Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 04. Jul 2021 · Musik

Aus Klangballungen das Feine herausgeschält – ein imponierendes Konzert mit dem Ensemble Plus unter der Leitung von Thomas Gertner

Für die Aufführung von zeitgenössischer Musik kann man sich kein schöneres Ambiente als die Wohnzimmeratmosphäre in der Bludenzer Fabrik Klarenbrunn wünschen. Genau dort fand das zweite Sul Palco Konzert des Ensemble Plus statt. Präsentiert wurden zwei komplexe Kompositionen von Samuel Andreyev und Dominique Schafer und zwei kontrastierende Werke der Vorarlberger Komponisten Georg Furxer und Raphael Lins. Das Ensemble Plus unter der Leitung von Thomas Gertner musizierte in einem guten Einvernehmen und klanglich hervorragend aufeinander abgestimmt.

Raphael Lins schloss im vergangenen Jahr sein Kompositionsstudium bei Herbert Willi am Vorarlberger Landeskonservatorium ab und studiert derzeit an der Universität in Wien Tontechnik. Mit Orchesterwerken lenkte er bereits die Aufmerksamkeit auf sich. Auch deshalb war die Erwartung an das neueste Werk groß, das im Auftrag des Ensemble Plus entstanden ist und nun zur Uraufführung gelangte. Die große Besetzung für Streichquintett, Querflöte, Klarinette, Fagott, Horn und Trompete ließ zwar orchestrale Klangflächen zu, doch über weite Strecken waren die Instrumentalfarben kammermusikalisch gesetzt und in vielen unterschiedlichen Kombinationen zu hören. Raphael Lins nannte sein Werk „Plusquamperfekt“. Obwohl der Werktitel in der deutschen Sprache die Bezeichnung für die Vorvergangenheit ist, bezweckte der Komponist mit diesem Titel im Hinblick auf die musikalische Gestaltung keine Assoziationen.

Neunteilig ist das 20-minütige Werk angelegt, das als Ganzes betrachtet, sehr heterogen wirkte. So gliederten sich drei separierte Sätze in jeweils drei Teile, die wiederum in der Folge, schnell, langsam, schnell angelegt waren. Signalartige Motive, Wechseltonlinien und Akkordzerlegungen sowie rhythmisierte Tonrepetitionen bildeten wesentliche musikalische Grundmaterialien für den abwechslungsreichen musikalischen Verlauf. Energisch sich entwickelnde kantige Gesten und rhythmisierte Linien bewirkten vorwärtsdrängende Flächen, die in lyrische Passagen geführt wurden, in denen oftmals das Horn weitschweifende Kantilenen ausbreitete. Einige musikalische Felder verströmten eine naturhafte Atmosphäre, andere wiederum öffneten weitläufige Tonräume und nahmen den Charakter von Filmmusik an. Markante musikalische Floskeln bildeten zusammenhangstiftende Klammern zwischen den Abschnitten. Am meisten überzeugten jene Passagen, in denen ein brodelnder Klanggrund und zurückhaltend eingesetzte Tonballungen eine große Erwartungshaltung aufbauten.

Einen ganz anderen Charakter hatte das 2004 entstandene Werk „Farewell“ von Georg Furxer. Der 1981 in Dornbirn geborene Musiker und Komponist lebt derzeit in Australien und arbeitet an seiner Dissertation. Aus der Stille heraustretend intonierte das Klavier musikalische Tonfolgen, die vom Streichquintett weitergetragen, aufgefächert und klanglich variiert wurden. So entfaltete sich eine meditative Musik, die zum Nachhören- und Nachempfinden unterschiedlicher Klangqualitäten in den Streichinstrumenten sowie im Klavier einlud.

Dicht gesetzte Werke

Imponierend interpretierte das Ensemble Plus Samuel Andreyevs Werk „La pendule de Profil“ für Bassetthorn, Fagott, Bratsche, Violoncello und Kontrabass. Die eher dunklen Klangfarben und die unterschiedliche Körperlichkeit musikalischer Linien bewirkten eine große unterschwellige Spannung, die sich in unterschiedlichen Konstellationen aufreizten und schließlich in einem Solopart des Bassetthorns mündeten.

Eine expressive Ausdruckskraft verströmte auch das Werk „Anima“ von Dominique Schafer. Dabei trafen konträre Klangfelder aufeinander und traten in Korrespondenz zueinander. Engmaschine Floskeln wanderten durch die Streichinstrumente und das Klavier, tauschten die Rollen und bildeten intensive kontrapunktische Dialogmuster aus.

Das Ensemble Plus mit Michaela Girardi und Anita Martinek (Violine), Guy Speyers (Viola), Detlef Mielke (Violoncello) Benedikt Huber (Kontrabass), Hauke Kohlmorgen (Klarinette), Matthew Smith (Fagott), Anja Nowotny-Baldauf (Querflöte), Roché Jenny (Trompete), Martin Schöch (Horn) und Martin Gallez (Klavier) mit Thomas Gertner beeindruckten durch ihre Vielseitigkeit, ihr bedachtes Reagieren aufeinander und das energiegeladene Musizieren. So kamen die vier sehr unterschiedlich angelegten Kompositionen auf ihre jeweils spezifische Art zur Geltung.