Eine eindrückliche musikalische Begegnung – Inventionen und Sonette von André Tchaikowsky
Die Reihe „Musik und Poesie“ hat sich in den vergangenen Jahren zu einem künstlerisch intensiven Begegnungsort im Rahmen der Bregenzer Festspiele entwickelt. Hier wird in diesem Jahren dem Publikum unter anderem die Möglichkeit geboten, die Kammermusikwerke von André Tchaikowsky kennenzulernen. Im Seestudio waren die Inventionen für Klavier, op. 2 sowie sieben Sonette nach William Shakespeare zu hören. Der Pianist Maciej Grzybowski und die Mezzosopranistin Urszula Kryger sowie David Pountney und Laura Louisa Garde als Sprecher ermöglichten ein eindringliches Erlebnis und eine gelungene Durchdringung von Musik und Sprache.
André Tchaikowsky war ein international erfolgreicher Pianist. Er wurde von Arthur Rubinstein unterstützt und erhielt unter anderem Unterricht bei Stefan Askenase. Doch den Pianisten drängte es weniger zu einer Konzertkarriere, denn er interessierte sich mehr für die Komposition. Auch aus diesem Grund war es spannend, im Rahmen der Reihe „Musik und Poesie“ Kammermusik von André Tchaikowsky als österreichische Erstaufführungen zu hören.
Stringent gefasste musikalische Einfälle
Die Inventionen op.2 (1961-62) sind kurz und bündig gefasste Stücke. Unterschiedliche Persönlichkeiten aus dem Umfeld des Komponisten sind die Widmungsträger und nicht zuletzt deshalb implizierte jede einzelne Invention einen eigenständigen musikalischen Charakter. André Tchaikowsky baute seine Werke aus markanten Motiven, die auch kontrapunktisch zueinander in Beziehung gesetzt wurden. So entwickelte sich eine prägnante Musik, in der jeder Ton einen ihm zugeschriebenen Stellenwert innerhalb des Ganzen ausfüllte. Intervallbeziehungen und daraus resultierende Spannungsverhältnisse spielten eine besondere Rolle. Motivische Linien erklangen stringent und gut nachvollziehbar miteinander verwoben sowie in Tonballungen zusammengerafft. Teilweise wurden sie als ostinate Figuren geführt oder in einem schwebenden Fluss miteinander ausgelotet. Maciej Grzybowski spielte die resoluten und durchaus virtuos angelegten Stücke mit viel Einsatz und verlieh dem Werk mit seiner Spielart einen kraftvollen Charakter.
Ausdrucksstarke Sprachgestalten
Im Mittelteil rezitierten David Pountney und Laura Louisa Garde sieben Sonette von Shakespeare. Es war ein besonderes Vergnügen die Originale von David Pountney vorgetragen zu bekommen, Laura Louisa Garde las die deutsche Übersetzung mit einem gepflegten Sprachduktus. So wurden die zahlreichen Zuhörenden hervorragend eingestimmt auf die Vertonungen von André Tchaikowsky, der genau diese Texte seinen "Sieben Sonetten nach William Shakespeare" (1967) zugrunde gelegt hatte.
Sich ergänzende Rollen
André Tchaikwosky konzipierte die Klavierstimme und die Singstimme als ganz eigenständige Parts. Die Emotionen eines unglücklich Verliebten kamen vor allem im aufwühlenden Klavierpart zur Geltung. Die Singstimme hingegen orientierte sich an der Sprachmelodie und deutete die Texte in manchen Teilen expressiv aus. Auf diese Weise wirkte die Komposition vielgestaltig und durchdacht angelegt.
Im Vordergrund stand meiner Wahrnehmung nach der Klavierpart, der schon im Vorspiel in die emotionale Welt des Protagonisten einführte. Zwei suchende melodische Linien begegneten sich, wurden miteinander verbunden, umspielten einander und erklangen am Ende in einem spannungsreichen Zusammenklang gebündelt.
Dominanz und Ruhe
Auch im ersten Sonett klang mit schweren Akkorden die elegische Grundstimmung an und bis zum Ende hin spannte sich ein mitreißender musikalischer Bogen durch den Liederzyklus hindurch. Viele musikalische Details waren textdeutend eingesetzt, nur wenige können hier angeführt werden. Beispielsweise wiesen die insistierenden Tonrepetitionen im vierten Sonett auf die Resignation und den introvertierten Rückzug des Protagonisten hin. Besonders im fünften Sonett erhielt durch die Reduktion der musikalischen Mittel jede Note einen besonderen Stellenwert. Rufende Floskeln und ein punktierter Rhythmus steigerten zum Schluss hin den impulsiven Grundcharakter des Klavierparts. Schwere Tonballungen zogen den musikalischen Fluss nach unten, bevor die Musik tonlos verebbte. Maciej Grzybowski interpretierte auch dieses Werk überzeugend und mit einer engagierten Spielart.
Das letzte Wort
Die Diskrepanz zwischen dem Klavierpart und der Gesangslinie machte einen wesentlichen Reiz dieser Komposition aus, ließ aber auch Fragen offen. Urszula Kryger formte den Vokalpart vielgestaltig aus. Ihre wandlungsfähige Stimme und der ruhige Duktus kamen der Werkdeutung entgegen, mitunter geriet sie jedoch allzu sehr in den Hintergrund. Es war für die Komposition insgesamt bezeichnend, dass das Klavier den letzten Ton – um nicht zu sagen, das letzte Wort – hatte.