Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Florian Gucher · 24. Mär 2023 · Ausstellung

Miriam Prantl und Stefan Faas für die Vaduzer Galerie am Lindenplatz in der Fondation Vasarely, Aix-en-Provence

„Espace | Lumiére | Réflexion“ nennt sich die aktuelle Werkschau der Vaduzer Galerie am Lindenplatz, die in Kooperation mit der Fondation Vasarely diesmal in Aix-en-Provence ausstellt. Was auf ein Wahrnehmungsspektakel zielt, birgt eine Ästhetik in sich, die sich in diesem Falle nicht schnöde auf Kosten des Inhalts ausbreitet. Die Werkkombination von auditiver Lichtperformance und Stahlbildhauerei des Bildhauers Stefan Faas und der Lichtkünstlerin Miriam Prantl zeugt von sensorischer Leichtigkeit und geht in den gesellschaftlichen Diskurs über.

Immersives Raumexperiment

Acht mannshohe Skulpturen, bestehend aus verschachtelten, durchgängig aus Spiegelflächen gebauten Kuben mit konvex-konkaven Bruchlinien, bauen sich im Kreis angeordnet im Raum auf. „Mirrorhandge“ nennt Bildhauer Stefan Faas die Skulpturenreihe. Aufgrund ihres mystischen Erscheinungsbildes lässt sie an den berühmt-berüchtigten Steinkreis „Stonehenge“ in England denken, einen der berühmtesten Steindenkmäler der Welt, um den sich zahlreiche Legenden ranken. Die prägende Werkserie umreißt, um was es in der Ausstellung geht: Reicht das Kunstwerk – im breiten Sinne natürlich- in Faas Verständnis weit über das zum Kunstwerk deklarierte Objekt an sich hinaus, so wird Realität und Fiktion zum verschrobenen Ganzen. Wie in „Stonehenge“ sind ganze Geschichten in den Werken miteingeschrieben, die individuell, quasi durch die eigene Brille, durch das Spiegelbild hindurch, gesehen und aufgefangen werden. „Espace | Lumiére | Réflexion“ macht den Moment zum Programm, das Erlebnis per se, im Sinne dessen, wie der Betrachtende immer auch aus dem bekannten Raum heraustritt und in ein neues Raumverständnis mit hineinwächst. Das alles treibt sich durch Spiegelungen, optische Täuschungen, ja Verfälschungen an, auf dessen Fundament sich das immersive Raumerlebnis als ein Experimentieren mit Realitätsebenen erst ausbreiteten kann. Immersiv heißt in diesem Zusammenhang auch, dass sich dieses Raumerlebnis nie vollständig von der Realität löst und in einem Zwischenraum gleitet, in welchem Betrachtende Teil davon bleiben. In dieser realistisch-fantastischen Blase verhaftet, wird es ekstatisch, bleibt aber greifbar und vertraut, wenn auch nicht immer nachvollziehbar. Parallelen findet man in den Lichträumen Miriam Prantls – der zweiten Position der Ausstellung – nur, dass diese sich nahezu vollständig aus ihrer Statik lösen und damit den dynamischen Prozess nochmals antreiben. Dabei sind es „artificial environments“, sprich raumgreifende, multisensorische Lichtspiele, mit denen Prantl Komponenten wie Ort, Zeit, Licht, Klang und Farbe zum fluiden Netzwerk gedeihen lässt. Sind die Skulpturen von Faas in ihrer Durchlässigkeit bereits multipel angelegt, besteht das Bemerkenswerte der Ausstellung in der Kombination und Symbiose der Stahlkonstruktionen des Metallbildhauers mit den Lichtinstallationen Prantls, die diese komplementär umgeben und aufladen. Die Galerie am Lindenplatz lässt sich gerne auf solche Raumspiele ein, nicht zuletzt begibt sie sich – wenn auch nicht in dieser Schau - ins Metaverse, hantiert mit NFTs. Wobei sie bestrebt ist, das, was dem virtuellen wie physischen Raum eigen ist, zu nutzen und fruchtbar zu machen.

