Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Fritz Jurmann · 26. Jul 2014 · Literatur

Was Sie immer schon über „Nali“ wissen wollten – Eine Monographie beleuchtet Leben und Wirken der schillernden Wiener Komponistenpersönlichkeit HK Gruber

Wer durch die in den vergangenen Tagen von der Kritik viel diskutierte, vom Publikum sehr beifällig aufgenommene Uraufführung der diesjährigen Hausoper der Bregenzer Festspiele darauf neugierig geworden ist, wie deren Komponist „tickt“, der kann sich nun in einem aktuellen Buch in die Biografie, die Gedankenwelt und das Schaffen des Wiener Multitalents HK Gruber vertiefen. Seine „Geschichten aus dem Wiener Wald“, eine in dreieinhalb Jahren entstandene Vertonung nach Ödön von Horváths gleichnamigem Theaterklassiker als Auftragswerk der Bregenzer Festspiele, boten den Anlass für diese in der MUSIKZEITedition im Wiener Verlag Lafite als Band 31 in der Reihe „Komponisten unserer Zeit“ erschienene Monographie.

Eine Ausnahme-Künstlerpersönlichkeit


Autorin ist die früher in Wien lebende Andrea Zschunke, die seit 2013 die Programmgruppe „Musik und Radiokunst“ beim WDR Köln leitet. Sie setzt sich darin mit großer Sorgfalt und penibler Recherche, aber auch nicht ohne den nötigen Unernst mit dem Wiener Original auseinander, den alle nur „Nali“ nennen, und beleuchtet im Detail die unglaublich vielen Fassetten, die diese Ausnahme-Künstlerpersönlichkeit zu bieten hat. Es ist das erste Buch, das jemals über den heute 71-jährigen Komponisten geschrieben wurde, und es dürfte wohl die nachhaltigste Quelle zu dessen Person und Werk sein, ein in einem vollen Jahr erarbeiteter „Maß-Anzug“ für „Nali“.

„HK Gruber ist eine der faszinierendsten, bedeutsamsten und wirkungsvollsten Persönlichkeiten im gegenwärtigen Musikleben. Über ihn nachdenken heißt, einen neuen Blick auf die zeitgenössische Musik zu werfen, die Musik im Worrrt zu suchen, die Musikstadt Wien im Licht einer internationalen Karriere zu betrachten und aufzuhören, mit Wellblechstirn im Konzert zu sitzen.“ Mit diesem ernsthaften einleitenden Bekenntnis hat sich die Autorin nicht nur als „Nali“-Fan geoutet, sondern damit auch die Besonderheiten dieser Persönlichkeit auf den Punkt gebracht. Später dann werden ihre Formulierungen so originell und locker und leicht lesbar, wie es auch Grubers unkonventionellem Umgang mit seiner Kunst entspricht, die für ihn scheinbar grenzenlos zu sein scheint.

Internationaler Durchbruch mit „Frankenstein!!“


Das Buch legt HK Grubers Œuvre in den Grundlinien dar, es umfasst neue Quellen und Bild- wie Notendokumente des bekannten und beliebten Gegenwartsmusikers. Er hat Lieder, Chansons und Opern kongenial zu H. C. Artmann komponiert, auch neue Musik aus Wien, die dem Publikum ebenso direkt verständlich wurde wie seine neueste, inzwischen vierte Oper „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Der internationale Durchbruch gelang ihm in enger Zusammenarbeit mit Simon Rattle und Leonard Bernstein mit seinem revolutionären „Frankenstein!!“, der vor zwei Jahren unter seiner Leitung auch bei den Bregenzer Festspielen zu erleben war und damit auf die Uraufführung neugierig machte. Schon damals wie heute wurde HK Gruber auch immer wieder mit Kurt Weill verglichen, der eigentlich Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ ursprünglich vertonen sollte.

In vielen Interviews, die im Vorfeld der Uraufführung bei uns mit Gruber erschienen sind, wurde immer wieder deutlich, wie sehr dieser Komponist Wert auf das Wort als Basis seiner Arbeit legt. Auch bei den „Geschichten“ betonte er immer wieder, dass eigentlich Ödön von Horváth der Autor dieses Werkes sei, dass er sich nur dessen Sprachmelodie zu eigen gemacht und in sein eigenes Idiom übertragen habe. Insofern erscheint es auch logisch, dass dem neuen Buch Zitate vorangestellt werden wie: „Hereeeiiiin!“ – Mensch-Werden in geordneter Umgebung, und „muu-siiik, die mit dem sprrrrrechen beginnt!!!!!!!“ Damit ist der Leser schon mittendrin statt  bloß dabei in der ureigensten Welt des „Nali“ Gruber.

„Er redet gerne und viel“


Autorin Zschunke beschreibt diese Besonderheit im Buch so: „Geschichten, Anekdoten umranken diesen Lebensweg in Hülle und Fülle, unnachahmlich, wenn Gruber sie erzählt. Er redet gerne und viel und immer höchst unterhaltsam. Auch im privaten Kontext achtet er auf die ihm so wichtige Artikulation beim Sprechen. Als besonderen Akzent streut er in seine Erzählungen ein
rrrrrrollendes ‚R‘ ein, unterstützt durch seine ausdrucksvolle Mimik, bei der die Augenbrauen dramatischdämonisch zusammen laufen können. Man weiß sehr schnell, warum dieser Gruber ein Liebling der Kamera ist.“

In diesem Plauderton, aber auch mit der notwendigen Ernsthaftigkeit, wenn es um konkrete künstlerische Wertigkeiten geht, liest es sich im Buch weiter. Sieben Kapitel beleuchten in Wort und Bild die wichtigsten Stationen des Rastlosen, der sich nach wie vor zur Tonalität bekennt, um seine Zuhörer nicht zu verschrecken. Der diese Tonalität aber auch, wie in den „Geschichten“ zu hören war, gerne bis an deren Grenzen ausreizt. Ein ausführlicher Anhang enthält u. a. ein detailliertes Verzeichnis seiner zahlreichen Werke und deren Aufführungen, oftmals unter seiner eigenen Leitung, eine Auflistung der Verwertung seiner Musik in den Medien und eine Bibliographie.

 

HK Gruber, Band 31 der Monographien-Reihe der MUSIKZEITedition „Komponisten unserer Zeit“, von Andrea Zschunke, Verlag Lafite, Wien, 192 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, broschiert, ISBN 978-3-85151-081-2, Euro 38.-.
Erhältlich im Festspielshop, in Buchhandlungen und über den Verlag unter order@musikzeit.at

 

Weitere Aufführungen der Oper „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von HK Gruber bei den Bregenzer Festspielen: So, 27. Juli und So, 3. August, jeweils 11.00 Uhr, Festspielhaus Bregenz
Fernseh-Wiedergabe der Oper: So, 27. Juli, 20.15 Uhr, ORF III