Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Fritz Jurmann · 24. Dez 2010 · Musik

Die Seele aus dem Leib gespielt – Der Big Band Club Dornbirn begeisterte beim Götzner Jazz Xmas durch fetzige Rhythmen und mitreißende Spielfreude

Es war auch diesmal schwer genug für die zahlreichen Freunde und Fans des Big Band Clubs Dornbirn, in der Götzner Kulturbühne AmBach einen Abend lang ruhig sitzen zu bleiben. Denn die mit ihren 42 Jahren älteste Big Band des Landes unter der Leitung von Josef Eberle überraschte beim traditionellen Jazz Xmas am Tag vor Heiligabend wieder mit einem komplett neu einstudierten Programm und begeisterte durch fetzige Rhythmen und mitreißende Spielfreude.

Leaderfigur von beeindruckender Coolness

Der 1987 unter tragischen Umständen ums Leben gekommene Dornbirner Musiker Peter Schweizer begann 1968 in einer Schar Gleichgesinnter mit einer klassischen Big Band auf Vereinsbasis. Sein Nachfolger Paul Böckle führte die Band von 1987 bis 2006, seit 2007 steht Josef Eberle am Pult. Er kommt eigentlich aus der Blasmusikszene, wurde aber durch seine beiden prominenten Söhne längst mit dem Jazzvirus infiziert und spielte auch bereits in der Formation von Peter Schweizer die Trompete. Er ist somit eine Art Bindeglied in die stets hoch gehaltene Vergangenheit dieses Vereins. Eberle ist beruflich Direktor der Musikmittelschule Dornbirn, seine intensive Befassung mit den Spezifika des Big Band-Sounds machen ihn heute zu einer Leaderfigur von beeindruckender Coolness und abgebrühter Kompetenz.
Natürlich hat sich das Bild der Band in diesen über vier Jahrzehnten deutlich gewandelt, unverändert geblieben aber sind die langjährige Treue vieler Musiker – so übt Gründungsmitglied und Langzeit-Trompeter Gerd Hämmerle bis heute das Amt des Kassiers aus –, aber auch die Begeisterung der Musiker für die Sache und den Sound und schließlich ihr Idealismus. Dieser reine Männerverein spielt bloß fünf Konzerte pro Jahr. Und obwohl sich heute darin durchwegs gestandene Jazzmusiker des Landes von absolut professionellem Format finden, bekommt keiner eine Gage, nicht einmal der Bandleader, wie Obmann Klaus Peter bei seiner Begrüßung betonte. Die eingespielten Gelder fließen vielmehr in die Anschaffung neuer Arrangements und von technisches Equipment sowie in notwendige Probenwochenende mit Hotelunterbringung und Verpflegung der Musiker.

Entwicklung vom Swing zu aktuellen Trends

Weit deutlicher ist die Entwicklung im musikalischen Bereich verlaufen. War in den Gründungsjahren noch der Swing im Fahrwasser von Bands wie Glenn Miller, Count Basie oder Benny Goodman die allgegenwärtige Maxime des Tuns, so ist die Band inzwischen mit kompakten Arrangements auch aus den Bereichen Latin, Funk und Rock längst im aktuellen internationalen Trend gelandet. Nur die Eröffnungsnummer des Abends, „Sing Sang Sung“ aus dem Repertoire von Benny Goodman, freilich in einem moderneren Gewand, erinnert noch an die Anfänge. Dann geht es Schlag auf Schlag: „Warp 9“, gespielt „in Lichtgeschwindigkeit“ (Klaus Peter), dass einem fast der Atem wegbleibt, fordert vor allem die fünf Saxophonisten zu abenteuerlichen Eskapaden und bringt zum ersten Mal den Trompeter Martin Eberle als special guest auf die Bühne. Unglaublich seine Virtuosität am Instrument und sein musikalischer Einfallsreichtum in der Improvisation.
Das rockig arrangierte „Deck the Halls“ führt zum Latin-Titel „A Mis Abuelos“, in dem Gitarrist Markus Holzmaier mit warmen Flamenco-Impressionen und der Großwalsertaler Musikschuldirektor Martin Franz am solistischen Altsax ihren großen Auftritt haben. Ebenso wie der kompakte Trompetensatz, in dem Markus Weiss als „High Notes Player“ für die strahlenden Spitzentöne zeichnet. Eine Klasse für sich ist der Showman der Band, der Deutsche Thomas Gertner, der als Leader der „Bones“, also des weichen Posaunenregisters, und exzellenter Solist auf diesem Instrument bereits viele Bewunderer hat. Als launiger Moderator und ungemein variabler Sänger jedoch übertrifft er alles. Und es ist ganz große Klasse, wie er einen softigen Schmusesong wie „That’s all“ als Liebeserklärung an die Damen im Saal performt und im nächsten Lied, Toots Thielemans „Bluesette“, zu unglaublichen gesanglichen Skat-Eskapaden in bester Ella-Tradition ansetzt, unterstützt auch von der stabilen Rhythm-Section mit Allzeit-Drummer Adi Baumgartner als Solist.

Das Wagnis Friedrich Gulda

Im Zentrum des Abends aber steht, man glaubt es kaum, eine Komposition des großen Friedrich Gulda, seine viertelstündigen „Variations for Two Pianos and Band“. Der zeitlebens exaltierte Musiker ist in der Behandlung der Bläser, vor allem aber im Part der beiden Solisten in seiner typischen Art sehr gut erkennbar, brillant zwischen Duett und Duell umgesetzt am E-Piano von Band-Pianist Stefan Schnell und als zweitem special guest am Flügel von Benny Omerzell – ein faszinierend schillerndes Werk zwischen Jazz-Waltz und Swing mit lyrischem Mittelteil in absolut gültiger Wiedergabe!
Das Publikum ist ein kundiges, geht vom ersten Moment an begeistert mit, klatscht an den richtigen Stellen und genießt den Abend sichtlich, während die „da oben“ zu großer Form auflaufen und sich die Seele aus dem Leib spielen. Zum absoluten Wohlbefinden der Zuhörer trägt auch der mit großem Feingefühl abgemischte Saalsound bei. Die zweite Zugabe, ein ordentlich verjazztes „O Tannenbaum“, bedeutet dann auch den Schlusspunkt dieses besonderen vorweihnachtlichen Abends.