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Anita Grüneis · 13. Apr 2021 · Literatur

Neue Bücher von Doris Röckle und Armin Öhri: Das schwarze Herz und die Wehmutter vom Bodensee

Historiendramen finden überall ihr Publikum, ob in Form von TV-Serien wie „Outlander“ oder in Romanen wie „Die Säulen der Erde“. Eine Autorin und ein Autor aus Liechtenstein haben sich einer speziellen Gattung dieser Richtung verschrieben: dem historischen Kriminalroman. Während Armin Öhri seine Romane vorwiegend im 19. Jahrhundert spielen lässt, sind die Erzählungen von Doris Röckle im Mittelalter angesiedelt. Anfang dieses Jahres erschienen ihre neuen Bücher: Armin Öhris „Das schwarze Herz“ ist der vierte Band seiner Romane um den Tatortzeichner Julius Bentheim, „Die Wehmutter vom Bodensee“ von Doris Röckle ist das fünfte Buch ihrer Mittelalter-Reihe.

Armin Öhri erklärt seine Leidenschaft für den historischen Roman so: „André Malraux hat einmal gesagt, wer in der Zukunft lesen wolle, der müsse in der Vergangenheit blättern. Ich denke, dieser Sinnspruch bringt es auf den Punkt, warum historische Themen mich oft umtreiben. Auch wenn die Romanform nicht den Anspruch wissenschaftlicher Genauigkeit erheben kann, so hilft sie doch, frühere Handlungen und deren Auswirkungen auf die Gegenwart zu verstehen.“ Die Geschichte seines neuen Buches „Das schwarze Herz“ spielt in Berlin im Jahr 1868. Es ist die Zeit, in der gerne Geheimbundromane gelesen wurden wie zum Beispiel Friedrich Schillers „Der Geisterseher. Aus den Memoiren des Grafen von O“, oder Geschichten von Tolstoi, Flaubert und Fontane. An ihren Werken orientierte sich Armin Öhri, außerdem kam ihm beim Recherchieren sein Geschichts- und Germanistik-Studium zugute.

Hinein in die Vergangenheit

Das Buch „Das schwarze Herz“ beginnt mit den Ermittlungen zum Mord des Herzogs von Gerolstein, dessen Anwesen etwas mehr als eine Meile vor der Berliner Stadtgrenze liegt. „Hier, im Dorf Weißensee, kam der Fernhandelsweg nach Norden durch, und rings um das beinah zirkelrunde Stillgewässer, das dem Dorf seinen Namen gegeben hatte, fügten sich Gutshäuser und großzügig angelegte Gartenanlagen in die Uferlandschaft. (...) Das mysteriöse Ableben des Hausherrn und die damit verbundene Aufnahme einer gerichtlichen Untersuchung verlangten die Anwesenheit der drei Herren aus dem Stadtpalais Grumbkow, dem Berliner Polizeipräsidium.“
Die Herren landen bei einer Soiree rund um Gräfin Dorothea und dem Vicomte de Rastignac, der einen Pakt mit Werwölfen geschlossen haben soll und angeblich mit dem Bösen im Bunde steht. Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Wie immer bei den Krimis von Armin Öhri sorgen eine exakte Beschreibung der Lokalitäten und eine sehr sinnliche Sprache für szenische Bilder, die vor der Leserschaft wie Filme ablaufen. Seine Erzählkraft nimmt das Publikum mit in dunkle Machenschaften und düstere Ecken – und in ein gutes Ende: „Ohne sich auszuziehen, legte sich Bentheim hinter seinen Sohn auf die Matratze und umschloss ihn mit den Armen. Alles von Bedeutung war in diesem Raum. Die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft. Und all die Liebe, die ein Vater einer Halbwaise zu geben vermochte. Julius gähnte. Erschöpft schloss er die Augen, und aus der breiten Straße seiner Gedankengänge wurde allmählich ein schmaler Trampelpfad.“

