Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 30. Jul 2021 · Musik

Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch – Michel van der Aa stellte in seiner Filmoper „Upload“ wichtige Fragen und regte zum Weiterdenken an

Die Filmoper „Upload“ des niederländischen Künstlers Michel van der Aa wurde als Liveperformance erstmals im Rahmen der Bregenzer Festspiele gezeigt. Darin wurden existenzielle Fragen nach der physischen und mentalen Kraft des Lebens mit viel Technik, Filmkunst, live gespielter und elektronischer Musik thematisiert. Im Zentrum standen die emotionsgeladene Sopranistin Julia Bullock und der ausdrucksstarke Bariton Roderick Williams. Unter der Leitung von Otto Tausk musizierte das „Ensemble Musikfabrik“ die dicht gesetzte Musik, die über weite Strecken überzeugte, jedoch abschnittweise zu sehr in den Hintergrund abdriftete.

Michel van der Aas Werk „Upload“ wurde als ein mit modernster Technik ausgestattetes Musik- und Filmprojekt angekündigt, das mittels Motion-Capture-Technologie, Filmprojektionen, Live-Videoaufnahmen und fraktaler Kunst als Gesamtkunstwerk Themen des Menschseins und der Überwindung des Todes beschreibt. Diese Vielgestaltigkeit bündelte der Komponist, Librettist und Regisseur zu einem aussagekräftigen künstlerischen Ganzen. Der Plot ist rasch erzählt, die Abgründe und daraus resultierende Fragen tun sich innerhalb der Wirkzusammenhänge der Geschichte auf. Ein Vater begibt sich in eine Klinik, um sich als Menschen unsterblich zu machen, indem er sich „uploaden“ lässt. Er agiert egozentrisch und setzt seine Tochter vor vollendete Tatsachen, überzeugt davon, dass sie mit ihm als immateriellem, aber nun unsterblichem Vater eine Freude hat. Doch wider Erwarten reagiert die Tochter entsetzt, ablehnend und betont, dass ihr die Körperlichkeit und das „Da-Sein“ essenziell wichtig sind. Schließlich erkennt der Vater auch als nur mehr informationsverarbeite Projektion, dass er trotz seiner transhumanistischen Aktion sein lebensbestimmendes Trauma nicht überwinden konnte.
Auf zwei Ebenen erzählt Michel van der Aa die Geschichte in seiner Filmoper. Auf der einen Seite steht die Begegnung des Vaters mit der Tochter. Auf der anderen Seite wird in Form von Videoeinspielungen der Prozess des Uploads in Dokumentarform erläutert. Zuerst regten diese Zuspielungen den Handlungsverlauf an. Die schlagende Pragmatik und Logik der Digitalisierungs- und Uploadspezialistin und des -spezialisten gaben Denkanstöße und zeigten Humor. Beide priesen das Uploading als „nächsten Schritten der Evolution“ an. Doch eben diese Sequenzen wirkten im musikalischen Gesamtgefüge etwas ausufernd und lenkten vom zwischenmenschlichen Konflikt und den Fragen der Tochter im Dialog mit ihrem via Motion Capture auf der Bühne projizierten Vaters ab. Besonders im Hinblick auf das musikalische Erleben wirkte sich dies hinderlich auf die Wirkkraft der Musik aus.

Meinungsverschiedenheiten impulsiv ausformuliert

Michel van der Aa hat für die Tochter und den Vater eine dichte Musik komponiert, die vor allem durch die gute Verbindung von real auskomponierten Passagen und elektronischen Sounds lebte. Mit großer Bühnenpräsenz und stimmlich hervorragend disponiert verkörperten Julia Bullock und Roderick Williams ihre Rollen. Die Musikerinnen und Musiker des Ensemble Filmfabrik unter der Leitung von Otto Tausk spielten die dicht gesetzten Texturen virtuos aus. Besonders die psychologische Ausdeutung der impulsiv sich gegen das Upload ihres Vaters wehrende Tochter und die Replik des Vaters wurden damit prägnant modelliert. Durch die engen Bewegungsmuster, dominanten Tonrepetitionen und den markanten Einsatz der Perkussion nahm die Beklemmung viel Raum ein und erhöhte die Spannung. Während der Dokumentation der klinischen Vorgänge mutierte die Musik hingegen zur Staffage und in einigen fraktalen Videozuspielungen drifteten die sich episch dehnenden musikalischen Bögen sogar ins Klischee ab.
Wohltuend bescheiden innerhalb des künstlerischen Geschehens wirkte die zugrundeliegende innovative und aufwendige Technik. Die verschiebbaren Videoleinwände strukturierten die Bühne und gaben Raum- und Zeitperspektiven frei. Auf diese Weise eingesetzt, beeindruckte das Gesamtkonzept von Theun Mosk (Bühne, Licht), Madelon Kooijman und Nils Nuijten (Dramaturgie), Joost Rietdijk (Bildregie), Darien Brito (Motion capture, Echtzeitgrafik) und Julius Horsthuis (fractal artist).