Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Fritz Jurmann · 18. Nov 2015 · Musik

„Sein oder nicht sein“ – Die Bregenzer Festspiele eröffnen ihre Jubiläumssaison 2016 mit einer wiederentdeckten „Hamlet“-Oper

Mit einer reizenden Idee von Intendantin Elisabeth Sobotka begehen die Bregenzer Festspiele im kommenden Sommer das 70-Jahr-Jubiläum ihrer Gründung 1946. Stilgerecht wie damals soll am Originalschauplatz im Bregenzer Gondelhafen das allererste „Spiel auf dem See“ auf zwei Kieskähnen nachvollzogen werden, Mozarts zartes Singspiel „Bastien und Bastienne“. Dem festlichen Anlass gerecht wird auch das übrige Programm mit einer Mischung aus Neuem und Bekanntem: einer wiederentdeckten italienischen „Hamlet“-Oper von Franco Faccio als Eröffnungspremiere, der Wiederaufnahme der erfolgreichen „Turandot“ von Giacomo Puccini am See, der Weiterführung des Opernstudios mit Mozarts „Don Giovanni“, zwei zeitgenössischen Musiktheaterproduktionen auf der Werkstattbühne sowie zahlreichen Konzerten und Randveranstaltungen.

Details dazu erfuhr eine internationale Schar von Presseleuten am Donnerstagmittag im Seestudio des Festspielhauses bei der offiziellen Programmpräsentation 2016. In der von Pressesprecher Axel Renner moderierten Runde der drei Führungspersönlichkeiten – Präsident Hans-Peter Metzler, Kaufmännischer Direktor Michael Diem und Intendantin Elisabeth Sobotka – herrschte nach der künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreich verlaufenen Saison 2015 sichtlich gute Stimmung und ein hoher Grad an Motivation für die Durchführung der kommenden Aufgaben.

Trias der Spielplätze


Für Sobotka bedeutet das Zusammenspiel in der Trias der drei verschiedenen Spielplätze mit Seebühne, Festspielhaus und Werkstattbühne das eigentliche Programm. Dem will sie auch in ihrem zweiten Jahr, zusammen mit dem Opernstudio am Kornmarkt als persönlichem Anliegen, möglichst gerecht werden. Ihr besonderes Augenmerk gilt heuer der österreichischen Erstaufführung von „Hamlet“ nach Shakespeares Schauspiel von Franco Faccio, einer „wirklich großen italienischen Oper“, der sie schon längere Zeit auf der Spur war. Das 1865 in Genua uraufgeführte Werk nach dem Libretto von Arrigo Boito erlebte nur eine weitere Aufführung 1871 an der Mailänder Scala und tauchte erst im Vorjahr in den USA wieder auf.

Für die Inszenierung konnte der aus Paris stammende, international tätige Musiktheater-Regisseur Olivier Tambosi gewonnen werden, der bei der Pressekonferenz in einem launigen Statement über viele spannende Details aus der Entstehungszeit der Oper erzählte, in der Shakespeare zunächst in Italien noch verpönt war. Während der Musikkritiker Eduard Hanslick damals „Hamlet“ als Opernstoff durchaus befürwortete, kam von Richard Wagner nur schroffe Ablehnung. Dirigiert wird diese Produktion von dem bereits im Vorjahr hier tätig gewesenen drahtigen Italiener Paolo Carignani, der daneben erneut auch am See tätig sein wird.

Bereits ein Drittel „Turandot“-Karten verkauft


Michael Diem gab bekannt, dass für die 23 Vorstellungen von „Turandot“ bereits jetzt rund ein Drittel der aufgelegten 156.000 Karten gebucht ist, was einen sehr guten Wert im Vergleich mit anderen Seeproduktionen zu diesem Zeitpunkt bedeutet. Es ist damit das bestbesuchte Puccini-Werk in der Festspielgeschichte. Besonders von der Vorweihnachtszeit erwartet er sich den nächsten Boom, denn viele Leute legen gerne Festspielkarten als Geschenk unter den Christbaum. Bereits 50 Prozent der Tickets werden heute bereits über das Internet gebucht.

Dabei habe sich heuer auch die erstmalige Übertragung der gemeinsamen Verantwortung für Bühnenbild und Regie an den Schweizer Marco Arturo Marelli bewährt, so Elisabeth Sobotka, womit für nächstes Jahr auch nur minimale Retuschen notwendig seien. Über die tolle Stimmung, die auch und gerade bei unwirtlichen Witterungsverhältnissen auf der Seebühne herrschte, berichtete die eigens aus Essen eingeflogene Sopranistin Katrin Kapplusch, die die Titelrolle der Turandot im Vorjahr verkörpert hat und auch für 2016 wieder engagiert wurde.

