Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 12. Nov 2015 · Musik

Ein Klangmagier und sein Orchester – Iván Fischer und das Budapest Festival Orchestra bescherten dem Publikum ein erfrischendes Meisterkonzert

Die Bregenzer Meisterkonzerte trumpften mit hervorragenden Musikern und einem exklusiven Konzertprogramm auf. Das Budapest Festival Orchestra (BFO) musizierte unter der Leitung von Iván Fischer geistreich und voller Lust am gemeinsamen Gestalten Werke von Prokofjew und Strawinsky. Im Mittelpunkt stand der Geiger Thomas Zehetmair, der mit seinem facettenreichen Spiel und seiner Deutung des zweiten Violinkonzertes von Sergej Prokofjew Begeisterung auslöste.

Iván Fischer ist Gründer und künstlerischer Leiter des Budapest Festival Orchestra und wohl auch deshalb war das große Einverständnis zwischen den Musikern und dem Dirigenten von Anfang an spürbar und die entspannte Konzertatmosphäre ermöglichte fantasiereiche Werkdeutungen. Darüber hinaus machte die kluge Werkauswahl interessante Vergleiche zwischen den beiden Komponisten Prokofjew und Strawinsky möglich.

Zuerst stand die Ouvertüre über Hebräsche Themen, op. 34 von Sergej Prokofjew auf dem Programm. Eine nette Geste zeigte, dass sich die Musiker des BFO und Iván Fischer auch um Publikumsnähe und eine unmittelbare Interpretationskunst bemühten. Denn mitten aus den Reihen des Orchesters trat der Klarinettist spielend nach vorne und alle zusammen zelebrierten die Musik der beredten Klarinette in diesem wirkungsvollen Werk. Dazu schaukelte Iván Fischer mit Rubati (Temposchwankungen) den musikalischen Fluss immer wieder auf, sodass die jüdischen Themencharaktere gut in Szene gesetzt wurden.

Feinsinnig verästelt


Thomas Zehetmair spielt seine Geige wie kaum ein anderer, jeder Ton wird bis ins kleinste Detail nuanciert in den melodischen Fluss eingebettet. Mit einer bewundernswerten Pianokultur steigert er die Spannung, eine präzise Artikulation ist selbstverständlich und individuell zieht er die Phrasierungsbögen in seinen Werkdeutungen. So betonte er in Prokofjews zweitem Violinkonzert vor allem den erzählenden Charakter mit einer bewundernswerten inneren Stringenz. Zehetmairs genaue Spielart ließ es zu, auch die komplizierten Doppelgriffe wie selbstverständliche Tonlinien mit einer großen Natürlichkeit zu entfalten. Gemeinsam mit dem Orchester, das den Solisten auf Händen trug, entwickelte sich ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Im langsamen Mittelsatz erklangen feinsinnige Dialoge und Imitationsmuster sowie gut instrumentierte Begleitfloskeln, während im tänzerischen Schlusssatz die pausenlos treibenden Tongirlanden sehr klar strukturiert und perlend herauskristallisiert wurden.

Atemberaubend stellte Thomas Zehetmair als Zugabe den 2. Satz aus der Solosonate für Violine von Karl Amadeus Hartmann in den Raum.

Bluff, Zitate und überraschende Wendungen


Amüsant war Strawinskys Ballett „Jeu de cartes“ mitzuverfolgen. Der Komponist selbst liebte das Pokern und so setzte er diesem Spiel mit seinem Ballett ein Denkmal. Auch in Form eines Orchesterwerkes machte das Pokern Spaß. Das BFO hatte die witzige Idee, jeweils den Clou jeder Partie mit übergroßen Karten darzustellen. Iván Fischer zeigte sich richtig begeistert von seiner Rolle als Joker. Lustvoll zelebrierten die Musiker auch die in die Musik eingebauten Zitate.

Kino im Kopf


Als Höhepunkt erklang schließlich Strawinskys Suite zum „Feuervogel“. Spannend und geheimnisvoll kostete das Orchester die Eingangspassage aus, stellte damit eine große Erwartungshaltung her und implizierte ein musikalisches Kino. Rhythmisch prägnant und poesievoll artikuliert erklangen die vielgestaltigen Farben des Orchesters. Seine ganze Meisterschaft zeigte Iván Fischer auch in dieser Darbietung und man erlebte seine Faszination beim Modellieren des Orchesterklanges. Die Pianokultur und die Ruhe, mit der die Musiker die Berceuse entfalteten, sucht seinesgleichen.

Im Grunde genommen sind Zugaben übrig, wenn sie aber eine so schöne Überraschung in sich bergen wie dieses Mal, sind sie höchst willkommen. Als Dank für den begeisterten Applaus sangen! die Orchestermusikerinnen und –musiker den russisch-orthodoxen Kirchengesang „Sviet Tichi“ von Alexander Archangelskova. Mit dieser Darbietung setzten sie dem niveauvollen Konzertabend die Krone auf.