Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Ionian · 30. Mai 2012 · Musik

Anarchie und Romantik – ein Tanzspektakel zu Balkan-Pop

Man kann einen Hochgeschwindigkeitszug auch mit Dampfkraft betreiben. Er bewies das mit Nachdruck und kam so schnell zur Sache, wie man von Stefan Hantel auf Shantel kommt. Mit seinem Bucovina Club Orkestar löste er im Sohm das große Zappeln aus.

Das Conrad Sohm wartet heuer unter neuer Führung gleich schon mit dem ersten Streich auf: Kultursommer. Die nächsten Monate stehen im Zeichen des neuen Fahrplans und darauf stehen jede Menge Konzerte aus allen Richtungen und hochkarätige Clubnights.

Zögerlicher Start

Ab 20 Uhr war Shantel auf der interimistischen Website des Prachtclubs angekündigt und kurz nach zehn legte er dann wirklich los. Dementsprechend gespannt waren die Leute schon, aber noch nicht locker. Man hatte sich was überlegt für die „Anarchy and Romance"-Tour, die seit letztem Jahr andauert, zumindest gab es gleich schon zum Einzug ein Intro vom Band. Das sollte die Stimmung auf den Höhepunkt bringen. Hat nicht ganz geklappt. Aber kaum wurde die erste Saite angeschlagen, ging es richtig los.

Eindringlich und tanzbar

Strahlende Gesichter betraten die Bühne. Das Signal war eindeutig: Freut euch und lasst uns gemeinsam Spaß haben. Shantel gilt als der Begründer des österreichischen Balkan-Pop-Booms. Er brachte so viel Gas in seine osteuropäische Tanzmusik, dass man getrost nur jeden vierten Schlag tanzen konnte und dennoch ins Schwitzen kam. Der Schlagzeuger konnte einem leidtun, ackerte er doch vom Anfang bis zum Ende durch. Und wenn mal kurz Tanzpause war, dann durfte man die umwerfenden Gesangssolos der hübschen Vokalistin mit Applaus belohnen. Sie hat dem Entertainer manchmal regelrecht die Show gestohlen. So spielte sich Shantels Bucovina Club Orkestar durch Balkanbeats, Ska und Reggae und sogar 60’s Garage-Rock-Muster. Immer getragen von eingängigen Bläsersätzen.

Gute Gesellschaft

Bucovina steht für die guten Instrumentalisten des Balkan-Pop. Also wurde getanzt, bis sich die Bretter bogen, nur mit dem Mitsingen hatten es die Vorarlberger nicht so. Shantel hatte sich vielleicht etwas mehr erwartet, wenn er als DJ im Sohm auflegt, ist immer rammelvoll. Nichtsdestotrotz verbrachte er in der zweiten Konzerthälfte grad so viel Zeit vor der Bühne wie auf ihr. Er tanzte mit den Dornbirnerinnen und rangelte mit den Dornbirnern. Das machte natürlich ganz schön Aufsehen und plötzlich wurden allerorts IPhones in die Höhe gestreckt. Das wollte man festhalten. Die Stimmung war gut und verschwitzt, aber das mit dem Mitsingen sollte bis zum Schluss nicht klappen. Schade eigentlich, denn der Auftritt wurde mitgeschnitten.

Spitzensound

Das alles hätte nur halb so viel Spaß gemacht, wäre der Sound nicht so lupenrein daher gekommen. Die neue Tonanlage im Sohm kann sich hören lassen. Und auch der Techniker wusste, was er tat. Teilweise bretterten acht Instrumente und drei Stimmen durch die Röhren. Und alles klang gut definiert, druckvoll und angenehm. Verschwitzt und zahlreiche Zugaben später endete das Tanzspektakel kurz vor Mitternacht und Shantel hatte mit seinem Bucovina Club Orkestar als Liveact seine Qualität bewiesen.

Tourmarathon

Sie waren den ganzen Mai ununterbrochen auf Tour. Vorgestern in den Niederlanden, gestern in Reutlingen, heute hier, morgen in Innsbruck und tags drauf in Salzburg, dann wieder in die Schweiz. Diesem Rhythmus bleiben sie den ganzen Sommer lang treu. Und auch wenn es hier im Ländle ein Dienstagabend nach dem langen Wochenende war – schön, dass das Conrad Sohm inzwischen fixer Bestandteil der Routenplanung ist. Es hat ja schon Tradition, dass Stefan Hantel am Abend vor Weihnachten im Sohm die Platten auflegt. Dass aber an diesem Abend in voller Besetzung mit seinem Bucovina Club Okestar weniger Gäste aufgetaucht sind als zu seinen Soloshows, ist verwunderlich. Denn live bringen sie schon nochmal eine andere Qualität auf die Bühne. Am Preis kann es auch nicht gelegen haben. Wahrscheinlich waren alle im Pfingsturlaub und starteten gerade in eine neue Arbeitswoche. Man wird sich doch nicht schon an ihm sattgehört haben?