Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Fritz Jurmann · 24. Jun 2013 · Musik

„Waldesnacht, du wunderkühle“ – Der Kammerchor Feldkirch unter Benjamin Lack auf Gipfelsturm zur Chormusik von Johannes Brahms

Der Kammerchor Feldkirch machte am Wochenende in zwei Eigenveranstaltungen im Pförtnerhaus Feldkirch und im Ramschwagsaal Nenzing mit neu einstudiertem Programm von sich reden. Chorleiter Benjamin Lack hat sich diesmal mit der Auswahl romantischer A-cappella-Literatur von Johannes Brahms unter dem Motto „Waldesnacht, du wunderkühle“ wohl auch selbst einen Wunsch erfüllt. Ganz bestimmt auch in dem Bewusstsein, dass er seine Sängerinnen und Sänger mit diesem höchst anspruchsvollen Genre besonders fordern würde.

In der Spitzengruppe heimischer Vokalensembles


Der Kammerchor Feldkirch hat sich 2001 aus dem heute bereits legendären, von Gerhard Dallinger geleiteten „Hortus musicus“ gebildet und ist in umformierter Besetzung zunächst unter Martin Lindenthal zu neuen Ufern aufgebrochen, mit Konzertauftritten in Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz und 2009 erstmals auch als Opernchor beim „Feldkirch Festival“. 2010 hat der vielseitig beschäftigte Domkapellmeister Benjamin Lack die Leitung übernommen und den Kammerchor Feldkirch zur schmalen Spitzengruppe der Vokalensembles im Land geführt. Höhepunkte waren im selben Jahr die Mitwirkung bei der Aufführung der Symphonie Nr. 2 von Gustav Mahler mit dem SOV unter Kirill Petrenko und Bachs Johannespassion im April 2011 im Feldkircher Dom.

Beim zweiten Konzert in Nenzing wird klar: Die hoch romantische weltliche A-cappella-Chormusik von Johannes Brahms stellt in ihrer individuellen Beschaffenheit  höchste Ansprüche auch an so versierte und routinierte Sängerinnen und Sänger wie jene des Kammerchores Feldkirch. Der Komponist hat ja den romantischen Klang, den einst Schubert anschlug, in seinen Chören weiterschwingen lassen. Auch er ist ein Meister des lyrischen, freilich in Führung und Ausdruck verhaltenen Melos und der vollen, weichen, aber im Kolorit gedämpften Harmonik. Ein als eineinhalbstündiges Brahms-Porträt konzipierter Abend gleicht also für einen Chor noch immer einem Gipfelsturm.

Steiniger Weg zum Gipfel


Dass der Weg dorthin steinig ist, zeigt sich in den ersten drei Liedern aus Opus 42, als der Chor an diesem außen kalten Abend im allzu gut beheizten Saal und in der trockenen, nicht gerade chorfreundlichen Akustik auch unter einem so erfahrenen Dirigenten wie Benjamin Lack nicht gleich seinen typischen homogenen Klang entfaltet. Da ist alles noch etwas spröde, nicht ganz sauber und sopranlastig. Der feierliche „Grabgesang Dartholas“ mit dem Alternieren der Männer- und Frauenstimmen beeindruckt jedoch bereits hier als charakteristische, ausdrucksvolle Schöpfung.

Doch die paritätisch aufgeteilten 24 Damen und Herren und ihr Chef sind routiniert und lange genug in diesem Bereich tätig, um auch solcher Situationen Herr zu werden. Bereits bei den vier dreistimmigen Gesängen für Frauenchor op. 17 stellt sich beim Zuhörer jenes Wohlgefühl ein, das ein in sich gerundeter Chorklang zu erzeugen vermag: „Es tönt ein voller Harfenklang“ in strahlendem C-Dur etwa, „Der Gärtner" in wohligem c-Moll kommen voller Wohllaut und ausgewogen zum Klingen. Als wertvolle instrumentale Stützen sind die versierte Andrea Gamper an der Konzertharfe, die das Programm auch solistisch mit Werken von Glinka und Hasselmans hübsch bereichert, und die beiden sicheren Hornisten Christoph Ellensohn und Martin Pfeffer dabei.

Männer huldigen der „Liedertafelei“


Auch das Dutzend Männer des Chores weiß sich anschließend in einem thematischen Abstecher zu Mendelssohn zu bewähren und bringt mit „Der Jäger Abschied“ („Wer hat dich, du schöner Wald“) ein bis heute populäres Beispiel der damaligen „Liedertafelei“-Bewegung ins Spiel. Aurelia Weiser aus dem Altregister des Chores, die schon für die SOV-Konzerte heuer zu Ostern mit Strawinskys „Sacre du printemps“ interessante Texte für den Schauspieler August Zirner geschrieben hat, entwirft dazu anschauliche Bilder von Brahms‘ Leben und Werk und trägt sie diesmal in eigenen Moderationen vor.

Da geht es, wenn die Nachtigallen schlagen und die Posthörner schmettern, auch ganz generell um das Wesen der Romantik in der Kunst, mit Naturschilderungen und oft einem Übermaß an Gefühlen zwischen Sehnsucht, Liebe und Leid. Man kann diese, auch dank der deutlichen Diktion der Chormitglieder, an diesem Abend in den vertonten Texten literarischer Größen wie Clemens Brentano, Heinrich Heine oder Joseph von Eichendorff nachverfolgen.

Wohliges Gefühl von Romantik


Auch der Gesamtchor zeigt sich danach auf der Höhe seiner Möglichkeiten angekommen, gibt sich in weich fließenden Linien, mit viel Wärme und subtil gestalteter Dynamik der Klangwelt von Brahms hin. Benjamin Lack verleiht mit seiner sprechenden Art und der absoluten Klarheit seiner Zeichengebung dem Chor auch emotional Stärke und Selbstbewusstsein, gemeinsam verströmen sie ein wohliges Gefühl von Romantik und innerer Geborgenheit.

Besonders eindrucksvoll und geschlossen gelingen dabei aus den „Sieben Liedern für gemischten Chor“ op. 62 das Lied „Waldesnacht“ mit seiner ruhigen Harmoniefülle und seiner sanft geschwungenen Melodie, das auch als Zugabe nochmals herhalten muss, oder das reizende „Dein Herzlein“. Aber auch ein letzter Block mit späten Romanzen und Volksliedern op. 93a, zu denen Brahms stets ein besonderes Naheverhältnis hatte, zeugt von sehr seriöser, intensiver Probenarbeit, die hier geleistet wurde, und überzeugt die Zuhörer im voll besetzten Saal.

Nächstes Konzert des Kammerchores Feldkirch:
8. Dezember, 18.00 Uhr, Dom Feldkirch
Bachs Weihnachtsoratorium, Kantaten 1-3
(zusammen mit dem Barockorchester Concerto Stella Matutina)