Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 02. Aug 2011 · Musik

Ein Orchesterkonzert der Superlative im Hinblick auf die Interpreten und die Werkauswahl

Das zweite Orchesterkonzert im Rahmen der Bregenzer Festspiele mit den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Kirill Petrenko sowie den Solisten Marino Formenti (Klavier) und Martin Fröst (Klarinette) kann man nur in Superlativen beschreiben. Allein die Besetzung versprach ein außergewöhnliches Konzertereignis. Überdies sorgte eine ausgezeichnete Werkauswahl für ein musikalisches Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Unter dem Leitgedanken des Freiheitskämpfers Lord Byron, mit Heldenerzählungen und einem Pamphlet gegen politische Despoten, schöpften die engagierten Musiker aus dem Vollen. Das Publikum bedankte sich mit frenetischen Jubelstürmen.

Eingeleitet wurde das dichte Konzertprogramm mit Hector Berlioz’ Ouvertüre „Le Corsaire“. Vom ersten Ton an begeisterten Kirill Petrenko und die Wiener Symphoniker durch ihre präsente Spielart. Vor allem die dynamischen Abschattierungen, die alle Werkdeutungen dieses Abends auszeichneten, bewirkten schillernde, in sich fein aufeinander abgestimmte Themenführungen. Darin lag ein enormes Potential, das im vollen Orchestersatz eruptive Klanggewalten freisetzte.

Leidenschaftliche Romantik

In diesen Wirkkreis wurde auch die „Manfred-Symphonie“ von Peter I. Tschaikowski gestellt, die ihre Inspiration aus einer berühmten Heldenfigur des Lord Byron schöpfte. Das Drama rund um den Protagonisten mit Verzweiflung, unglücklicher Liebe, leidenschaftlichem Naturerleben und die Vision der Alpenfee modellierten die Wiener Symphoniker plastisch und mitreißend. Kleine Details und raumfüllende orchestrale Kulminationspunkte wurden mit der gleichen Selbstverständlichkeit und mit einem guten Gespür für die Verhältnisse zwischen Ruhe und Entspannung gedeutet. Kirill Petrenko leitete das Orchester mit bewundernswerter Intensität und einer anschaulichen Gestik. Seine ausdrucksstarke Körpersprache machte die Musik auch für die Zuhörenden auf einer zusätzlichen Erlebnisebene anschaulich und nachvollziehbar.

Musikalisch Stellung beziehen

Arnold Schönbergs  „Ode to Napoleon“, op. 41 stellte den inhaltlichen Höhepunkt des Konzertabends dar. Die sarkastische Textgrundlage „Ode to Napeoleon“ von Lord George Gordon Byron setzte Schönberg im Jahr 1942 kongenial in eine kompositorische Gestalt. Töne, Intervalle und Beziehungen zueinander, Betonungen und Unterstreichungen boten quasi eine musikalische Interpretation des Textes, die seinen expressionistischen Gehalt in seinem Wesenskern verdeutlichte.

Richard Angas rezitierte den Text kraftvoll und mit Bedacht auf viele unterschiedliche Akzentuierungen und Betonungen, so dass sein Vortrag bemerkenswerte musikalische Qualitäten hervorkehrte. Verbunden mit dem aussagekräftigen Klavierpart von Marino Formenti entwickelte sich eine dichte und bewegende Werkdeutung.

Geerdet und mit himmlischer Leichtigkeit

Alle, die den Klarinettisten Martin Fröst einmal gehört haben, vergessen diesen schwedischen Ausnahmemusiker nie mehr. Im Festspielhaus interpretierte er das Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1, op. 73 von Carl Maria von Weber. Martin Fröst wirkt zwar etwas extravagant, aber wenn er zum Spielen ansetzt, zieht er die Zuhörenden unmittelbar in seinen Bann. So mühelos und kernig, mit in sich höchst differenzierten Tonqualitäten, habe ich bislang niemanden Klarinette spielen gehört. Darüber hinaus sind die Themen- und Motivgestalten von Martin Fröst stets körperhafte Gebilde. Schlüssig formulierte er in Webers Klarinettenkonzert die thematischen Linien, stellte die einzelnen Charaktere einander gegenüber und spielte virtuose Läufe zielgerichtet und mit einer Selbstverständlichkeit, die jeden ins Staunen versetzt. So wurde ein altbekanntes Werk erfrischend neu. Die Wiener Symphoniker nahmen sich wohl dosiert zurück, stellten ein gutes Fundament dar und agierten kommunikativ im Wechselspiel mit dem Solisten.

Die Zugaben von Martin Fröst haben es immer in sich. „Let’s be happy“ von Giora Feidman im Arrangement von Göran Fröst, machte seinem Titel alle Ehre.