Ur- und Erstaufführung von zeitgenössischem Musiktheater


In der zeitgenössischen Schiene gibt es kommende Saison zwei Produktionen auf der Werkstattbühne. Das eine ist die „Staatsoperette“ mit dem Untertitel „Die Austrotragödie“ als Musiktheater-Uraufführung einer 1977 im ORF ausgestrahlten TV-Fassung, die damals zu einem Skandal führte und nie wieder gesendet wurde. Komponist Otto M. Zykan und Fernseh-Regisseur Franz Novotny beleuchteten in ihrem Film die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und den aufkommenden Austrofaschismus. Sobotka: „Mit diesem satirisch überzeichneten Bild wollte man damals aufrütteln, nach dem inzwischen zum Gesetz gewordenen Motto ‚Kunst darf satirisch sein‘. Das wirkt bis heute nach und ist uns wichtig, wenn wir natürlich auch nicht den Skandal von damals wiederholen wollen.“ Inszeniert wird die Bühnenfassung von dem aus Bregenz stammenden Simon Meusburger, sämtliche historischen Führerfiguren werden als Puppen von Nestroy-Preisträger Nikolaus Habjan dargestellt.

Die zweite Produktion auf der Werkstattbühne ist Miroslav Srnkas Kammeroper „Make no noise“ als österreichische Erstaufführung. Grundlage bildet Isabel Coixets Film „The secret life of words“ aus dem Jahre 2005, in dem die psychischen und physischen Verletzungen zweier traumatisierter Menschen erzählt werden, die mehr und mehr zueinander finden. Es spielt das Ensemble modern. Nikolaus Habjan wird als Kunstpfeifer u. a. auch in der vierteiligen Reihe „Musik & Poesie“ zu erleben sein, wo es auch eine Wiederbegegnung mit der im Vorjahr vom Publikum gefeierten Sängerin Measha Brueggergosman geben wird. Überhaupt wird versucht, die Elemente der einzelnen Produktionen in den Programmen der verschiedenen Konzerte untereinander zu verknüpfen.

Symphoniker feiern mit


Auch die Wiener Symphoniker, die als „Orchestra in Residence“ seit 1946 den Festspielen die Treue halten, feiern im kommenden Jahr dieses Jubiläum mit. Sie spielen in den beiden Opern am See und im Haus und gestalten drei eigene Orchesterkonzerte, eines davon unter dem neuen Chef Philippe Jordan, wobei bestimmte Programmpunkte auch auf das Gründungsjahr Bezug nehmen werden.

Das 2016 verstärkt eingesetzte Symphonieorchester Vorarlberg gestaltet ein Orchesterkonzert gemeinsam mit dem Vorarlberger Ausnahmepianisten Aaron Pilsan, Mozarts „Bastien und Bastienne“ im Gondelhafen, zu der es auch eine Ausstellung im vorarlberg museum geben wird, und das Opernstudio mit Mozarts „Don Giovanni“ unter Dirigent Hartmut Kreil und Regisseurin Barbara Wysocka mit jungen Kräften aus Berlin. Im Rahmen einer Meisterklasse erhalten sie erneut hochkarätige Anleitung von Brigitte Fassbaender. Kooperationspartner ist der internationale Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ der Bertelsmann Stiftung. Im Opernatelier will man weiter einer für 2017 geplanten Opernuraufführung „To the Lighthouse“ von Zesses Siglias nachspüren.

Bunt, kreativ und vor allem jung wird es erneut beim Kinder- und Jugendprogramm „crossculture“. Eine Kinderoper „Lollo“, Workshops und die Orchesterhauptprobe von „Turandot“ werden auch diesmal ihre Anziehungskraft auf das Publikum von morgen nicht verfehlen. Dazu gibt es auch wieder das „Fest des Kindes“ im Vorfeld.

Besinnung auf die Anfänge


Bedenkenswerte Worte findet Festspielpräsident Hans-Peter Metzler gegen Ende, als es um die geplante Reminiszenz an die Geburtsstunde der Bregenzer Festspiele mit dem Mozart-Singspiel im Gondelhafen geht: „Die Bregenzer Festspiele besitzen deshalb wohl eine so große Beständigkeit, weil sie nicht von außen eingepflanzt wurden, sondern als Bürgerinitiative entstanden sind. Bei allem Auf und Ab sind sie das in diesen 70 Jahren bis heute auch geblieben, verwurzelt als Anliegen der Bürger in der gesamten Region, die wissen, wie wichtig diese Einrichtung als „Win-Win-Situation“ damals schon war und bis heute ist. Ich vergleiche die Bregenzer Festspiele immer mit der Luft: Man spürt sie erst dann, wenn sie fehlt.“

 

Die Bregenzer Festspiele finden mit rund 80 Veranstaltungen vom 20. Juli bis 21. August statt. Tickets und Informationen unter www.bregenzerfestspiele.com sowie Telefon 0043 5574 4076.