Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Annette Raschner · 24. Nov 2022 · Literatur

„Es ist unentschuldbar, zu langweilen“

Die aus Vorarlberg stammende Schriftstellerin Verena Roßbacher ist für ihren vierten Roman „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“ mit dem diesjährigen Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet worden. Er ist mit 20.000 Euro dotiert. Im Gespräch mit Annette Raschner verrät Roßbacher unter anderem, worauf es ihr beim Schreiben so ankommt.

Annette Raschner: Als die Entscheidung für Ihr Buch „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“ im Rahmen der „Buch Wien“ bekanntgegeben wurde, stand Ihnen, zumindest schien es mir so, die Überraschung ins Gesicht geschrieben? Haben Sie wirklich so gar nicht mit dem Österreichischen Buchpreis geliebäugelt?
Verena Roßbacher: „Ich habe damit nicht gerechnet, nein; wenn ich überrascht wirke, dann weil ich es einfach war.“
Annette Raschner: Sie haben sich den Erfolg nicht leicht gemacht und sind immer Ihren Weg gegangen. Wenn ich beispielsweise Ihren zweiten Roman „Schwätzen und Schlachten“ hernehme: Da haben Sie ganz bewusst geradezu ausschweifend erzählt, um dann selbst lachend zu sagen, das Buch sei gewissermaßen „eine Frechheit“. Können Sie gar nicht anders, als „Ihr Ding“ zu tun oder wollen Sie es nicht anders?
Roßbacher: „Das ist eine interessante Frage. Ich würde sagen, „Verlangen nach Drachen“, das erste Buch, steht ein wenig für sich; wenn es eigenwillig wirkt, dann sicher nicht, weil ich es so wollte. Ein Debüt ist ja immer ein bisschen eine eigene Ortsbestimmung, ohne, dass man sich da schon allzu viele Gedanken macht, was wohl wie wirken könnte oder wie es bei einer Leserschaft ankommt. Man findet in einer Art schreibendem Zwiegespräch mit sich selbst erst heraus, worum es einem gehen könnte im Erzählen, welche Sprache man dafür hat und welche Fähigkeiten, diese Geschichte zu erzählen.
„Schwätzen und Schlachten“ war aber tatsächlich eine Art frei-schreiben für mich, es war weniger ein Buch, das den Dialog mit dem Leser sucht, als eines, in dem ich sozusagen die Klaviatur ausprobiert habe. Damals habe ich mir den Spaß am Schreiben zurückerobert, ich glaube, ich brauchte dieses Buch, um unabhängig zu werden - und das Bemerkenswerte ist, dass es dadurch erst möglich wurde, dann im dritten Buch, „Ich war Diener im Hause Hobbs“, auf eine Weise zu erzählen, die viel zugänglicher ist als alles vorher. Ich bin nicht mehr in einer Standortbestimmung wie beim ersten, beschäftige mich nicht mit meiner eigenen Belustigung wie beim zweiten, sondern möchte, ganz schlicht, eine gute Geschichte erzählen, die einen packt, die einen rührt, die Witz hat, die kurzum, gut unterhält und dabei aber gleichzeitig ein paar Dinge verhandelt, die wichtig sind.
Und das jetzige Buch, „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“, will das im Grunde noch ein bisschen radikaler. Ich wollte ein Buch, das noch lustiger ist als der Hobbs, und zugleich aber auch noch trauriger, ich wollte eine gute Unterhaltung und zugleich gab es ein paar Dinge, die mich beschäftigt haben. Und die wollte ich so erzählen, dass sie nicht nur mich angehen.“
Annette Raschner: Es gab in der Vergangenheit immer wieder Kritikerinnen und Kritiker, die Ihnen die Vermischung von E und U, also von so genannter ernsthafter und unterhaltsamer Literatur vorgeworfen haben. Durchaus auch bei Ihrem preisgekrönten Roman „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“. Woran liegt dies Ihrer Meinung nach? Im englischsprachigen Raum beispielsweise ist das ja ganz anders?
Roßbacher: „Ja, das ist merkwürdig, so ganz verstehe ich eigentlich nicht, worum es da geht. Ich persönlich finde gute Unterhaltung in der Literatur umwerfend - und sie ist sehr, sehr schwer herzustellen. Was genau dagegen sprechen soll, ernsthafte Themen unterhaltsam zu erzählen, weiß ich beim besten Willen nicht - vielleicht macht man es sich da aber auch wirklich zu einfach. Ich finde, alles, was erzählt wird, kann auch gut erzählt werden. Und es ist unentschuldbar, zu langweilen.“
Annette Raschner: Ihr literarisches Debüt war 2009 mit dem Roman „Verlangen nach Drachen“, der das Thema der Verwandlung in den Mittelpunkt gerückt hat. Dreizehn Jahre sind seitdem vergangen. Gab es Zeiten, in denen Sie ein wenig verzagt waren oder an sich als Schriftstellerin gezweifelt haben?
Roßbacher: „Es gab Zeiten, in denen es mir keine Freude machte, zu schreiben. Das hatte, vereinfacht gesagt, damit zu tun, dass bei mir selbst eine Wandlung vor sich ging - ich hatte das Schreiben immer gebraucht, es war ein ganz notwendiges Tool für meine Zufriedenheit. Je weniger ich es aber brauchte, desto mehr stellte sich die Frage, ob ich es eigentlich auch will - und das ist ganz etwas anderes. Man hat keine Wahl, wenn man etwas dringend braucht. Je zufriedener und glücklicher ich aber selbst wurde, desto mehr konnte ich mich ganz ruhig fragen, ob ich das Schreiben eigentlich auch will. Ich konnte mich dafür entscheiden, das ist ein großer Unterschied. Ich vermute, der Paradigmenwechsel zwischen den ersten beiden Büchern und den zwei folgenden hat mit dieser Veränderung zu tun.“
Annette Raschner: Woran arbeiten Sie aktuell?
Roßbacher: „Ich bin gerade in dieser nervigen Phase, in der ich schreibend versuche herauszufinden, worum es im nächsten Buch gehen könnte. Das macht mir enorm schlechte Laune, also lassen wir das lieber...“