Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 20. Nov 2016 · Musik

Aus jeder Faser leidenschaftlich sprechende Musik heraus kristallisiert – Händels „Messias“ bei den Montforter Zwischentönen war eine großartige Erfahrung

Zum Finale der aktuellen Ausgabe der „Montforter Zwischentöne“, die sich dem Sterben und Loslassen gewidmet haben, wirkten der Kammerchor Feldkirch, das „Concerto Stella Matutina“, die Solisten Maria Erlacher, Markus Forster, Jan Petryka und Lisandro Abadie unter der Leitung von Benjamin Lack zusammen und präsentierten eine fulminante Interpretation des „Messias“ von Georg Friedrich Händel. Die Kraft der Werkdeutung entwickelte eine mitreißende Sogwirkung und zog die Zuhörenden in ihren Bann. Eine besondere Note erhielt die Aufführung durch die besondere Bühnenaufstellung und die Choreografie der Solisten. Dazu ergänzten die Kurzinterviews, die Hanno Settele mit Georg Vith und Studentinnen, Rudolf Bischof, Katharina Spiss und Otto Gehmacher führte, die Aufführung gut.

Dass der Dirigent Benjamin Lack, der Kammerchor Feldkirch und das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ hervorragende musikalische Partner sind, erfuhren die künstlerischen Leiter der „Montforter Zwischentöne“, Folkert Uhde und Hans-Joachim Gögl, bereits am Beginn ihrer Kuratorentätigkeit in Feldkirch. Nun setzten alle miteinander einen Markstein im Rahmen der „Zwischentöne“ und auch in der Wirkgeschichte des Kammerchores Feldkirch, der in diesem Jahr sein 15-jähriges Bestandsjubiläum feiert.

Prägnant und vielseitig

Die Aufgaben waren groß und die Vorgaben auch, denn Händels „Messias“ ist ein viel beachtetes und bekanntes Oratorium, ein Mammutwerk, das vor allem an den Chor enorme Ansprüche stellt. Die Chorpassagen sind vielgestaltig gesetzt, angefangen von choralartigen, homophonen Passagen bis hin zu kontrapunktischen Sätzen und hymnischen Gesängen. Eine besondere Herausforderung stellen die vielen Koloraturen dar. Mit bewundernswerter Ausdruckskraft bewältigten die Sängerinnen und Sänger des Kammerchores Feldkirch diese vielschichtigen Aufgaben. Die Stimmgruppen waren sehr gut aufeinander abgestimmt, so dass der Chorklang schön austariert erklang. Die gute Artikulation der Sängerinnen und Sänger verlieh dem Chor Prägnanz sowie einen federnden Duktus. Diese Flexibilität kam der gesamten Werkdeutung sehr entgegen, denn die Werkdauer von über zweieinhalb Stunden verlangte allen Interpreten und auch den Zuhörenden einiges ab. Doch zu keiner Zeit ließen die konzentriert wirkenden Kräfte nach, im Gegenteil, es wurden schöne Steigerungsbögen gespannt. So entwickelte sich eine inspirierende Dynamik im Feldkircher Montforthaus, die die Atmosphäre im Saal immer dichter werden ließ.

Spielfreude und Leichtigkeit

Großartig spielte das „Concerto Stella Matutina“ den Orchesterpart. Bis ins Detail deuteten die Musiker alle Phrasierungsbögen sowie Verzierungen, die dynamischen Schübe und harmonischen Schwerpunkte aus. Mit groovigem Drive bildete der Basso Continuo die Basis. Die Spielfreude der Orchestermusiker wirkte ansteckend und so war es auch für die Zuhörenden ein Vergnügen, diese Lust am aktiven Gestalten mitzuerleben.

Charismatischer Dirigent

Im Zentrum stand - nein tanzte - der musikalische Leiter Benjamin Lack. Bei ihm liefen alle Fäden zusammen. Charismatisch und souverän führte er alle Mitwirkenden und bot allein durch seine elegante Körpersprache eine zusätzliche Qualität, die Staunen machte.

Gute Solisten

Den Reigen der Sänger und Musiker ergänzten vier namhafte Solisten, die sich gut in den Chor- und Orchesterklang einfügten. Die Sopranistin Maria Erlacher sang ihren Part mit hellem Timbre und inniger Emotion. Mit viel Persönlichkeit gestaltete der Altus Markus Forster seine Partien. Die Tenorarien füllte Jan Petryka feinsinnig aus, am meisten imponierte der Bassbariton Lisandro Abadie. Die Konzertdramaturgie von Folkert Uhde und Mark Riklin verlieh den Solisten viel Bewegungsfreiraum. So unterstrichen die Körpersprache und Gestik der Sänger den emotionalen Gehalt des Textes zusätzlich. Mit den zahlreichen Auf- und Abgängen sowie unterschiedlichen Positionen auf der Bühne erhielt das Konzert sogar eine szenische Note.
Der Clou der Aufführung bestand darin, nicht auf der eigentlichen Bühne zu musizieren, sondern die Sänger und Musiker auf einer großen Vorbühne zu postieren. So entfaltete sich der Gesamtklang auch im Auditorium. Ergänzend dazu wurde ein feinsinniges Lichtkonzept eingesetzt, das die Emotionalität der einzelnen Abschnitte sensibel untermalte.

Gelungene Symbiose

Eine große Frage war, wie die „Liveschaltungen ins Diesseits“, die die Kuratoren als wesentlichen interpretatorischen Beitrag in die Aufführung des „Messias“ eingeflochten haben, wohl funktionieren würde. Der bekannte ORF-Journalist Hanno Settele meldete sich von jeweils unterschiedlichen Außenstationen via Liveschaltung im Feldkircher Montforthaus und führte passend zu den Themenkreisen Geburt, Passion und Sterben kurze Gespräche. Diese wurden an passenden Stellen des Oratoriums in das musikalische Geschehen eingeflochten.
Zuerst interviewte Hanno Settele den Professor der PH Vorarlberg Georg Vith und zwei Studentinnen. Sie betreuten ein Terminal, das in der Feldkircher Innenstadt aufgestellt worden war. Während der Festivaltage waren Passanten eingeladen, Gedanken zu notieren, was ihnen vor ihrem Sterben wichtig ist. Weiters führte Hanno Settele mit dem Dompfarrer Rudolf Bischof ein kurzes Gespräch über die Verkündigung der Geburt Jesu bei Menschen, die damals am Rande der Gesellschaft standen, und sie zogen Analogien zur Gegenwart. Das Thema „Mobbing“ stand im Mittelpunkt des Interviews mit Katharina Spiess. Eindrücklich wirkten die Gedanken nach, die Otto Gehmacher von der Palliativstation in Hohenems zum Ausdruck brachte. Er berichtete, was den Sterbenden in ihren letzten Tagen und Stunden noch wirklich wichtig ist.
Hanno Settele bettete die kurzen Gespräche jeweils in Textpassagen aus dem "Messias" ein. So funktionierte der Übergang von den Gesprächen wieder hinein in das musikalische Geschehen hervorragend. Insgesamt ist die Überhöhung der musikalischen Inhalte aus dem "Messias" durch die Einbeziehung der Gegenwart gut gelungen. Mit großem Jubel dankte das Publikum.