Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Raffaela Rudigier · 25. Nov 2019 · Literatur

Erinnerungen an Innsbruck von Georg Fabjan: „AmRASER – Schnelle Geschichten vom langsamen Erwachsenwerden“

Innsbruck – das ist für viele Vorarlberger und Vorarlbergerinnen, insbesondere ehemalige Studierende der schnuckeligen Weltstadt, „home away from home“. Wer mehrere Jahre in einer Studentenstadt zugebracht hat, kennt viele Ecken und Winkel derselben, hat viele Erinnerungen an frühere Zeiten. Da wird man gerne nostalgisch und ein bisschen sentimental.

In der Reihe „Erinnerungen an Innsbruck“

Ähnlich ergeht es vielen, die irgendwann aus ihrer alten Heimat wegziehen, sei es um die Welt kennen zu lernen, um woanders eine Arbeit anzunehmen oder der Liebe wegen. Irgendwann blickt man plötzlich zurück und merkt: Was einst als ganz selbstverständlich galt, was eben noch die altbekannte Nachbarschaft war, existiert jetzt nur noch schemenhaft oder in Erinnerungen. Nicht selten neigt man auch hier zur Verklärung. Weil eben: Früher war irgendwie alles besser. Und Leute erinnern sich einfach gerne zurück: an die Studienzeit, an die Oma, an die wilden Jugendjahre oder an das behütete – oder auch unbehütete – Aufwachsen im Schoß der Familie.
Die Wagner‘sche Universitätsbuchhandlung in Innsbruck hat diesen Umstand erkannt und daraus eine Schriftenreihe gemacht. „Erinnerungen an Innsbruck“ heißen die Büchlein und jedes ist ein Stück Zeitgeschichte für sich. Darin erzählen gebürtige Innsbruckerinnen und Innsbrucker Andenken aus der Kindheit und Jugend. Nun liegt ein neuer Band vor, er beschäftigt sich mit dem Innsbrucker Stadtteil Amras und wurde geschrieben vom Wahl-Vorarlberger Georg Fabjan. Der Autor dürfte vielen im Ländle als TV- und Radio-Redakteur und Moderator des ORF Vorarlberg bekannt sein. Amras hingegen kennen die meisten hierzulande zumindest wegen des Ablegers eines großen schwedischen Möbelhauses oder wegen des „Knoten Amras“ der Inntal-Autobahn. Was Amras aber sonst noch alles ist und war, lohnt sich durch Georg Fabjans Augen zu entdecken. In packenden Kurzgeschichten und Anekdoten führt der Autor in das Amras seiner Kindheit, den laut ihm „dörflichsten Stadtteil Innsbrucks“. Dabei entführt er seine Leserschaft nicht nur in das Amras vergangener Tage, sondern auch in eine typische österreichische Kindheit in den 1980er Jahren. Wenn einer Vorarlberger Leserin die Straßennamen vielleicht nicht geläufig sind, so setzen sich jedoch diese mosaikartigen Geschichten zu einem runden und sehr persönlichem Bild jener Tage zusammen und ein Kind der 80er Jahre nickt unwillkürlich mit dem Kopf: „Das kenne ich auch!“ und „Genau so war es.“ Im Kinderprogramm von FS 1 hat man mitgefiebert bei Michael Schanzes „1,2 oder 3“, der immer zu dicke Pulli unter der Sternsinger-Kluft hat gekratzt und der erste Sandler, an den man sich erinnert, war eine weithin bekannte Ausnahmeerscheinung im Dorfbild und hat einen als Kind irgendwie nachhaltig geprägt. Immer noch kann man die „drei essentiellen Textpassagen“ des Laternenlieds („Rabimmel, rabammel, rabumm!“) auswendig und „Schlüsselbundwürfe“ von Lehrern waren in der Volksschule keine Seltenheit. Das klingt mittlerweile vielleicht schon ein bisschen antiquiert, gleichzeitig hat man das Gefühl, das alles sei erst gestern gewesen und man hört sich mit großmütterlicher Stimme altklug seufzen „Ach Kinder, wie die Zeit vergeht“.

Mit Wortwitz und Selbstironie

Dabei überzeugt Georg Fabjan mit seinem Wortwitz und seinem feinen (bis hin zum absurden) Humor. Da kann die Passionsgeschichte plötzlich zu einer Analogie der Formel 1 werden, „unendliche Weiten“ werden bestaunt, wenn Amraser Kinder nach Aldrans kommen, und als Schauspielerin Brooke Shields einmal in Amras nächtigt, wird mit dem trockenen Nebensatz erklärt: „So wie viele der wenigen Stars, die Innsbruck heimsuchten“. Tatsächlich kam sie nur wegen einer Aufzeichnung von „Wetten dass ...“. Weltstadt Innsbruck eben.
Dabei spart der Autor auch keinesfalls an Selbstironie und erkundet Amras aus der Perspektive eines eher ängstlichen (er selbst schreibt sogar „feigen“), um Unauffälligkeit bemühten Kindes. Da wächst noch Mais zwischen Wohnblöcken und Kuhmist trifft friedlich auf Kaufhaus-Kommerz. Nebenbei erfährt man von seltsamen Tiroler Bräuchen wie dem „Grasausläuten“ und dem „Aperschnalzen“. Und man muss beim Lesen laut lachen, wenn der vom Sonnenschein verwöhnte Innsbrucker das Wetter Dornbirns als passende Kulisse für „Gorillas im Nebel 3 – Der Nebel wird dichter“ vorschlägt.
Hoffentlich gelingt Georg Fabjan nun endlich die lang erhoffte Adelung durch die bisher verwehrte Erwähnung im „Amraser Boten“. Das hat er sich allerspätestens durch dieses Buch mehr als verdient. Ebenso wie sich „Amraser – Schnelle Geschichten vom langsamen Erwachsenwerden“ viele Leser und Leserinnen verdient hat.

Georg Fabjan, AmRASER. Schnelle Geschichten vom langsamen Erwachsenwerden, Verlag der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung 2019, Reihe ,Erinnerungen an Innsbruck‘, ca. 200 Seiten, ISBN 2019100000078, € 14,95

Lesung: 15.1.2020, 19.30 Uhr, Bücherei Dornbirn-Oberdorf