Verschränkende Positionen

So sind es multisensorisch angelegte Werke Prantls wie das audiovisuelle Lichtspiel „Einräumen von Licht“, die sich in die Arbeiten des Stahlbildhauers einnisten. Oder aber sie ummanteln sie. In seiner Wirkung verstärkt, bekommt der spiegelnde Kubus ein pulsierendes Leben einverleibt und wird zum Material und Gestalter einer fiktionalen Realität oder realen Fiktion, sowie er das menschliche Antlitz des Publikums und seine Umgebung in sich aufsaugt und verfremdet. Wie im Werk ersichtlich, experimentiert Faas mit unscheinbaren, erst auf den zweiten Blick ersichtlichen Kontrasten: Der Stahlkubus per se simuliert in seiner Diskrepanz als eigentlich statischer, doch dynamischer Klotz bereits Beweglichkeit und täuscht eine fiktive Umgebung als Raumerweiterung vor. Verstärkt wird das Moment durch die intensive wie immersive Farbkonstruktion Prantls, die Konturen des Raumes auflöst sowie Grenzen des ästhetischen und profanen Raumes verschwimmen lässt. Unscheinbar verwandelt sich die Galerie in eine Bühne der (sur)realen Verflechtung, in ein Spiel mit Realitätsebenen, das sich immer neu erprobt und sich trotz berechenbarer Physik aller Rationalität entzieht – an dieser Stelle muss man als erneuten Widerspruch betonen, dass beide Künstler:innen präzise auf die technische Ausgereiftheit ihrer Werke achten, ohne die sich diese durchdachte Funktion nicht einlösen würde. Vieles ergibt dann der Zufall, denn das Ungeplante wird in „„Espace | Lumiére | Réflexion“ zum eigentlichen Spielball. Hantiert gegenständliche Kunst hier mit Methoden, die am nackten Materialismus abprallen, ja poetisch werden, erscheint Materielles plötzlich rein durch die formale Ausführung immateriell. Der klassisch-architektonische Raum, er löst sich auf, entzieht sich unserer Erkenntlichkeit.
Doch wäre es zu kurz gegriffen, die Ausstellung allein auf die formal-ästhetische Funktion und Wirkkraft zu reduzieren, da es weitere, thematisch komplexe Komponenten sind, die hier schlagend werden. Mit der inhaltlichen Bedeutung von „Mirrorhange“ wurde eine dieser Komponenten bereits aufgezeigt. Zur mystischen Aufladung gesellt sich eine soziale, die schon stärker von der Kontradiktion der beiden Positionen spricht. So frei Prantl, durch die Sanftheit und Wärme der komplementären Lichtfarben bedingt, Räume jenseits unserer Erfahrungen kreiert, resultiert Faas´ Beschäftigung mit Stahl aus einer Unfreiheit heraus, die gesellschaftspolitisch wird. Härte und Steifheit des Materials beschreiben metaphorisch die Stagnation der Gesellschaft als nicht aufzulösende Unbeweglichkeit, eingleisigen Strukturen gleich, die uns zwanglos beherrschen. Zur selben Zeit bricht er sie auf, indem er Neues, Unerwartetes auf das Althergebrachte reflektieren lässt. Stefan Fass – und das ist eine weitere, nicht unrelevante Ebene seiner Werke – will den Betrachter:innen den Spiegel vors Gesicht halten. In übertragenem Sinne sind seine Werke daher als Auseinandersetzung mit einem eigenen, verfremdeten Ich und seinem gestörten Verhältnis zur Gesellschaft zu lesen. Prantl hingegen kreiert Atmosphären, die sich von der Physis lösen und das eigene Dasein wie den Verstand überstrahlen, indem sie über das eigene Gewahrsam hinausgehen und in eine neue Realität führen. In eine, die das Unterdrückte, Unbewusste einlöst. Die Kombination aus Statik und Lebendigkeit, aus Bewusstsein und Unterbewusstsein ist es dann, die das Werk-Wirkung-Spiel in der Ausstellung „Espace | Lumiére | Réflexion“ undurchdringbar, fast magisch, werden lässt.

Von der Galerie Lindenplatz in Vaduz aus, finden zahlreiche Trips statt, um die Ausstellung dem Vorarlberger, Liechtensteiner und Schweizer Publikum zugänglich zu machen.
Die erste Fahrt findet am 1.4. statt.

Espace | Lumiére | Réflexion
Vernissage: 25.3.
26.3. – 10.5.23
Fondation Vasarely, Aix-en-Provence
https://www.galerielindenplatz.li/