Mägde und Handwerker im Mittelalter

Die Vaduzerin Doris Röckle wird von alten Gemäuern magisch angezogen. Sie wuchs in Buchs auf und sah Schloss Werdenberg jeden Tag vor sich. Das Geld für einen Eintritt hatte sie als Kind nicht, doch reichte der Burghof für ihre Fantasien. Auch heute noch fasziniert sie das Eintauchen in eine andere Zeit, eine einfachere Zeit. „Die ganze Hektik der Gegenwart hinter mir lassen und mit fremden Augen durch längst vergangene Epochen wandern. Jede Burg, jedes Dorf hat eine Geschichte, die versuche ich dem Leser aufzuzeichnen, erklärbar zu machen.“ Seit sie historische Romane schreibt, sieht sie die Landschaft mit ganz anderen Augen. Beim Schreiben vermisst sie manchmal, dass das Leben der einfachen Menschen nirgends in den Annalen Eingang gefunden hat. Hin und wieder begegnet sie in alten Archiven einem Namen, der ihre Neugier erweckt, doch die Suche versandet meist. „Lediglich der Adel ist halbwegs gut dokumentiert, allerdings fehlen auch dort die Frauen. Heldentaten der Männer werden in den höchsten Tönen gelobt, Frauen oftmals, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt.“ Dafür stehen nur vor allem Frauen im Mittelpunkt der Bücher von Doris Röckle. Die „Wehmutter vom Bodensee“ ist ihr erster historischer Kriminalroman, weitere sollen folgen.
Die Geschichte spielt in Konstanz im Jahr 1323. Im Mittelpunkt steht die junge Hanna, die als Leibeigene dem Grafen Wilhelm von Montfort-Tettnang davongelaufen ist und in Konstanz bei ihrer Freundin Lena Unterschlupf fand. Sie und Lena waren zur gleichen Zeit auf „die vermaledeite Burg des Grafen von Montfort im Rheintal gekommen, sie als Magd und ihre Freundin als Zeitvertreib des Grafen.“ Das Ergebnis hatte nicht lange auf sich warten lassen, Lena wurde mit dem Konstanzer Müller Jodok verheiratet, der dafür eine „prall gefüllte Geldkatze“ erhielt. Hanna war übrigens im Buch „Die Flucht der Magd“ die Protagonistin, auch die Figur der Lena ist dort bereits vorhanden. In Konstanz geraten die beiden nun in den Wirbel eines heimtückischen Giftmordes: „Sie hasste diesen Mann, seine Vergänglichkeit ebenso wie sein großspuriges Gehabe vor den Stadträten. Einzig und allein wegen des unermesslichen Reichtums hatte sie ihn damals umgarnt. Sie schüttelte den Gedanken an die letzte gemeinsam verbrachte Nacht mit einem angewiderten Lächeln ab. Es würde bald ein Ende haben. Der Mann krümmte sich mittlerweile wie ein sich windender Wurm. Sein Stöhnen erfüllte die Kammer. Als ihm ein Furz entwich, fraß sich der Gestank in Windeseile in die Ritzen der Wände. Das Gift zeigte Wirkung.“
Zur Recherche über Konstanz benutzte Doris Röckle die Bücher des Historikers Helmut Maurer, der bis zu seiner Pensionierung das Konstanzer Stadtarchiv leitete. Die Bücher waren eine Fundgrube über Menschen, Häuser, Straßenzüge, Kleider und Gebräuche für die Autorin, deren Sprache sich durch Nüchternheit und Präzision auszeichnet, was auch mit ihrer beruflichen Tätigkeit im medizinischen Bereich zu tun haben mag. Am Ende wird hier ebenfalls alles gut – Hanna erhält das Konstanzer Bürgerrecht und damit ist die Fährte für weitere Geschichten gelegt. Doris Röckle schreibt bereits daran.

Armin Öhri: Das schwarze Herz. Julius Bentheim ermittelt, Gmeiner Verlag, Meßkirch 2021, 280 Seiten, Taschenbuch, ISBN 978-3-8392-2804-3, € 14,40

Doris Röckle: Die Wehmutter vom Bodensee, Emons Verlag, Köln 2021, 352 Seiten, Taschenbuch, ISBN 978-3-7408-1146-4, € 13,40