindig Interpretationsvergleiche anstellen und diskutieren, ob dieser oder jener Zugang der bessere ist, wie treffend die Intonation in einzelnen Phrasen war, inwiefern eine historisch informierte Aufführungspraxis auch für das romantische Lied wichtig ist und ob dieser oder jener Liedtext noch unserem Gesellschaftsverständnis entspricht.

Begeisterung

Auf jeden Fall hinterließen Marlis Petersens Darbietungen der Richard Strauss Lieder einen viel stärkeren Eindruck als jene von Schubert und Schumann. Hier war die Sängerin ganz frei und in ihrem Element und konnte ihre stimmlichen Qualitäten und emotionale Ausdruckskraft so richtig in Szene setzen. Der dichtere Klaviersatz, der größere melodische Ambitus sowie die weitläufigeren Melodiebögen unter anderem im Opus 22 „Mädchenblumen“ von Strauss kamen der Sopranistin sehr gelegen. Spannend und beziehungsreich war dies besonders in „Mohnblumen“, „Epheu“ und „Wasserrose“ zu erleben. Einen fulminanten Schluss- und Höhepunkt stellte „Kling!“ (op. 48/3) dar, in dem die Emotionen so richtig flossen.

Hervorragender Klavierpartner

Camillo Radicke ‚trug’ vom Klavier aus die Sopranistin und formte alle Lieder mit konzentriertem Bedacht auf textdeutende Motive und Themen aus. Sein feinsinniger Anschlag, passend in den Klangvordergrund gestellte Bassgänge, schwebende Tonwiederholungen und ätherisch hingetupfte einzelne Töne lenkten vor allem bei Schubert und Schumann die Aufmerksamkeit auf die Klavierparts. Spannend war es überdies, die kompositorische Entwicklung und die Rollenverteilung zwischen der Singstimme und dem Klavier von Schubert ausgehend über Schumann bis zu Richard Strauss nachzuvollziehen.