"Die Sterne" im Spielboden Dornbirn: Frontmann Frank Spilker und Philipp Janzen an den Drums (Foto: Stefan Hauer)
Silvia Thurner · 31. Jul 2011 · Musik

Aus Lebenssituationen heraus geschöpfte kompositorische Inspiration – KAZ bot Einblicke in die faszinierende Tonwelt des amerikanischen Komponisten und Instrumentenbauers Harry Partch

Harry Partch (1901-1974) ist einer der interessantesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er lebte als sogenannter ‚Hobo’ auf Wanderschaft in Amerika, wandte sich gegen tradierte musikalische Konventionen und kreierte seine eigene Welt, die zahlreiche Komponisten inspiriert. Die zwölf Halbtöne innerhalb einer Oktave genügten Harry Partch beileibe nicht für seine Musik. In dreiundvierzig Tonschritte teilte er die Oktave und baute für seine Musik eigene Instrumente. „Kunst aus der Zeit“ bot vielschichtige Einblicke in das Schaffen von Harry Partch. Allerdings waren die Werke nicht in originaler Gestalt, sondern in den Bearbeitungen des Komponisten Tim Mariën zu hören. Höchst beeindruckend musizierte das „ICTUS Ensemble“ aus Brüssel.

Harry Partch war ein Außenseiter der Gesellschaft, seine künstlerischen Inspirationen sammelte er im täglichen Leben, aus Graffiti, Plaudereien mit anderen Weltenbummlern, Tagebüchern und vielerlei Umweltgeräuschen. Mit seinem spezifischen mikrotonalen Tonsystem schuf er eine fein abgestimmte Musik, die der menschlichen Sprache mit ihren unzähligen emotionalen Schattierungen sehr nahe steht. Das ICTUS Ensemble mit Michael Schmid (Stimme und Flöten), Gerrit Nulens (mikrotonale Marimba, Schlagzeug), Tom Pauwels (mikrotonale Gitarre, Zither und Banjo), Daniel Ploeger (Posaune) und Jean-Luc Plouvier (mikrotonales Klavier und mikrotonales Harmonium) tauchte ausdrucksstark in die Welt des Komponisten ein und nahm das Publikum mit auf die Reise.

Nicht alltägliche Hörerfahrungen

Die vierteilige Komposition „The Wayward“ stand im schönen Ambiente des Seestudios auf dem Programm. Das englische Wort „Wayward“ bedeutet soviel wie „eigensinnig“, „launisch“ oder „widerspenstig“. Das Werk selbst spiegelte originell und in mehrerlei Hinsicht facettenreich die musikalische Gedankenwelt von Harry Partch wider. Schon im ersten Stück „The Letter“ kamen die stets präsente Ironie und Distanziertheit zur Geltung. Auch das Werk „Barstow“, das auf Graffitis vorbeiziehender Autostopper beruht, entfaltete diesen Geist. Mit der Einbindung von Folksongs wirkten die Lieder erdig und nahe an der Realität. Allerdings rief die spezifische harmonische Struktur der Musik eine ganz eigenwillige Stimmung hervor. „San Francisco“ beinhaltete emotionale Zustandsbeschreibungen zwischen Melancholie, Einsamkeit und Zuversicht. Gut nachvollziehbar wurden die 20er Jahre während der Depression in Amerika herauf beschworen.

Eigenwillig und ausdrucksstark

Den Höhepunkt des Abends stellte das Werk „U.S. Highball“ dar, ein Hauptwerk von Harry Partch. Quasi als Hörspiel war die theatralisch angelegte  Komposition zu erleben, denn alle Musiker waren auch als Sänger aktiv. Die Verteilung der charakteristischen Stimmen war Grundlage für ein musikalisches Rollenspiel, das die Zuhörenden in seinen Bann zog. Dargestellt und beschrieben wurde eine lange Reise auf Güterzügen, quer durch das Land. Unterschiedliche Stimmungen sowie die Texte, ergaben ein musikalisches Ganzes, das die äußere und innere Weltsicht des Reisenden beschrieb.

Im Geiste des Komponisten

Tim Mariën hat die Werke von Harry Partch bearbeitet, weil die Originalinstrumente nicht transportiert werden können. Im Sinne des Harry Partch wurde die Intonation erarbeitet. Ein Blick auf YouTube bestätigt, dass die originalen Besetzungen mit den außergewöhnlichen Instrumenten eine zusätzliche Komponente beinhalten.

Im Geiste des Harry Partch komponierte Tim Mariën das Werk „Toeenwas“ für Flöte, Posaune, Gitarre, Klavier, Orgel und Schlagzeug. Die Musik entwickelte einen ausdrucksstarken Bewegungsfluss und eine beziehungsreiche Spannung zwischen den unterschiedlichen Tonqualitäten.