Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 25. Nov 2011 · Musik

Alltagsgeräusche und verblüffende Charakteränderungen – bei den Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik gab es spannende Einblicke in musikalische Erlebniswelten

Die diesjährigen Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik (btzm) widmen sich der Reduktion auf das Wesentliche und stellen die Frage „Was macht die Gesellschaft?“. Am Donnerstagabend stellte sich Maximilian Marcoll mit drei Werken vor. Darin wurde die Alltagswelt direkt in den künstlerischen Prozess einbezogen. Diese Kompositionsart, verbunden mit dem selbst entworfenen Schlaginstrument „black box“, bot reizvolle Einblicke in das Schaffen des deutschen Komponisten. Den FestivalbesucherInnen bereits bekannt ist der Schweizer Komponist Alfred Knüsel, von dem das Werk „Fünf Blasinstrumente als vermittelnde Membran im Akt des Hörens“ uraufgeführt wurde. Das Ensemble Phoenix Basel musizierte auf sehr hohem Niveau. So forderte der interessante Konzertabend zum aktiven Zuhören auf und gab Anlass für Diskussionen und ein weiteres Nachdenken über die neuen Kompositionen.

Der dreißigjährige Komponist Maximilian Marcoll geht einen individuellen kompositorischen Weg, indem er vor allem Alltagsgeräusche und die Elektronik mit einer eigens generierten Software in seinen kompositorischen Schaffensprozess miteinbezieht. Ausgehend von akustischen Alltagssituationen, die er aufzeichnet und transkribiert, generiert er die Ausgangsmaterialen. Seine Compounds Nr. 5a und Nr. 5b „Construction adjustment!" waren in Bludenz zu hören, das Opus 5a als österreichische Erstaufführung, das Opus 5b ist im Auftrag der btzm entstanden und wurde in der Remise Bludenz vom Komponisten selbst uraufgeführt.

Ein Schlagwerk mit besonderen Fähigkeiten

Das diesjährige Festivalmotto „Noise reduction“ passte hervorragend zu den gehörten Werken. Die „black box“ entfaltete die Wirkung einer „Büchse der Pandora“. Sie weckte das Interesse und gab die innewohnenden Möglichkeiten nicht sogleich preis. Den Zuspielungen setzte Maximilian Marcoll auf der „black box" spielend eine perkussiv geräuschhafte Welt entgegen. Viele Passagen ließen reizvolle Beziehungen und eine spannungsgeladene Synthese zwischen den Zuspielungen und den tatsächlich fabrizierten Sounds zu. Jene Passagen allerdings, in denen die aus dem Lautsprecher tönenden Geräusche lediglich als Kulisse für die Reibe-, Quietsch- und Streichgeräusche erlebbar wurden, wirkten eher illustrativ. Diesen Eindruck hinterließ vor allem das „Compound Nr. 2a", namens „Air Pressure Train TV“ für zwei Schlagzeuger und Elektronik, das ebenfalls zur Uraufführung gelangte. Das Stück verlief wie ein Soundtrack, die Klänge und rhythmischen Strukturen, die Norbert Krämer und Michael Pattmann an den beiden „black boxes" spielten, ergaben einen akustischen Erzählfluss und bargen optisch einige Anreize.

Die Bedeutung der Werkfolge erfahrbar gemacht

Alfred Knüsel versteht es, ungewöhnliche Klangfarbenmuster und Motivfloskeln in unterschiedlichsten perspektivischen Sichtweisen und Bewegungsmustern darzustellen, zu spiegeln und weiterzuführen. Das siebenteilig angelegte Werk „Fünf Blasinstrumente als vermittelnde Membran im Akt des Hörens, eine Sammlung von 7 Sätzen, zu freier nicht zyklischer Zusammenstellung“ wurde ebenfalls uraufgeführt. Der Clou der Uraufführung bestand darin, dass das Ensemble Phoenix Basel das Bläserquintett zweimal spielte. Dabei platzierten sich die Musiker um und änderten die Reihenfolge der einzelnen Sätze. Das Klangerlebnis war verblüffend, weil sich der Spannungsbogen änderte. So gab es aus unterschiedlichen Blickwinkeln viel zu hören. Die breite Palette an Klangfarben und Tonhöhenregistern belebte das gut nachvollziehbare Werk zusätzlich.