Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Raffaela Rudigier · 10. Mai 2011 · Literatur

Abgründe haben Tiefgang – Karlheinz Pichlers Lyrikband „alles grün im schatten“

Von Kühlschrank-Gedichts-Zyklen über Naturbeobachtungen und Facebook-Dialoge bis hin zu Anfällen von Erotik: „alles grün im schatten“ heißt der zweite Lyrikband des Vorarlberger Autors Karlheinz Pichler. Darin enthalten ist eine Auswahl von 64 Texten, die in den letzten drei Jahren entstanden sind.

Es sind „verdichtete szenisch-situative Beschreibungen“. Dabei werden der Alltag und auch die Natur genau observiert: Facebook-Kommentare, die Zapfsäule an der Tankstelle, das Morgenrot oder auch das Älterwerden sind Themen in den Gedichten Karlheinz Pichlers.

Ironisch und neudeutsch

Sprachlich gibt sich der Autor nicht sehr kryptisch, manchmal ironisch und immer wieder neudeutsch – wodurch teilweise seltsame Metaphern entstehen. So kann es in den Gedichten durchaus vorkommen, dass eine Frau sich „laptop-gamend“ im Liegestuhl beschäftigt, der „Sound der Worte“ an Harfenspiel und der Sonnenaufgang im Rätikon an „Laserstrahlen“ erinnern, während erste „Chatstimmen der Vögel“ zu hören sind oder Schwalben sich in den Süden „vertschüssen“.
Davon abgesehen experimentiert der Autor mit der Sprache und ihren Formen zum Beispiel, wenn es um grafische Gestalt der Gedichte geht. Manche werden zu Figurengedichten in Dreiecke, Ellipsen, Sechsecke oder Diamantformen gegossen. Aus welchem Grund Pichler das tut, ist nicht direkt ersichtlich. Ebenso regt da und dort die Sinnhaftigkeit mancher Zeilenbrüche zum Nachdenken an.

Wortspiele und Anfälle von Erotik

Gefallen findet der Dichter auch an Anagrammen („eiszeit zeiteis seizeit“) und an Wortspielereien:

„ein see
einsehen
das gesehene
seenhaft
das sehen
im see
(...)“

Sehr eigenwillig muten jene Anfälle von Erotik oder Sex an, die sich im Buch finden, wie etwa das Gedicht „körper-rap“:

„noppen foppen
rillen grillen

eicheln schmeicheln
samen rahmen

wimpern zupfen
tränen tupfen

backen zwicken
nasen kicken

after shaven
schwänze raven

auf lacken kacken
dildo-zacken
(...)“

Stimmungen erzeugen, Bilder entstehen lassen

Über Humor lässt sich bekanntlich streiten und darüber hinaus schafft es der Autor oft sehr gut, durch klare Beschreibungen Stimmungen zu erzeugen und Bilder vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Besonders spannend sind jene Gedichte, in denen es um Kunst oder den Kulturbetrieb geht. Themen sind beispielsweise die Notwendigkeit von Kunst, Ausstellungseröffnungen oder blutrünstige Kunstperformances und deren Offenbarungen. So wird etwa detailreich erzählt, wie bei der Performance „Zashiki Nr.118“ einem gefrorenen Blutkubus beim langsamen Auftauen zugesehen wird:

„übrig bleibt
das chaos
aus kugeln und blut
und die erleichterung“

Dabei sticht Karlheinz Pichlers Profession hervor: er lebt zur Hälfte in der Nähe von Zürich und in Vorarlberg und arbeitet als Journalist, Autor und auch als Kurator und ist in der regionalen Kulturszene kein Unbekannter. Umso schwieriger ist es, das „lyrische Ich“ der Gedichte nicht mit dem Autor selbst gleichzusetzen.
Der Lyrik-Band ist außerdem mit interessanten Fotografien ausgestattet, die einen Mann im Kopfstand zeigen. Die Fotos stammen von dem in New York lebenden Vorarlberger Künstler Richard Jochum. Auf den 13 Bildern der „Atlas Serie“ posiert der Mann vor Bergen, auf Wiesen, vor Häusern, in Städten, am Meer und vor Ruinen. Und auch das Titelbild des Buches stammt von einem Künstler: Der Zürcher Kunstschaffende Max Grüter hat es gestaltet.


Karlheinz Pichler, alles grün im schatten. Gedichte. Mit Fotografien von Richard Jochum, Bucher Verlag, Hohenems 2011, 114 Seiten, ISBN 978-3-99018-062-4, € 16,50