Neu in den Kinos: „Teaches of Peaches" Musikdoku des gebürtigen Vorarlbergers Philipp Fussenegger (Foto: Avanti Media Fiction)
Gunnar Landsgesell · 01. Sep 2017 · Film

The Limehouse Golem – Das Monster von London

Eine grausame Mordserie lässt London im Jahr 1880 nicht zur Ruhe kommen. Scotland Yard Inspektor Kildare (Bill Nighy) wird auf einen möglichen Mord der Theaterschauspielerin Lizzy an ihrem Ehemann angesetzt und steckt schon bald mitten in den Ermittlungen der Londoner Mordserie selbst. "The Limehouse Golem" ist ein dicht inszeniertes Kriminalstück in bester britischer Tradition, das zwar vollgeräumt wirkt, aber dennoch unheimlich packend ist.

„Beginnen wir mit dem Ende“, heißt es zu Beginn von „The Limehouse Golem“. Auf einer Bühne wird ein Stück aufgeführt, das von einem Mordfall erzählt, und dessen Publikum wird zugleich das des Films. Regisseur Juan Carlos Medina ist eine unheimlich vertrackte Inszenierung einer literarischen Vorlage gelungen, die alle Kniffe und Spannungselemente einzusetzen versteht, ohne dabei platt zu wirken. Denn obwohl „The Limehouse Golem“ immer wieder auch jüdische Milieus in diesem London des Jahres 1880 streift, während der Mystizismus der Golem-Sage eine grausame Mordserie umweht, verliert sich Medina nie in obskuren Bildern, die auf eine esoterische Lust des Unerklärlichen abzielen. Eigentlich stehen zwei Underdogs im Mittelpunkt der Handlung: Dem in unteren Rängen befindlichen Scotland Yard Detektiv John Kildare (Bill Nighy) wird recht unvermittelt von seinem Kollegen ein Mordfall umgehängt. Es geht um die bekannte Bühnenschauspielerin Lizzy (Olivia Cooke), die ihren Mann, den Journalisten John Creed (Sam Reid), vergiftet haben soll. Kildare wirkt wie ein Bauernopfer, an einen Fall angesetzt, bei dem es nichts zu gewinnen gibt. Die Bevölkerung Londons, ohnehin bereits durch die Mordserie des „Golem“ aufgebracht, fordert von der Polizei Ergebnisse. Mit Kildare führt der Film hingegen in einen zunehmend verästelten Kosmos exzentrischer Bühnenleute und zugleich – in Rückblenden – in die Straßen des Londoner Elendsbezirks Limehouse, nahe den Docks, wo die nunmehr verhaftete Bühnenschauspielerin Lizzy eine ärmliche und brutale Kindheit verbracht hat. Lizzy und Kilborne, eigentlich die dramaturgischen Gegenpole solch einer Geschichte, werden hier jedoch in ein kurioses Naheverhältnis gebracht. Kilborne, von Lizzys widriger Biographie geradezu durch sein soziales Empfinden infiziert, versteht sich schon bald als deren Verteidiger, gerät durch diverse Querverbindungen dabei aber unversehens in die Ermittlungen der titelgebenden Golem-Mordserie selbst.

 In bester britischer Tradition


„The Limehouse Golem“ steht ganz in der Tradition des klassischen, britischen Kriminalfilms. Hier wird viel gesprochen, immer wieder blitzt Sarkasmus auf, und der Kreis der Verdächtigen ist von vornherein eingeschränkt auf eine kleine Gruppe. Kaum je muss die Kamera die Studios verlassen, in denen hier gedreht wurde. Nicht zu seinem Nachteil weiß der Film daraus aber eine dichte Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Figuren ständig in bedenklicher Reibung zueinander befinden. Dazu bedarf es keiner Charakterstudien der beiden Hauptfiguren, sondern vielmehr der Bühne, auf der sie sich bewegen. Immer wieder versteht die Inszenierung, das Theatrale dieses Stoffes gewinnbringend einzuarbeiten, egal ob es um die britische Öffentlichkeit, um die Hoffnungen einer aus dem Elend stammenden Theaterschauspielerin oder um einen Ermittler steht, der keinen Schritt mehr setzen kann, ohne von gestrengen Blicken dabei verfolgt zu werden. Es ist aber auch der Charme des altmodischen, die bis unters Dach vollgeräumten Bilder dieses viktorianischen Englands, und das wie aus einer früheren Zeit herübergeholte Gesicht von Bill Nighy selbst, was diesen Film zu einer wohlig-schauerlichen Sache zwischen Krimi und Thriller macht. Jane Goldman hat mit ihrem klugen Drehbuch dem ganzen den nötigen Spin verliehen, der einen wie in einer Schleife, auch nach dem Ende nicht gleich entlässt. Auch oder gerade weil es schon zu Beginn heißt: Beginnen wir mit dem Ende.