Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Thorsten Bayer · 26. Jul 2010 · Musik

Die netten Melancholiker von nebenan - Nada Surf beim Feldkircher poolbar-Festival

Es ist schwer, diese Band nicht zu mögen. Als die Verantwortlichen des Feldkircher poolbar-Festivals Nada Surf vorschlugen, die üblichen 75 Minuten zu spielen, hatten die drei New Yorker etwas dagegen: Eine halbe Stunde länger sollte es schon sein.

Am Ende ihres begeisternden Sets fordert Sänger und Gitarrist Matthew Caws noch einen Extra-Applaus für die Vorgruppe Velojet. Diese zusätzliche Aufmerksamkeit haben die Musiker absolut verdient: Die jungen Wiener haben sehr druckvollen Indie-Gitarrenrock, immer wieder durch elektronische Klänge unterstützt, gespielt. Vor allem Bassistin Marlene Lacherstorfer riss die Zuschauer im ausverkauften Alten Hallenbad mit ihrer Energie mit. Die Bühne für Nada Surf, seit Mitte der 90er-Jahre und dem Hit „Popular“ eine der Konstanten der internationalen Alternative-Szene, ist nun frei.

Neues Album mit Coverversionen

Bei den ersten Songs stimmt die Abstimmung noch nicht ganz, der Bass von Daniel Lorca ist zu laut, die Gitarre zu leise. Nach 20 Minuten sind die Startschwierigkeiten behoben, rechtzeitig zum ersten Höhepunkt des Abends, einer Coverversion von Kate Bushs „Love And Anger“. Das neue Album von Nada Surf heißt „If I Had A Hi-Fi“, lässt sich als Palindrom vor- und rückwärts lesen und besteht ausschließlich aus Coverversionen. Bei der Songauswahl stehen einige große Bands wie Depeche Mode einem Großteil unbekannterer Künstler gegenüber. „Das war ein demokratischeres Album als sonst“, sagt Caws, der normalerweise die meisten Songs schreibt: „Jeder kam mit einer Menge Ideen, welche Stücke wir auswählen sollen. Letztlich spiegelt aber auch diese CD, wie wir zu diesem Zeitpunkt drauf waren – eigentlich genau so wie bei einem Album mit eigenem Material.“

„Weniger überrascht, unglücklich zu sein“

Die intensivsten Live-Momente bei Nada Surf kommen mit den Balladen, die von Caws´ klarer, heller Stimme getragen werden – so auch in Feldkirch. Greifbarer als im Song „80 windows“ kann Verzweiflung kaum werden: „I feel far away from you / So what else is new? / The moon is closer to the sun / Than I am to anyone.“
Über die Jahre ist die Melancholie in der Musik von Nada Surf etwas gewichen – die letzten Alben wie auch „Lucky“ (2008) klingen fröhlicher, poppiger als ihre Vorgänger. Wie ist diese Entwicklung zu erklären? „Bei den Aufnahmen zu 'Lucky' war ich gerade in einer Beziehung, was bei mir nicht gerade der Regelfall ist“, blickt Caws zurück: „Ich würde aber nicht sagen, dass ich im Laufe der Zeit ein glücklicherer Mensch geworden bin. Aber abgeklärter: Ich bin heutzutage weniger überrascht, wenn ich mal unglücklich bin.“

Traurig-schöne Hymnen neben schnörkellosem Rock

Auf der Bühne gelingt Nada Surf der Spagat zwischen traurig-schönen Hymnen einerseits und schnörkellosem Rock andererseits, den sie vor allem gegen Ende des Konzerts forcieren, unter anderem bei „Popular“. Seit 15 Jahren spielt die Band in der gleichen Besetzung, die Harmonie ist deutlich spürbar. Dabei wirken sie jedoch nicht zu routiniert, sondern einfach sicher, spielfreudig und unprätentiös in ihrem Auftreten. Unterstützt werden sie auf dieser Tournee von Martin Wenk, Mitglied der US-Wüstenrocker Calexico, der mal Gitarre, mal Keyboard und am schönsten Trompete spielt.
Nada Surf nimmt sich selbst nicht so wichtig, was auch schon am Namen deutlich wird. Eigentlich hatten die beiden Schulfreunde Lorca und Caws keine großen Pläne. „Diese Band war zunächst ein unambitioniertes Projekt“, sagt Caws. Lorca, ursprünglich aus Spanien stammend, schlug folgerichtig den Namen „Nada“; also „nichts“ vor. Man einigte sich schließlich, noch „Surf“ anzuhängen. „Das klingt danach, in der Luft zu schweben – ein passendes Bild“, findet der Frontmann.

Neues Album wahrscheinlich 2011

Im September will sich Caws in sein neu eingerichtetes Studio in Brooklyn zurückziehen, um neue Songs zu schreiben. Seine Bandkollegen sollen dann im Oktober dazustoßen, so dass das neue Album „in einer perfekten Welt im Frühjahr, in einer unperfekten, wahrscheinlicheren Welt aber später erscheint“, wie der Sänger schmunzelnd erzählt. Ein weiteres Nada-Surf-Album ist auch schon in Vorbereitung – obwohl die drei damit gar nichts direkt zu tun haben. Es handelt sich um eine ungewöhnliche Form von Cross-Promotion. „If I Had A Hi-Fi“ heißt nicht nur die aktuelle Produktion von Nada Surf, sondern auch eine andere Band. Als diese von dem Titel hörte, reagierte sie nicht mit Beschwerde oder gar Klage – sondern mit dem Angebot, ihr nächstes Album „Nada Surf“ zu nennen. Auch diese Anekdote passt irgendwie gut ins Bild der netten Jungs von nebenan.