Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 29. Mai 2012 · Musik

Das Schlitzohr und die Gutgläubigen – Gerold Amanns Musiktheater „Die Vögel“ wurde mit großem Erfolg in Völksen nahe Hannover zur Uraufführung gebracht

In der schönen Kulisse eines ehemaligen Steinbruchs wird derzeit das Musiktheater „Die Vögel“ von Gerold Amann sehr erfolgreich gezeigt. Das Kulturzentrum „Hermannshof“ liegt nahe Hannover. Dort hat Gerold Amann in Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Leiter Eckhart Liss bereits vor einigen Jahren groß angelegte Projekte realisiert. Für die Aufführung der „Vögel“ wurde eine arenaförmige Mulde inmitten eines Waldes extra adaptiert. Engagiert setzten die SchauspielerInnen und SängerInnen das anspruchsvolle Werk um. Hervorragend wirkten alle Akteure zusammen, sodass die musikalische Komödie nach der Textvorlage von Aristophanes humorvoll auf den Punkt gebracht wurde.

Der Clou von Gerold Amanns Musiktheater „Die Vögel“ besteht darin, dass die Bühnensprache Altgriechisch ist, zahlreiche ProtagonistInnen in Form von Interjektionen kommunizieren und als tragende Stütze des Geschehens ein Vokalquartett fungiert. Nonverbal und mittels Ausdrücken, die jede und jeder kennt, wie „Ah“, „Mhm“, „Ts, ts, ts, ts“, werden Konversationen geführt und nachvollzogen. Sprachmelodien und Laute, sprachliche Einwürfe, Naturlaute wie Vogelgezwitscher, Umweltgeräusche und Gesang werden zu einem musikalischen Ganzen geformt.

Der Traum von der Macht

Unterhaltsam wird dargestellt, wie Piros die Vögel dazu verleitet, einen eigenen Vogelstaat zu gründen, der sich genau zwischen der Götterwelt oben und den Menschen unten befindet. Doch Piros ist ein Schlitzohr, stets nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Er liebt vor allem Vogelfleisch, doch das bemerken seine begeisterten Anhänger nicht sogleich. Emsig bauen und gründen sie ihren eigenen Staat, „Nephelokokkygia“ (Wolkenkuckucksheim) mit Piros als oberstem Chef. Nun ist es den Vögeln möglich, den Kontakt zwischen den Menschen und den Göttern mitzubestimmen und zu kontrollieren. In den einzelnen Szenen werden typische Situationen dargestellt, die die Machtverhältnisse klarstellen.

Unterhaltend war der Landvermesser am Werk, der Aufbau des Vogelstaates verlief nicht ohne Pannen. Aufhorchen ließ die Szene, als die Göttin Iris von Tereus gestoppt und nicht mehr zu den Menschen durchgelassen wird. Amüsant wirkte eine Begegnung eines wichtigtuerischen Schleimers, der mit einer Politesse anbandeln wollte. Als Herakles und Poseidon bei Piros vorsprachen, war es für Piros ein Leichtes, den „gefräßigen" Herakles mit gebratenem Vogelfleisch auf seine Seite zu bringen. Um noch mehr Macht zu gewinnen, fordert Piros die Göttin Basilea als Frau und er erhält sie. Zahlreiche fantasievolle Anspielungen boten den ZuschauerInnen viel Freiraum für eigene Assoziationen und Interpretationen.

Schauspiel und Gesang

An die SchauspielerInnen Martin G. Kunze (Piros), Mirko Köster (Tereus), Gerd Kreuse (Prometheus), Christa Assel (Politesse), Erwin Delekat (Meton), Hartmut Zilse (Schleimer) und Christa Schneider (Wahrsagerin) wurden sprachlich und darstellerisch enorme Anforderungen gestellt. Sie sind jeweils ihrem Typ entsprechend gut besetzt und wirkten überzeugend.

Getragen wurde das Musiktheater von den vier GesangssolistInnen Johanna Weiß (Iris), Maja Wolniak (Basileia), Arne Hellberg (Herakles) und Hermann Waltsgott (Poseidon). Sie interpretierten die virtuos gesetzten Vokalquartette mit einem homogenen Gesamtklang, exakter Linienführung und textdeutlich. Vor allem diese Passagen gliederten das kurzweilige Werk und verliehen den einzelnen Szenen gut aufeinander abgestimmte Zensuren.

Einige Abschnitte bereicherte Gerold Amann mit musikalischen Details, beispielsweise mit einem Echo (Sonja Sandig, Luise Schaefer) auf den Gesang der Iris oder Wechselgesängen zwischen dem Priester (Andreas Gudewitz) und dem Chor.

Chor der Vögel

Die Vögel wurden vom Gesangsverein AUGUSTA (Leitung: Tamara Gliserin) dargestellt, erweitert durch sechs Grazien, die teilweise solistische Passagen sangen. Durch seinen spielerischen Zugang belebte der Chor die Aufführung. Die Kommunikationsform der ChorsängerInnen waren Interjektionen und die damit verbundenen Ausdrucksgehalte. Sie agierten stets in Gruppen und mit viel Bewegung. Emotionale Zustände wie Freude, Euphorie, Ablehnung oder Ärger kamen humorvoll zur Geltung. Besonders in Erinnerung blieb die abschließende Szene, der eine Birkhahnbalz als musikalischer Ausgangsgedanke zugrunde lag.

Initiator und Hauptverantwortlicher

Eckhart Liss leistete nicht nur als Hauptorganisator ganze Arbeit, sondern beeindruckte auch als Flötist und Darsteller. In den musikalischen Gesamtverlauf waren Bandzuspielungen des Hörspiels „Fabel“ von Gerold Amann eingearbeitet sowie ein Nachtigallengesang, den Eckhart Liss interpretierte. Bei der ausverkauften Aufführung am Pfingstsonntag spielten nicht nur die menschlichen ProtagonistInnen ihre Rollen gut. Weil sich die Aufführungsarena mitten in einem Waldstück befindet, musizierten und sangen die heimischen Vögel während der gesamten Aufführung herrlich dazu und bereicherten damit das Gesamterlebnis maßgeblich.

Szenische Aufbereitung

Das Musiktheater wurde szenisch aufbereitet, doch eine professionelle Regie und Choreografie hätten dem Werk zusätzliche Anreize geben können. Es ist zu hoffen, dass das Musiktheater „Die Vögel“ in nächster Zeit auch in Vorarlberg zu erleben sein wird. Gerold Amann hat in diesem Werk zahlreiche seiner originellen Ideen prägnant gebündelt und auf seine individuelle Weise aussagekräftig auf den Punkt gebracht.

Weitere Informationen: www.hermannshof.de