Vorläufiges Aus für Metro Kino und Filmforum Bregenz (Foto: Walter Gasperi)
Silvia Thurner · 25. Jun 2023 · Musik

Mit jedem Lied öffnete sich eine Welt

Liederabende mit emotionalen Gegenpolen: Fantastisches, aber auch gelehrig Einstudiertes

Die Schubertiade Schwarzenberg bietet Einblicke in die romantische Liedkunst auf höchstem Niveau und Interpretationsvergleiche, die anderswo nicht möglich sind. Diese Spannung macht die Faszination für das internationale Festival aus. Unter anderem waren der Tenor Patrick Grahl, die Sopranistin Katharina Konradi und der Bariton Andrè Schuen mit den Klavierbegleitern Daniel Heide und Malcolm Martineau zu erleben. Alle drei Konzerte als Zusammenschau betrachtet, ergaben ein Wechselbad der Gefühle, das von unverbindlicher Distanz über erfrischende Begeisterung bis hin zu frenetischem Jubel reichte.

Andrè Schuen füllt als derzeit einer der herausragendsten Liedsänger die Konzertsäle. Bei der Schubertiade präsentierten er und sein kongenialer Klavierpartner Daniel Heide eine erlesene Werkauswahl. Die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Gustav Mahler bildeten die Pfeiler. Vom ersten Ton an faszinierten der Bariton und der Pianist durch ihre vielschichtige Interpretationsart. Nuanciert, vom Text ausgehend und in die melodischen Linien hineindenkend, erklangen die Mahlerlieder in einem ständigen Ausbalancieren von Sehnsucht und Trauer sowie Resignation und Hoffnung. Dabei lebten die Werkdeutungen von der Poesie der Texte und entfalteten eine große suggestive Kraft, von der sich die aufmerksam Zuhörenden fesseln ließen. Die nuancierte Tongebung von Andrè Schuen und das detailreiche und anschauliche Gestalten von Daniel Heide am Klavier fanden in Mahlers berühmten „Rückert Liedern“ ihren Höhepunkt. So intensiv und mit einer beschwörenden Pianokultur, in der die Emotionen auch durch die besondere Betonung der Ruhe und Entspannung unterstrichen wurde, war ein einmaliges Erlebnis. Die Lieder „An den Mond“, „Im Frühling“, „Der Schiffer“, „Abendstern“ oder „Der Musensohn“ von Franz Schubert ergänzten die geistreiche Werkauswahl hervorragend. Darin bewirkten die Sinnbilder der Natur Analogien zu den emotionalen Erlebniswelten der Mahlerlieder. Einen besonderen Anreiz bot auch der Vergleich, wie Schubert Gedichte von Friedrich Rückert kompositorisch ausgedeutet hat, allen voran in „Du bist die Ruh“. Mit jubelndem Applaus dankte das Publikum und erhielt von den in bester Spiellaune auftretenden Künstlern drei Zugaben.

Emotional zurückhaltend

Der Tenor Patrick Grahl, auch von Daniel Heide am Klavier begleitet, interpretierte bei seinem Auftritt neben dem berühmten Liederkreis „An die ferne Geliebte“ op. 98 von Ludwig van Beethoven, Schubertlieder, wie „Der Musensohn“, „Himmelsfunken“, „Der Wanderer“, „An mein Herz“ sowie Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy, unter anderem „Auf Flügeln des Gesanges“, „Herbstlied“, „Schilflied“, „Der Mond“ oder „Nachtlied“.
Es ist klar, dass sich die Liedinterpret:innen im Rahmen der Schubertiade Schwarzenberg mit herausragenden Künstlerpersönlichkeiten in eine Reihe stellen. In diesem Vergleich wirkte der 35-jährige Patrick Grahl mit seinem förmlichen und altmodischen Auftreten wie aus der Zeit gefallen. Seine bewundernswert helle und mit einem warmen Timbre leuchtende Stimme führte der Tenor sehr kontrolliert und bedacht. Weich formte der Sänger die chromatischen Wendungen in den Liedern von Felix Mendelssohn Bartholdy aus und kehrte den romantischen Duktus in den Vordergrund. Doch die Ausschaltung jedweder „Risikobereitschaft“ machte die Werkdeutungen auf seltsame Weise leblos und unnahbar. Zwar mischte Daniel Heide die Kompositionen charakterstark auf. Er trat begeistert mit dem Sänger in Beziehung und gestaltete die Klavierparts mit unzähligen Details aus. Trotzdem hinterließ der Liederabend einen eigentümlich kühlen Eindruck.

Sinnliche Ausdrucksstärke

Ganz andere Gefühle weckte Katharina Konradi bei ihrem Auftritt im Angelika Kauffmann Saal. Sie eröffnete das Konzert mit Werken von Clara Schumann, daran anschließend sang sie Robert Schumanns Liederkreis op. 39 und wandte sich dann Liedern von Franz Schubert, unter anderem „Nähe des Geliebten“, „Daß sie hier gewesen“, „Vor meiner Wiege“ sowie „Ellens Gesänge“ zu. Bewundernswert textdeutlich formte die Sopranistin die Lieder ganz aus den emotionalen Inhalten heraus und entfaltete die Kompositionen feinsinnig erzählend. Facettenreich setzte sie ihre vielschichtige Stimme in Szene und verlieh den Liedinhalten mit ihrem warmen Timbre viel Charakter und eine große Aussagekraft. Die Vokalklänge wirkten farbenreich nuanciert, sodass die melodischen Linien vielgestaltige emotionale Schattierungen verströmten. Gleichzeitig verlieh die Sängerin mit ihrer herausragenden Pianokultur den Werkdeutungen eine ätherisch sinnliche Tiefe.
Zu Beginn mussten sich die Katharina Konradi und der Pianist Malcolm Martineau erst finden, doch rasch waren sie aufeinander eingestimmt und bildeten eine musikalische Einheit. So kam der für die psychologisch-musikalische Ausdeutung so bedeutende Klavierpart gut zur Geltung.

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